Streamingdienstleister Woran Netflix' Werbemodell scheitern könnte

Am 3. November startet Netflix sein neues, werbefinanziertes Streaming-Angebot in den USA, Deutschland und anderen Ländern, um neue Nutzer zu gewinnen. Lange hat der Streaming-Marktführer Werbung strikt abgelehnt. Quelle: imago images

Mit einem werbefinanzierten Abo-Angebot will der Streaming-Dienst Netflix ab 3. November neue Nutzer gewinnen. Doch die Werbeplätze gelten als teuer – und Netflix weiß zu wenig über seine Nutzer. Der Versuch könnte scheitern.

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Die Mitarbeiter im Werbeteam von Netflix dürften bis zum Anschlag gearbeitet haben: Noch bis Anfang dieses Jahres war der Streaming-Dienstleister ein überzeugter Gegner von Werbung beim Streaming. Doch desolate Zahlen zwangen Netflix zum Umdenken: Als das Unternehmen im ersten Quartal dieses Jahres das erste Mal überhaupt seit Bestehen Nutzer verlor, statt mehr dazuzugewinnen, setzte das Umdenken ein.

„Wir haben ein großes Kundensegment vom Tisch gelassen, nämlich die Leute, die sagen: ‚Hey, Netflix ist mir zu teuer und ich habe nichts gegen Werbung‘“, sagte etwa Netflix-Co-Chef Ted Sarandos laut einem Medienbericht kürzlich auf dem Werbefestival Cannes Lion. Noch im April sprach Netflix-Chef Reed Hastings davon, eine Werbe-Version „in ein bis zwei Jahren auf die Reihe kriegen“ zu wollen.

Doch dann ging es viel schneller: Nur sechs Monate sind seit der Ankündigung vergangen, ins Werbegeschäft einzusteigen und schon ist es so weit. Am 1. November startet Netflix in Mexiko und Kanada als erste Märkte mit Werbeabo, ab dem 3. November bietet das Unternehmen das Modell dann auch in Deutschland, den USA und weiteren Märkten an. Ab dem 10. November soll es das günstigere werbefinanzierte Netflix-Abo dann in insgesamt zwölf Märkten geben.

Damit startet Netflix mit dem werbefinanzierten Modell vor dem großen Konkurrenten Disney, der erst ab Dezember in den USA ein günstigeres Abonnement mit Werbung starten will. 4,99 Euro kostet das werbefinanzierte Abo in Deutschland – das Basismodell ohne Werbung kostet 7,99 Euro, für das Standardabo mit einer höheren Auflösung zahlen Nutzer 12,99 Euro und für das Premium-Modell mit 4K und HDR 17,99 Euro.

Der Werbemarkt schwächelt – Meta, Alphabet und Snap leiden

Das Werbeabo kommt zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt. In der Berichtssaison der großen Tech-Konzerne vergangene Woche brachen die Aktien einiger Konzerne ein. Denn ihre Zahlen enttäuschten: Bei Alphabet etwa, der Google-Mutter, schrumpften die Werbeeinnahmen der Videoplattform Youtube von 7,2 Milliarden Dollar auf 7,07 Milliarden Dollar. Verglichen mit dem zweiten Quartal dieses Jahres brachte Google-Werbung dem Unternehmen knapp zwei Milliarden Dollar weniger ein.

Auch bei Snapchat enttäuschten die Zahlen Anleger – das Unternehmen verwies beim Quartalsbericht auf „erheblichen Gegenwind“, weil Werbekunden ihre Marketingbudgets kürzen. Wie also wird das Werbeabo von Netflix ankommen? Und kann das Unternehmen in diesen Zeiten damit wirklich gut Geld verdienen und Kunden dazugewinnen? Daran gibt es einige Zweifel.

„Bewegtbildwerbung ist das dominierende Thema“

Paco Panconcelli ist Geschäftsführer für die DACH-Region bei Channel Factory, einem Unternehmen, das Unternehmen dabei hilft, ihre Werbung bei Youtube zu schalten. Mit Bewegtbildwerbung kennt sich Panconcelli also aus. „Es ist verständlich, dass Netflix auf den Zug aufspringt,“ sagt Panconcelli, „Bewegtbildwerbung ist das dominierende Thema“. Und warnt gleichzeitig: „Die Infrastruktur und die technischen Möglichkeiten sind komplex – ob es möglich ist, das in der Kürze der Zeit mit allen Anforderungen, die Werbetreibende so haben, auf die Beine zu stellen, kann ich nicht abschließend beurteilen, aber bezweifeln.“

Denn für Werbetreibende ist neben der Markensicherheit – dass Werbespots etwa in einem sicheren Umfeld laufen und keine markenschädigenden oder illegalen Umfelder gebucht werden können – auch die Markentauglichkeit immer wichtiger. Dabei geht es darum, genau zu differenzieren, zu welchen Anlässen die spezielle Werbung passt und an die richtige Zielgruppe kommt und wann nicht.

Einige Unternehmen schaffen es besonders gut, mit ihren Marken die wichtigste Konsumentengruppe der Zukunft zu bedienen. Ihre Aktien sind dennoch stark gefallen – aber nur wenige sind bereits kaufenswert.
von Frank Doll, Nele Antonia Höfler

Hat Netflix genug Daten?

„Um diese Differenzierung rauszukriegen, braucht man sehr viele Daten und sehr viel Technologie“, sagt Panconcelli. Und beim Thema Daten sei Netflix verglichen mit Google und Youtube oder etwa TikTok entscheidend im Nachteil. „Die Frage ist, ob Netflix groß genug ist, um mit den Daten das zu tun, was der Markt erfordert.“

Dazu kommt: „Die Preise sollen astronomisch sein“, sagt Panconcelli. Laut diversen Medienberichten verlangt Netflix offenbar 65 Dollar pro Tausenderkontaktpreis (TKP) – eine Kennzahl zur Berechnung von Anzeigenkosten, die bestimmt, was ein Werbekunde bezahlt, damit eine Anzeige 1.000 Besucher sehen können. Außerdem soll Netflix laut Medienberichten ein Mindestbuchungsvolumen von zehn Millionen Dollar pro Jahr von Werbekunden verlangen. Auf eine entsprechende Anfrage der WirtschaftsWoche zu den Preisen äußerte Netflix sich bislang nicht.

Netflix-Werbung teurer als Werbung beim Super Bowl?

Zum Vergleich: Beim Werbeangebot von Disney+ soll der TKP bei circa 50 Dollar liegen. Werbung bei Youtube liegt laut Panconcelli zwischen sechs und zehn Dollar pro TKP – das ist aber immer abhängig davon, bei welchem Youtuber die Werbung geschaltet ist. Der TKP von Netflix würde damit sogar über dem TKP beim Super Bowl – dem amerikanischen Mega-Sportevent – liegen. Die für Werbekunden wichtige Überprüfung der Werbeerfolge durch Drittunternehmen startet bei Netflix erst ab dem ersten Quartal 2023.

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Bisher immerhin scheinen die Werbeplätze bei Netflix ausgebucht zu sein. In einer Pressekonferenz vor wenigen Wochen zeigte Netflix auch, wie die Werbung eingebunden wird. Beim Klick auf eine Folge der Netflix-Serie „Emily in Paris“ etwa startet zunächst ein 30-sekündiger Werbespot des Kosmetikunternehmens NYX Professional Make-Up, noch bevor der Vorspann beginnt. Insgesamt sollen pro Stunde durchschnittlich vier bis fünf Minuten Werbung gesendet werden – wenn die Budgets der Werbetreibenden das denn hergeben.

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