Soziale Netzwerke Wann Lügen erlaubt sind

Wer in sozialen Netzwerken unterwegs ist und dort seine Meinung kundtut, muss mit der Zensur der Unternehmen rechnen. Nicht immer ist diese gerechtfertigt. Quelle: imago images

Was ist bei Debatten im Netz erlaubt ist? Der Kölner Medienrechtler Lucas Brost gibt Antworten und erklärt, wie einfach die Meinungsfreiheit missbraucht werden kann.

  • Teilen per:
  • Teilen per:

WirtschaftsWoche: Herr Brost, starten wir das Gespräch doch mit einer Beleidigung. Sie sind ein Idiot!
Lucas Brost: Das ist nicht nett.

Klar. Aber habe ich Sie jetzt im rechtlichen Sinne beleidigt?
Eine Beleidigung ist es nur, wenn Sie das ohne Sachzusammenhang sagen. Wenn wir beide uns zum Beispiel über ein politisches Thema streiten und dann sagen Sie im Eifer des Gefechts, dass ich ein Idiot bin, dann kann das zulässig sein. Vor allem, wenn Sie begründen können, warum Sie mich für einen Idioten halten. Können Sie einen solchen Sachzusammenhang herstellen, dann dürfen Sie sehr viel. 

Selbst in einer hitzigen Debatte ist aber nicht jede Beleidigung erlaubt, oder?
Werden Ausdrücke aus dem Fäkalbereich verwendet, dann liegt fast immer eine Beleidigung vor, unabhängig davon, in welchem Zusammenhang die Äußerung gefallen ist.

Dr. Lucas Brost ist Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht und berät Unternehmen, Behörden, Verbände und Persönlichkeiten zu Fragen des Medienrechts. Quelle: PR

Was kann jemand unternehmen, der beispielsweise bei Facebook, Twitter oder LinkedIn beleidigt wurde?
Der erste Schritt sollte sein, die Plattform zu  informieren. Die Betreiber müssen schnell reagieren. Liegt eine Beleidigung vor, müssen sie diese innerhalb von 24 Stunden nach der Veröffentlichung löschen. Wenn der Name des Täters bekannt ist, er also nicht anonym unterwegs war, kann der Beleidigte auch eine Strafanzeige  erstatten. Die Staatsanwaltschaften verfolgen solche Taten aber oft nicht, weil sie meinen, dass kein öffentliches Interesse besteht. Dann gibt es noch die Möglichkeit, zivilrechtlich dagegen vorzugehen und auf Unterlassung zu klagen.

Schmerzensgeld gibt es nicht?
Das fragen mich die Mandanten auch immer. Aber  die Hürden für Schmerzensgeld wegen einer Beleidigung sind sehr sehr hoch. Das müsste dann schon eine Beleidigung aus der Fäkalsprache sein und die müsste auch völlig zusammenhangslos gefallen sein. Dann kann es auch schon mal eine Geldentschädigung geben. Aber oft kommt das nicht vor.

Kommen wir zu einer anderen Kategorie, die auch nicht erlaubt ist, und zwar die Volksverhetzung. Der Begriff ist sehr sperrig. Wann stellt eine Äußerung eine Volksverhetzung dar?
Das ist in der Tat ein komplizierter Straftatbestand. Fangen wir mal damit an, was die Intention des Gesetzgebers war, als er den Paragraphen beschlossen hat. Er wollte verhindern, dass ein feindseliges oder hasserfülltes Meinungsbild entsteht. Er wollte der Gefahr entgegenwirken, dass bestimmte Menschen oder Gruppen aggressiv angegangen und infolgedessen  zu  Gewaltopfern werden können. In der Praxis wird Volksverhetzung oft im Zusammenhang mit fremdenfeindlichen Aussagen diskutiert. Aber man muss hier aufpassen. Nicht jede ausländerfeindliche Äußerung ist gleichzeitig auch eine Volksverhetzung.

Können Sie ein Beispiel nennen?
In einem Fall ging es um ein Plakat, auf dem hieß es, die Überfremdung sei ein Kreuzzug gegen das eigene Volk. Das Gericht urteilte, dass dieser Spruch keine Aufforderung zum  Hass einer bestimmten Gruppe darstellt und auch nicht zu Gewalt aufruft und es sich deshalb nicht um Volksverhetzung handelt.

Ein Gericht hat entschieden, dass die Plattform LinkedIn Beiträge von Nutzern nicht schon deshalb sperren darf, weil sie vielleicht problematisch sind. Eingriffe in die Meinungsfreiheit müssen nachvollziehbar sein.
von Melanie Bergermann

Nehmen wir an, jemand sagt, dass alle Ausländer aus dem Land gejagt werden sollten. Dann wäre das eine  feindliche Äußerung mit einer Gewaltkomponente. Das wäre dann Volksverhetzung?
Ja, das könnte eine Volksverhetzung sein. Es wurde eine Gruppe definiert, nämlich die Ausländer. Die Gruppe ist zwar sehr groß, aber deutlich eingrenzbar. Und die gewünschten Konsequenzen für diese Gruppe könnten einen Gewaltaufruf darstellen.

Kann jeder, der eine Volksverhetzung, zum Beispiel auf einer Diskussionsplattform entdeckt, dagegen vorgehen?
Ja, das ist auch sinnvoll. Es empfiehlt sich, Screenshots zu erstellen, die Namen der Täter festzuhalten und dann Strafanzeige zu stellen. Das wird von der Polizei und den Staatsanwaltschaften auch konsequent verfolgt.

Ein weiteres Problem sind Falschinformationen, die sich über Internetplattformen sehr schnell verbreiten.  Ist es eigentlich verboten, Lügen zu posten?
Falschinformationen zu verbreiten ist an sich keine Straftat. Es gibt also keinen Fake-News-Paragraphen im Strafgesetzbuch. Aber es kann zur Straftat werden, wenn durch die Falschinformation zum Beispiel jemand beleidigt oder verleumdet wird. Aber selbst wenn das nicht der Fall ist, kann es Konsequenzen haben, Lügen zu verbreiten.

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%