Ströer Vom Plakatekleber zum Digitalwerber

Die Deutsche Telekom verkauft Deutschlands meistbesuchtes Internetportal T-Online und seinen Werbevermarkter InteractiveMedia. Der neue Besitzer Ströer wird damit zur großen Nummer im Digitalgeschäft.

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Udo Müller Quelle: PR

Man mag es heute eher nicht glauben, wenn man Udo Müller in seinem schicken schwarzen Anzug sieht. Aber tatsächlich weiß der Chef der bisherigen Außenwerbefirma Ströer ziemlich gut, wie man mit dem breiten Kleisterpinsel Plakate an Hauswände pappt.

Schließlich hat er es selbst getan: In den 80er Jahren, im ehemals wilden Berlin und selbst im Ostteil der Stadt, klebte der Medizinstudent Reklame auf Mauern. Müller verdiente sich Geld als Handballprofi bei den Reinickendorfer Füchsen dazu und kümmerte sich auch um den Werbeverkauf im Hallenheft des Vereins, so rutschte er in die Werbebranche. Bei seiner Suche nach ungenutzten Klebeflächen  kam der findige Müller dem Außenwerber Heinz Ströer in die Quere. Die beiden taten sich zusammen, 1990 gründeten sie ein gemeinsames Unternehmen.

Heute, 25 Jahre später, erzielt die Ströer AG 720 Millionen Euro Umsatz und ist neben dem Konkurrenten Decaux aus Frankreich größter Verkäufer von sogenannten „Out-of-home“-Werbeflächen in Deutschland, also Plakaten, Reklame in öffentlichen Verkehrsmitteln oder an Bushaltestellen sowie in Bahnhöfen und City-Toiletten.

Gleichzeitig jedoch schwingt sich der lange übersehene Konzern aus Köln zu einer veritablen Macht im Online-Geschäft auf. Erst seit 2013 verfügt der Konzern über ein wachsendes digitales Geschäft. Doch mit reichlich Ehrgeiz und nach zahlreichen Zukäufen und Mehrheitsbeteiligungen pushte Müller Ströer die Tochter in kurzer Zeit auf Platz eins unter den Online-Vermarktern. Das Unternehmen verkauft Werbeflächen vor allem auf Special-Interest-Seiten wie giga, kino.de oder spieletipps.de.

Durch den Kauf von T-Online, immerhin Deutschlands meistbesuchter Webseite und für Ströer-COO Christian Schmalzl mit 25 Millionen sogenannten Unique Usern „der Leuchtturm“ unter den hiesigen Portalen, sowie des Vermarkters Interactive Media, der unter anderem die Online-Auftritte kicker.de, bunte.de und autoscout24.de im Portfolio hat, festigt Ströer seine Position vor Axel Springer. Gleichzeitig macht der Deal mit dem Magenta-Riesen, der sich mit zwischen elf und 13 Prozent an dem Werbeunternehmen beteiligt, Ströer zum Umsatzmilliardär und zur großen Nummer im Digitalgeschäft.

Online-Geschäft wird zur zweitgrößten Säule

Strategisch ist der jüngste Schachzug von Müller für den Ströer-Konzern von mindestens ähnlicher Bedeutung wie der Doppelschlag in den Jahren 2004 und 2005. Damals kaufte das Unternehmen, das selbst gerade 550 Millionen Euro Umsatz machte, mit Hilfe der Private-Equity-Firma Cerberus für gut 400 Millionen Euro den Konkurrenten Deutsche Städte-Reklame, und im Jahr darauf die Deutsche Eisenbahn-Reklame. Der Coup verschaffte Müller und seiner Truppe den Zugriff auf Werbeflächen in zahlreichen Bahnhöfen und in wichtigen Großstädten.

Heute erzielt Ströer zwar noch immer den größten Teil seines Umsatzes mit sogenannten Billboards – also Werbung auf Hauswänden, quasi wie damals in Berlin. Doch der mit Abstand am stärksten wachsende Teil des Geschäfts ist das Online-Business, das unter den Sparten des im SDax-notierten Konzerns innerhalb kurzer Zeit die Werbung in der Kategorie Transport überholte und intern mit einem Umsatz von 122 Millionen Euro im vergangenen Jahr schon auf Rang drei vorrückte. Rechnet man schlicht den Umsatz hinzu, den der Magenta-Deal Ströer nun beschert, wird das Online-Geschäft nach Abschluss des Kaufs mindestens zur zweitgrößten Säule im Ströer-Portfolio.

Ströer reduziert damit zugleich deutlich seine Abhängigkeit von den Besitzern der Flächen – meistens sind es die Städte -, auf denen das Unternehmen seine Werbeflächen anbringt. Denn in den meisten Fällen laufen die sogenannten Konzessionsverträge mit den Kommunen über 15 Jahre. Danach werden die Karten im Regelfall neu gemischt. Wächst dagegen das Online-Geschäft weiter wie bisher, bringt es den Konzern in eine bessere Balance und schafft ihm zugleich noch mehr Möglichkeiten, Online-Werbung zu verbinden mit seinen digitalen Reklameflächen.

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