Swisscom und SBB Volksabstimmung stellt Swisscom-Geschäftsmodell infrage

Schweizer Staatsbetriebe könnten einschneidende Veränderungen bevor stehen. Eine Volksabstimmung soll entscheiden, ob sie ihre Gewinne zukünftig ins Geschäft investieren müssen. Erwartet wird ein knappes Ergebnis.

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Schweizer Staatsbetriebe drohen einschneidende Veränderungen. Quelle: Reuters

Zürich Dem Schweizer Telekom-Konzern Swisscom droht wegen verärgerter Kunden der einschneidendste Eingriff seit dem Börsengang vor fast 20 Jahren. Sollten die Eidgenossen am Sonntag einen Gesetzesvorschlag von Verbraucherschützern annehmen, darf der Staatskonzern in seinem Kerngeschäft in Zukunft keinen Gewinn mehr erwirtschaften, sondern muss alle Überschüsse ins Geschäft investieren – etwa in besseren Service. Viele Schweizer beklagen hohe Preise und schlechte Dienstleistungen staatsnaher Konzerne. Deshalb zeichnet sich Umfragen zufolge bei der Abstimmung ein Kopf-an-Kopf-Rennen ab, obwohl die Schweizer Regierung und alle großen Parteien die Initiative ablehnen. Swisscom-Prädident Hansueli Loosli erteilt dem Vorschlag eine deutliche Absage: „Wir könnten nicht leben, ohne gewinnstrebend zu sein“, sagte er in einem Interview.

Der Gesetzesvorschlag wendet sich auch gegen andere Staatsbetriebe: Verschmutzte und oft verspätete Züge der Schweizerischen Bundesbahnen (SBB), immer weniger Filialen der Post und hohe Telefongebühren und Managergehälter bei der Swisscom - so lauten die gängigen Vorwürfe. Mit einer Unterschriftenkampagne erzwangen Verbrauchermagazine eine Volksabstimmung. Die Initiative „Pro Service Public“ fordert, dass SBB, Post und Swisscom in der Grundversorgung ihre Gewinne nicht in andere Geschäftsbereiche stecken oder ausschütten, sondern reinvestieren. Zudem sollen die Jahresgehälter auf rund eine halbe Millionen Franken begrenzt werden, das Niveau eines Regierungsmitglieds. Swisscom-Chef Urs Schaeppi verdient derzeit 1,8 Millionen Franken.

Bei Swisscom gehört dem Schweizer Fernmeldegesetz zufolge zur Grundversorgung ein zuverlässiges und erschwingliche Basisangebot von Fernmeldediensten wie Telefonie, Fax, Datenübertragung, Breitband-Internetverbindung, Zugang zu Notrufdiensten, öffentliche Sprechstellen und besondere Dienste für Behinderte in allen Landesteilen. Aufgeschreckt von der großen Popularität der Initiative haben ihre Gegner eine eigene Kampagne gestartet. Komme der Vorschlag durch, würde der Konzern stark geschwächt und hätte nicht mehr genügend Mittel, um in das volkswirtschaftlich wichtige Netz zu investieren, erklärte etwa der Chef der Telekom-Aufsichtsbehörde, Marc Furrer. „Ein Ja zur Initiative heißt Ja zur Zerstörung von Volkseigentum.“


Swisscom-Aktie unter Druck

Sollte der Gesetzesvorschlag durchkommen, stellt Swisscom die jährliche Dividendenausschüttung von über einer Milliarde Franken infrage. Die Aktien des Konzerns sind vor allem aber wegen ihrer Dividendenrendite von rund fünf Prozent beliebt und finden sich in den Portfolios der meisten Pensionskassen. „Viele Anleger kaufen Swisscom wegen der Dividende“, sagte ein Händler.

Die Unsicherheit über den weiteren Kurs des Konzerns hat sich bereits im Aktienkurs niedergeschlagen. In den vergangenen zwei Monaten entwickelten sich die Swisscom-Aktien deutlich schlechter als der europäische Branchenindex. Am Mittwoch verloren die Aktien knapp ein Prozent. KeplerCheuvreux-Analyst Torsten Sauter zufolge dürften die Titel im Fall einer Zustimmung unter Abgabedruck bleiben. Die Initiative könnte das Unternehmen mit einem Börsenwert von rund 25 Milliarden Franken zu einer Anpassung der Strategie zwingen und die Refinanzierung deutlich verteuern.

Nicht auszuschließen wäre deshalb, dass der Staat mit einem drastischen Entscheid gegensteuern würde. „Eine Option für die Swisscom wäre die volle Privatisierung“, erklärt Sauter. Zurzeit besitzt die Eidgenossenschaft gut 51 Prozent des Unternehmens. Eine Privatisierung ist aber noch weit weg. Selbst wenn die Schweizer grünes Licht für die Pro-Service-Public-Initiative gäben, dürfte es Analysten zufolge nicht vor 2020 soweit sein.

Die Schweizer stimmen am Sonntag über vier weitere Gesetzesvorlagen ab, darunter eine Änderung des Asylgesetztes und einen Gesetzesvorschlag für ein bedingungsloses Grundeinkommen. Die Asylgesetzrevision, die schnellere Asylverfahren ermöglichen soll, dürften die Schweizer jüngsten Umfragen zufolge gutheißen. Das Grundeinkommen von 2500 Franken pro Monat für alle Erwachsenen gilt als chancenlos.

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