Studie zur Griechenland-Berichterstattung Kritik an ARD und ZDF

Haben die öffentlich-rechtlichen Sender in Deutschland neutral und ausgewogen über die Krise in Griechenland berichtet? Nein, urteilt eine neue Studie. ARD und ZDF lassen die Vorwürfe nicht gelten.

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ARD und ZDF haben einer Studie zufolge nicht ausgewogen über Griechenland berichtet. Die Sender halten die Vorwürfe für nicht gerechtfertigt. Quelle: AP

ARD und ZDF haben den Vorwurf zurückgewiesen, sie hätten 2015 unausgewogen über die Staatsschuldenkrise in Griechenland berichtet. Die am Donnerstag vorgelegte Studie der Otto Brenner Stiftung der IG Metall sei in ihrer Methodik und Systematik problematisch, erklärte die ARD. Das ZDF ergänzte, weil der Ansatz nicht stimme, seien auch die Schlussfolgerungen nicht nachvollziehbar. Beide kritisierten, die Studie zeige kein repräsentatives Bild der Berichterstattung, weil wichtige Sendungen gar nicht berücksichtigt worden seien.

Medienwissenschaftler der Universität Würzburg hatten für die Studie die täglichen Hauptausgaben von „Tagesschau“ und „heute“ sowie die Sondersendungen „Brennpunkt“ und „ZDF spezial“ zum Thema Griechenland untersucht. In der Studie heißt es, ARD und ZDF hätten die jeweiligen Seiten nicht in gleichem Maß zu Wort kommen lassen. Außerdem hätten sie Meinung und Nachricht nicht immer konsequent sauber getrennt.

ARD-Chefredakteur Rainald Becker widerspricht den Schlussfolgerungen der Wissenschaftler in einer Mitteilung: „Das Erste hat über die griechische Finanzkrise sehr ausführlich, analytisch und journalistisch ausgewogen berichtet.“ Es sei über alle relevanten Entscheidungsträger und über die Diskussionen im deutschen und griechischen Parlament berichtet worden.

Kritik übt die Studie auch an einer Berichterstattung „weitgehend an der Oberfläche“. Außerdem seien die Reformvorhaben der griechischen Regierung unvollständig dargestellt worden. ARD und ZDF kritisierten, in der Studie fehlten weitere Nachrichtenformate, beim ZDF etwa das „heute-journal“ und das „auslandsjournal“.

Ein weiterer Kritikpunkt der Würzburger Autoren lautet: Die griechische Regierung sei viel häufiger negativ bewertet worden, nämlich in 11,9 Prozent der Beiträge. Bei der deutschen Regierung sei das nur in 2,1 Prozent der Beiträge so gewesen. Die Studie erwähnt als Beispiele aus dem Off gesprochene Formulierungen wie „die Griechen provozieren“ oder „politische Kapriolen“.

Aus Sicht der ARD ist die Kritik an mangelnder Neutralität in der Berichterstattung nicht überzeugend. So untersuchten die Wissenschaftler beispielsweise inwieweit in den Berichten Adjektive zur Beschreibung der Akteure verwendet werden. „Das Zählen von Adjektiven ohne Kontext erlaubt aus journalistischer Sicht aber überhaupt keine Aussage über die Qualität eines Berichtes“, so ARD-Chefredakteur Becker.


„Es bedarf nun sachlicher Kritik“

Kim Otto, Hauptautor der Studie, verteidigte die Methodik gegen die Kritik von öffentlich-rechtlicher Seite:. „Wertende Adjektive haben in Nachrichten nichts zu suchen“, sagte der Professor für Wirtschaftsjournalismus. Diese zu zählen, sei eine „gut nachvollziehbare“, quantitative Methode.

Auf den Vorwurf, die Autoren der Studie hätten wichtige Sendungen ausgeklammert, entgegnete Otto: „Wir haben uns die Flaggschiffe von ARD und ZDF angesehen.“ „Tagesschau“, „heute“, „Brennpunkt“ und „ZDF spezial“ seien die Sendungen, die „am breitesten rezipiert werden“, sagte Otto. „Das gibt dann schon ein umfassendes Bild über die Griechenland-Berichterstattung.“

Weiterhin kamen die Forscher zu der Einschätzung, dass zwar in 41,5 Prozent der Beiträge jemand über die griechische Regierung spreche, aber nur in 11,4 Prozent Stimmen aus Athen selbst zu hören seien. Eine solche Diskrepanz gebe es im Fall der deutschen Regierung nicht. Es fehle daher die Ausgewogenheit in der Berichterstattung, schlussfolgern die Autoren. Das ZDF erwidert darauf, dass in der Studie keine Rücksicht genommen darauf genommen worden sei, ob Äußerungen und Positionen aus Athen an den jeweiligen Tagen verfügbar gewesen seien oder nicht.

Im Vorwort der Studie heißt es, bedenkliche Entwicklungen in der Medienbranche sollten keine pauschale Verurteilung der Presse zur Folge haben. Doch dürfe es auch nicht sein, dass rechtspopulistische und verschwörungstheoretische Rufer eine Medienkritik unmöglich machten. „Im Gegenteil: Mehr denn je bedarf es nun sachlicher und gut argumentierender Kritik“, argumentiert der Geschäftsführer der Stiftung, Jupp Legrand. Die Autoren hatten zuvor bereits im Auftrag der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung die Berichterstattung von Print- und Onlinemedien in der Schuldenkrise untersucht und ebenfalls deutliche Kritik daran formuliert.

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