SXSW Warum Bernie Sanders in Austin ein Superstar ist

Die Digitalkonferenz South by Southwest ist für Politiker eine beliebte Bühne. Der Rebell Bernie Sanders weiß sie gekonnt zu nutzen.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Der Rebell: US-Senator Bernie Sanders, hier bei einer Anhörung in Washington Anfang 2018, hat zwar das Rennen um die Präsidentschaftskandidatur der Demokraten verloren. Seine Ideen eines sozialen Amrikas finden aber um so mehr Gehör bei der jungen Generation. Quelle: AP

Austin Europa und Amerika trennt nicht nur ein Ozean, sondern manchmal auch eine völlig unterschiedliche mediale Auffassung darüber, was gerade wichtig ist. Während in Europa die von Donald Trump verhängten Strafzölle diskutiert werden, spricht Amerika über eine Pornodarstellerin. Und nicht nur in Medien für Erwachsenenunterhaltung, sondern auch auf CNN zur besten Sendezeit.

Genau das macht den US-Senator aus Vermont und ehemaligen demokratischen Herausforderer von Hillary Clinton, Bernie Sanders, besonders wütend. Es ginge zu wenig um die wirklichen Probleme des Landes und zu viel um persönliche Angelegenheiten. Daran sei nicht nur die Politik schuld, sondern auch die Medien, die sich nur bereitwillig vor diesen Karren spannen ließen. Es ist ein Rundumschlag, den Sanders auf der Digitalkonferenz SXSW in Austin im Gespräch mit dem CNN-Moderator Jake Tapper dem Publikum entgegenschmettert. Ein Heimspiel für den Politiker - die Anwesenden sind von der Wutrede begeistert.

Zugegeben: Es hat einen guten Grund, dass die Pornodarstellerin Stephanie Clifford (Künstlername: Stormy Daniels) die Schlagzeilen und Nachrichtensendungen beherrscht. Clifford behauptet, sie habe vor mehreren Jahren eine Affäre mit Trump gehabt. Der Präsident bestreitet das. In einer Schweigeverpflichtung hatte sich die 38-Jährige verpflichtet, nicht öffentlich über das Thema zu sprechen. Clifford will nun aber erreichen, dass diese Erklärung für hinfällig erklärt wird. Sie reichte am Dienstag Klage ein. In der Klageschrift argumentiert sie, nicht Trump, sondern nur dessen Anwalt Michael Cohen habe 2016 die Vereinbarung zur Nichtveröffentlichung von Details einer Affäre Trumps mit der Schauspielerin unterschrieben.

Bevor sich Sanders allerdings darüber aufregt, kritisiert der US-Senator erst einmal die Zustände, die in das US-Finanzsystem zurück gekehrt seien. Man sei auf direktem Weg wieder dahin, wo man einst mit der Finanzkrise 2008 begonnen habe, meint Sanders. Es sei ein Unding, dass in Zeiten, in denen die Mittelschicht schrumpfe, tatsächlich wieder über Vergünstigungen für Banken gesprochen werde.

Nachdem er sich die Banken vorgeknüpft hat, kommen die Waffengesetzte an die Reihe. Es sei doch absurd, dass Menschen auf Listen gesetzt würden, damit sie nicht in Flugzeuge einsteigen könnten, dieselben Menschen aber in ein Waffengeschäft gehen dürften, um dort eine Waffe zu kaufen. „Wir wollen die Hintergrundchecks erweitern“, fordert Sanders. „Wir wollen verhindern, dass Menschen mit psychischen Krankheiten, mit krimineller Vergangenheit oder solche, die in häuslicher Gewalt verstrickt waren, Waffen kaufen, um Amerikaner zu töten.“ Es sei möglich einfach Waffen zu kaufen dank bestandenem Hintergrundcheck und diese an Gangmitglieder und Verbrecher weiterzuverkaufen - das müssen aufhören, fordert Sanders. Er halte den Rekord darin gegen die NSA gestimmt zu haben, sagt er feixend.

Im Publikum brandet Applaus auf - so wie fast bei jeder Forderung des Politikers, der keiner Partei angehört. Das verwundert in dem gemeinhin als Cowboy-Land verschrien Texas. Auch in Austin finden sich an vielen Gebäuden Hinweise zum korrekten Tragen von Schusswaffen. Doch die texanische Hauptstadt ist ein wenig anders als ihr Umland: Die Stadt mit knapp einer Million Einwohner ist bekannt für ihre Subkultur, geprägt von Studenten, Künstlern, Technik-Nerds, die sich abends in der berühmten Sixth Street treffen. Das hat auch Auswirkungen auf die Politik: Austin gilt als linke Enklave innerhalb des „roten“ Staates Texas. Also ein Heimspiel für den für US-amerikanische Verhältnisse als extrem links geltenden Sanders.

Die SXSW ist seine Plattform: Schon als er die Bühne betritt brandet Applaus auf, die Menschen jubeln seinen Forderungen zu. Er spricht über die Themen, die gut auf die Konferenz passen. Zum Beispiel die strikte Einwanderungspolitik von US-Präsident Donald Trump, die er erwartungsgemäß scharf kritisiert. In der Tech-Szene ein besonders empfindliches Thema: Nach dem verhängten Einreisestopp protestierte selbst das auf politische Zurückhaltung bedachte Silicon Valley lautstark. Viele Gründer und Firmenchefs sind die Kinder von Einwanderern, das Tech-Tal ist auf die Talente aus dem Ausland angewiesen.

Statt ganze Nachrichtensendungen mit Stormy Daniels zu füllen, sollten Sender wie CNN lieber über Themen wie die explodierenden Kosten für verschreibungspflichtige Medikamente oder den gefährlichen Einfluss von Industriellen wie den Koch-Brüdern auf die US-Politik berichten, gibt Sanders dem Moderator Tapper mit auf den Weg.

Und dann ist da natürlich noch die eine Frage, um die man nicht herumkommt: Wäre er gegen Trump angetreten, hätte er diesen schlagen können, will Tapper wissen. Sanders redet sich raus. Dem Jubeln im Publikum zu folgen, haben die eine eindeutige Antwort: ja.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%