Starker Kundenzuwachs Warum Netflix boomt und Apple nicht

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Apple hechelt hinterher

Ein paar Seiten aus dem Drehbuch von Netflix will sich Apple allerdings herausreißen. Die TV-Profis Jamie Erlicht und Zack Van Amburg, die Knüller wie „Breaking Bad“ oder „The Crown“ bei Sony Pictures Television überwacht haben, werden als Co-Chefs das weltweite Videogeschäft übernehmen und direkt an Eddy Cue berichten, einen der mächtigsten Manager neben Tim Cook. Der kündigte an, den Service-Bereich bei Apple bis 2020 auf 50 Milliarden Dollar zu verdoppeln. Der Bereich wird von Cue geleitet und beinhaltet iTunes sowie den Musik-Abodienst des Konzerns.

Doch bislang hechelt Apple nur abgeschlagen hinter Netflix oder Amazon hinterher. 2012 kontrollierte der iPhone-Hersteller noch 50 Prozent des Download-Marktes für Videos, jetzt sind es weniger als 25 Prozent. Youtube, Netflix, Amazon und Hulu drücken den Konzern aus Cupertino ins Abseits. Dabei wäre eine Basis aus attraktiven Eigenproduktionen eine wichtige Ergänzung, um Kunden von Apple-TV und iTunes bei der Stange zu halten und auch iPhones und iPads langfristig als Entertainment-Angebote zu etablieren.

Bislang wenden sich Monat für Monat Zehntausende „Cord Cutter“ genannte US-Kunden, die ihre Kabel-TV-Angebote kündigen, um zu Streaming-Diensten zu wechseln, Netflix oder Amazon Prime zu und nicht Apple TV. Ein geplanter Einstieg in das Geschäft mit Abos für TV-Sender sei am massiven Widerstand der TV-Industrie gescheitert. Die wollte sich nicht, so wie damals die Musikindustrie mit iTunes, von Apple vorführen lassen.

Auf der Entwicklerkonferenz 2017 musste Cook zähneknirschend den Start von „Amazon Prime Video“ auf Apple TV als große Neuigkeit verkünden, um die Attraktivität zu steigern. Im Januar hatte er noch gesagt, man habe in Punkto Original-Inhalte „den großen Zeh ins Wasser gehalten und gelernt. Jetzt werden wir weitersehen“. Die Frage ist, wie schnell? Potenzial ist vorhanden: Insgesamt zählt Apple mehr als 150 Millionen Abo-Kunden für seine zahlreichen Dienste und Angebote. Ein guter Teil ließe sich sicher in zahlende Streaming-Kunden umwandeln.

Vorerst erntet aber Reed Hastings die Früchte des frühen Markteintritts. Das zweite Quartal gilt traditionell als ein schwaches für Netflix, doch die jetzt vorgelegten Zahlen zeigen erstmals keine Anzeichen der typischen Frühjahrsmüdigkeit.

Erstmals verzeichnet der Dienst mehr als 100 Millionen Abonnenten insgesamt und schließt damit langsam zu Apple auf, mehr als 50 Prozent der Kunden befinden sich im Ausland. Für das laufende Quartal gibt sich Netflix verhalten optimistisch und schätzt 3,65 Millionen internationale und 0,75 Millionen US-amerikanische Neukunden. Man habe im zweiten Quartal „klar die Stärke unserer Programme unterschätzt“, heißt es weiter, aber man wolle sich mit den Zahlen nicht zu weit aus dem Fenster lehnen.

Hier sieht man einen weiteren Unterschied zu Apple. Während dort immer von neuen Rekorden berichtet wird, heißt es in Hastings Aktionärsbrief lapidar: „Es war ein gutes Quartal.“

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