Streit um Verkauf der Software AG Persönliche Gründe? „Das nehme ich Ihnen nicht ab“

Der Firmensitz der Software AG in Darmstadt-Eberstadt (Hessen). Quelle: dpa

Der Kampf um eine Ikone des deutschen Mittelstands geht weiter: Auf der Hauptversammlung wird der Vorstand der Software AG für seine Verkaufspläne hart attackiert  – nun wollen Anleger die Bafin einschalten.

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Christian Lucas, Chefkontrolleur der Software AG, dürfte dieser Termin wohl schon seit einiger Zeit Sorge bereitet haben. Zur Hauptversammlung der Gesellschaft, die an diesem Mittwoch stattfand, waren nicht wenige vor allem mit einem Ziel angereist: Lucas die Meinung zu sagen, mögliche Interessenskonflikte im laufenden Bieterkampf klar zu benennen. Und so nahm Lucas, im Hauptjob Europachef des US-Finanzinvestors Silver Lake, lieber den einfachsten, wenn auch ruhmlosesten Ausweg: Er erschien gar nicht erst. Die Versammlung im Darmstädter Kongresszentrum leitete ein extern angeheuerter Rechtsanwalt.

Das kam bei den Aktionären, deren oberster Vertreter Lucas qua Amts ist, gar nicht gut an. Es sei „extrem verwunderlich, dass der Aufsichtsratsvorsitzende wichtigere Termine hat als die Hauptversammlung seiner Gesellschaft“, kritisierte Thomas Schweppe. Schweppe, der oft den gefürchteten US-Hedge-Fonds Elliott berät, trat in Darmstadt für seine private Investmentgesellschaft 7Square Capital auf. Corporate-Governance-Experte Christian Strenger, der für Investoren mit zusammen fünf Prozent an der Software AG sprach, brandmarkte Lucas‘ Abwesenheit als „Geringschätzung der Aktionäre“.

Mit seinem Fernbleiben entging Lucas drängenden Fragen nach seiner Doppelrolle als Software-Chefaufseher sowie Topmanager jener Private-Equity-Gesellschaft, von der sich die Software AG gerade übernehmen lassen will. Vorstand und Aufsichtsrat scheinen seit Wochen eine Übernahme durch Silver Lake für 32 Euro durchboxen zu wollen, obwohl es ein konkurrierendes Angebot vom US-Investor Bain Capital über dessen Mehrheitsbeteiligung Rocket Software zu mindestens 34 Euro gibt.

Der Finanzinvestor Silver Lake will die im MDax notierte Software AG übernehmen. Eigentlich war die Software-AG-Stiftung immer dagegen. Was sich nun geändert haben könnte und was Silver Lake mit dem Softwarehaus vorhat.
von Michael Kroker, Theresa Rauffmann

Das sorgt bei Kleinaktionären wie Profianlegern für Verdruss. Es sei „gerade in dieser Zeit seine Kernaufgabe, sich vorne hinzusetzen und Rede und Antwort zu stehen“, schimpfte Wolfgang Schärfe von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW).

„Persönliche Verhinderungsgründe“

Vorstände und Aufsichtsräte wollten nicht beantworten, inwieweit und wann Lucas mit der Offerte in seiner Doppelfunktion jeweils persönlich befasst war. Antworten verweigerten sie auf mehrfache Nachfragen auch, warum Lucas fehlte. Zu „persönlichen Verhinderungsgründen“ könne er keine Angaben machen und bitte um Verständnis, sagte Aufsichtsrat Oliver Collmann. „Wir haben kein Verständnis“, rief der Berliner Anlegeranwalt Martin Weimann aus der ersten Reihe des Auditoriums, der mit seinem Unmut nicht alleine war. „Das nehme ich Ihnen nicht ab!“, erklärte Strenger unter aufbrandendem Applaus. Und insinuierte, womöglich sei Lucas von Juristen das Fernbleiben empfohlen worden. Auf einer Hauptversammlung müssen alle relevanten Fragen wahrheitsgemäß beantwortet werden, sonst kann das ganze Treffen angefochten werden. Strenger und Weimann stellten eine Sonderprüfung in den Raum.

Den Aktionären stieß besonders die mangelnde Transparenz der Übernahmeverhandlungen auf, die am 21. April mit einer Offerte durch Silver Lake öffentlich wurden. „Wäre nach Ihrer Ansicht ein öffentlicher Bieterprozess möglich gewesen – und wenn nein, warum nicht?“, fragte DSW-Mann Schärfe unter lautem Beifall und „Bravo“-Rufen. Er habe den Eindruck, dass Silver Lake „eine Sonderbehandlung genossen haben könnte“, sagte Weimann. Schweppe drohte, die Investoren würden prüfen, ob der Vorstand um Chef Sanjay Brahmawar seiner Vermögensbetreuungspflicht erfülle.

Kein formaler Verkaufsprozess

Immerhin: Software-Finanzvorständin Daniela Bünger gab auf hartnäckige Nachfragen erstmals ein paar Details zum Hergang des Übernahmeprozederes preis. Demnach erhielt der Vorstand am 16. April das erste nicht-bindende Angebot von Silver Lake. Zugleich habe Silver Lake mitgeteilt, mit der Software-AG-Stiftung eine Exklusivitätsvereinbarung zum Kauf von 25,1 Prozent des Software-AG-Kapital abgeschlossen zu haben. Der Vorstand informierte darüber noch am 16. April den Aufsichtsrat, der daraufhin im Umlaufverfahren einen Übernahmeausschuss ohne die beiden Silver-Lake-Aufsichtsratsvertreter bildete.

Am 18. April beschlossen Vorstand und Übernahmeausschuss, Silver Lake Zugang zu einer „begrenzten Confirmatory Due Diligence“, also einer lediglich oberflächlichen, bestätigenden Buchprüfung zu gewähren. Am 21. April fand ein Telefonat mit Bain Capital statt, am Abend desselben Tages unterbreitete Silver Lake seine bindende Offerte zu 30 Euro. Am 2. Mai habe Bain seine erste unverbindliche Offerte eingereicht, woraufhin Vorstand und Übernahmeausschuss am 3. Mai mit Silver Lake eine Erhöhung des Preises auf 32 Euro verhandelte.

Am 9. Mai konterte Bain mit einem unverbindlichen Gebot von bis zu 36 Euro, die der Investor unter den Vorbehalt unter anderem einer gründlichen Buchprüfung stellt. Dieses lehnten Software-Vorstand und Übernahmeausschuss ab mit der Begründung, das Gebot von Silver Lake sei unter Berücksichtigung sämtlicher Aspekte wie der Transaktionssicherheit das Bessere.

Bünger räumte ein, dass der Vorstand – anders als bei einem gescheiterten Verkaufsversuch 2021 – keinen formellen Verkaufsprozess eingeleitet habe. „Wir haben keine weiteren potenziellen Bieter aktiv angesprochen.“ Da Silver Lake mit dem Paket der Stiftung und eigenen Aktien 30 Prozent bereits sicher hat, hätte ein anderes Angebot ohnehin wenig Aussicht auf Erfolg, so die Erklärung der Finanzchefin. Auf die Frage, ob der Software-Vorstand mit Bain gesprochen habe, gab es keine Antwort.

Jetzt soll die Bafin helfen

Weimann kritisierte, dies gehe so nicht. Bain müsse eine Buchprüfung ermöglicht werden – und Vorstand und Aufsichtsrat müssten sich an ihre Neutralitätspflicht halten. „Wir werden unter Einschaltung der Finanzaufsicht Bafin und der Gerichte dafür sorgen, dass die Mindeststandards eingehalten werden.“

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Da über die Übernahme selbst auf der Versammlung nicht abgestimmt werden konnte, kündigten mehrere Aktionärsvertreter an, gegen eine Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat sowie andere Punkte auf der Tagesordnung zu stimmen. Der Bieterkampf läuft indes weiter. Für die nächsten Tage wird die Veröffentlichung der Angebotsunterlagen von Silver Lake erwartet.

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