Streit um Verschlüsselung eskaliert Google kommt Apple zu Hilfe

Krieg zwischen Silicon Valley und Washington: Google stellt sich an die Seite von Apple und will nicht zum Hacken von Kunden-Smartphones gezwungen werden. Obama ist dafür. Es ist das Schicksalsjahr des Datenschutzes.

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Google und Apple lehnen sich gemeinsam gegen das FBI und gegen Washington auf. Quelle: dpa

San Francisco Es gibt wenige Punkte, in denen sich Barak Obama und Donald Trump einig sind - in diesem einen Fall ist es aber so: Josh Earnest, Sprecher des Weißen Hauses, erklärte am Donnerstag, Apple solle die Technik liefern um das iPhone eines getöteten Terrorverdächtigen zu entsperren, so wie es ein Gericht gefordert hat. Das Justizministerium und das FBI hätten die volle Rückendeckung des Präsidenten. Apple-Vorstandschef Tim Cook lehnte dies in einem offenen Brief allerdings kategorisch ab.

Das veranlasste den Republikaner Donald Trump, der im kommenden Jahr auf Obamas Stuhl im Oval Office Platz nehmen will, drohend noch einen draufzulegen. Er sei „zu 100 Prozent auf der Seite der Gerichte“, erklärte er im Fernsehen. Es sei unmöglich, dass Apple sich nun ziere: „Was glauben die denn eigentlich wer sie sind?“
Die Emotionen kochen hoch in Amerika. Der Apple-Chef hatte am späten Dienstag vor verheerenden Konsequenzen für Privatsphäre und Bürgerrechte gewarnt, wenn er gezwungen werden sollte, die Sicherheitsvorkehrungen des iPhones auch nur in einem einzigen Fall auszuschalten. Gebe es erst einmal eine „Hintertür“ in das Smartphone, könnte das im Endeffekt die Sicherheit aller iPhones bedrohen und andere Staaten würden ebenfalls Zugang verlangen.

Das Gericht hatte unter anderem verlangt, Apple müsse die automatische Datenvernichtung nach zehn falschen Passworteingaben ausschalten und ermöglichen, statt mit einer Tastatur elektronisch Passwörter eingeben zu können. Dann könnten im Tag-und-Nacht-Betrieb automatische Passwort-Computer Millionen von Varianten ausprobieren und irgendwann wäre dann die richtige Kombination dabei. Damit, so Cook, wäre im Prinzip jedes iPhone auf der Welt in Gefahr. Denn das Argument, dies solle nur für ein spezielles Geräte gemacht werden, sei falsch. In der digitalen Welt könne man alles ändern und anpassen.

Der klagende FBI zieht dagegen ein Gesetz aus dem Jahre 1789 zu Hilfe und interpretiert es neu, um die Ausweitung seiner Macht zu legitimieren. Der seit langem schwelende Krieg zwischen Washington und dem Silicon Valley ist damit offen ausgebrochen. Noch ist das Urteil nur eine untere Instanz. Aber Beobachter rechnen fest damit, dass das Verfahren wegen seiner gravierenden Auswirkungen über Jahre laufen und bis zum obersten Gerichtshof gehen wird. Auch, weil Apple genug Geld hat, um es selbst mit dem FBI und damit dem Justizministerium aufzunehmen.


Google-Chef Pichai bezieht klar Stellung

Edward Snowden, früherer Kontrakt-Arbeiter bei der Geheimdienstbehörde NSA und bekannter „Whistleblower“, sieht in einem Tweet aus dem Exil dann auch den „wichtigsten Prozess in der Tech-Industrie seit einem Jahrzehnt“ heraufziehen. Und er findet es befremdlich, dass die Bürger sich jetzt auf Firmen wie Apple statt auf die Regierung verlassen müssen, um ihre Bürgerrechte zu schützen.
Der Webgigant Google, dessen Android-Betriebssystem Android über 80 Prozent Marktanteil hält, hatte sich für eine Stellungnahme zwei Tage Zeit gelassen. Doch dann bezog Chef Sundar Pichai klar Stellung zu Apple. „Wir bauen sichere Produkte und halten unsere Daten sicher und wir kooperieren mit Strafverfolgungsbehörden auf der Basis gültiger Vorschriften“, so Pichai. „Aber Unternehmen zu zwingen das Hacken von Daten und Diensten ihrer Kunden zu ermöglichen, ist eine völlig andere Sache“, so Pichai. „Das könnte ein beunruhigender Präzedenzfall werden.“
Das Verhältnis zwischen dem Silicon Valley und Washington ist seit Jahren zum Besten gespannt. Durch die Enthüllungen von Edward Snowden war aufgeflogen, wie sich US-Behörden systematisch Zugänge zu Telefon- und Datennetzwerken verschafft und dabei auch den Datenverkehr innerhalb von Tech-Unternehmen abgezapft haben.
In seltener Einigkeit und in scharfer Form protestierten damals bereits Firmen wie Google, Apple, Microsoft, Yahoo oder Facebook gegen diese Praxis und verlangten die Einstellung. Erfolg hatten sie damit aber nicht.

Als Konsequenz aus der NSA-Spionage haben die Webunternehmen begonnen, nun auch den internen Datenverkehr zu verschlüsseln. Länder wie China und England forcieren bereits seit längerem ein komplettes Verbot der Verschlüsselung, auch für Messenger-Dienste. Greg Nojeim vom Center for Democracy & Technologie warnt, so wie Cook, vor den Folgen des FBI-Vorstoßes. „Nach den iPhones könnten die Computer dran sein. Und dann andere Provider.“ Heute, warnt der Bürgerrechtsaktivist, solle das Smartphone eines angeblichen Terroristen gehackt werden und morgen wird es vielleicht das eines chinesischen Dissidenten sein.
Mehrere Statten hatten jahrelang auch Blackberry mit einem Verbot gedroht, falls es keine Hintertüren für Regierungsbehörden geben werde. Microsoft wehrt sich seit Jahrzehnten gegen immer neue Versuche, Hintertüren in Windows einzubauen. Ein entsprechendes Gesetz, das eine Hintertür für den Behördenzugriff auf alle Hardware vorschreibt, wurde gerade erst in China beschlossen. Die Begründung für den Vorstoß: Kampf gegen den Terrorismus.
Das Gesetz wurde von Barack Obama damals scharf kritisiert.

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