Tech-Brance „Gawker“-Streit spaltet das Valley

Paypal-Gründer Peter Thiel finanzierte eine rechtliche Attacke gegen das Blog-Netzwerk „Gawker“ und schürt damit Sorgen um den Einfluss des Silicon-Valley-Reichtums auf die Medien. Der Fall trennt auch die Tech-Branche.

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Hulk Hogan klagte gegen „Gawker“ und gewann. Quelle: Reuters

San Francisco/Berlin Ein Silicon-Valley-Milliardär sieht seine Privatsphäre verletzt, als ein Blog seine Homosexualität enthüllt. Einige Jahre später veröffentlicht die Website dann kurze Fragmente aus einem Sex-Video des Wrestlers Hulk Hogan. Der Promi zieht vor Gericht und bekommt 140 Millionen Dollar zugesprochen, eine Summe, die den Blog-Betreiber aus dem Geschäft werfen kann.

Die beiden Ereignisse haben auf den ersten Blick nichts miteinander zu tun, außer des Eindrucks, dass hier ein rücksichtsloses Medium schließlich von einer seiner vielen Sünden eingeholt wurde. Doch dann kommt heraus, dass Hogans Klage gegen das Blog-Netzwerk „Gawker“ von Peter Thiel finanziert wurde, ebendiesem Milliardär, dessen Privatleben vor fast zehn Jahren zur Schau gestellt worden war.

Seitdem tobt eine Debatte. Sind das die Vorzeichen einer Zukunft, in der Milliardäre aus der Internet-Branche unliebsamen Medien die Luft abdrehen können – einfach nur, weil sie in Geld schwimmen? Zumal Algorithmen einer Online-Plattform wie Facebook inzwischen immer mehr darüber bestimmen, welche Nachrichten hunderte Millionen Menschen zu Gesicht bekommen. „Gawker“-Gründer Nick Denton beschreibt dieses düstere Szenario bei seiner Verteidigung. „Der Welt ist bereits unbehaglich angesichts der unkontrollierten Macht der Milliardärs-Klasse, der Anhäufung des Reichtums im Silicon Valley und des Einflusses der Technologie auf die Medien“, schrieb er in einem offenen Brief an Thiel, den er zu einer öffentlichen Debatte aufforderte.

Thiel selbst, der die „Gawker“-Journalisten einmal mit Terroristen verglich, sieht sich als Rächer im Namen all derer, die von der Website schlecht behandelt wurden, aber sich nicht zu wehren trauten oder konnten. Es sei eine seiner bedeutenderen Wohltätigkeits-Aktionen gewesen, sagte der Mitgründer des Bezahldienstes PayPal der „New York Times“.

Von so manchem Kollegen aus dem Silicon Valley erntete er dafür Zuspruch. „Danke, Peter Thiel“, schrieb schlicht die Mitgründerin des bekannten Start-up-Programms Y Combinator, Jessica Livingston bei Twitter. Auch Internet-Geldgeber Chris Sacca applaudierte Thiel. „Den Klickfänger-Journalisten müssen Lektionen erteilt werden“, schrieb bei Twitter ein anderer Milliardär und Internet-Investor, Vinod Khosla. In der Presse gebe es heute zu wenig Ethik.

„Clickbait“ – Klickfang – werden Artikel genannt, die Leser mit attraktiven Überschriften zum Anklicken motivieren, der Inhalt steht dabei nicht im Vordergrund. Gerade bei kostenlos zugänglichen Medienwebsites sind Klicks die Währung – mehr Leser heißt mehr Chancen auf Werbeerlöse. Dafür müssen Inhalte her. Mindestens fünf Posts pro Tag und eine Million Leser pro Monat – das sei die Vorgabe für Schreiber bei einem anderen großen Online-Medium gewesen, schrieb jüngst eine frühere Mitarbeiterin. Die „Gawker“-Blogs wie „Valleywag“ trieben das Modell zur Perfektion.


Ein neues Kräfteverhältnis entsteht

„Wir brauchen keine Lektionen oder Ethik von einem Milliardär, der mit uns noch ein Hühnchen zu rupfen hat“, konterte die Tech-Journalistin Kara Swisher, die mit ihrem Blog „Recode“ zu den kritischen Stimmen im Silicon Valley gehört und unter anderem bei Yahoo für ihre guten Quellen bei dem Internet-Konzern unbeliebt ist. Internet-Investor Khosla bekam in den vergangenen Jahren selbst seine Tracht Prügel in den Medien: Er kaufte ein Ufer-Grundstück in Kalifornien und sperrte dann den Zugang zu einem beliebten Strand. Seitdem streitet er mit den Behörden des Staates. „Gawker“ titulierte ihn dafür als „Milliardär und wahren egoistischen Bastard“.

Die US-Medien sind neben der im ersten Zusatzartikel zur Verfassung zugesicherten Pressefreiheit auch durch Urteile wie „New York Times“ gegen Sullivan von 1964 weiträumig vor Klagen von Personen des öffentlichen Lebens geschützt. Doch während die Internet-Firmen immer reicher werden und die Medien-Unternehmen an Boden verlieren, entsteht ein neues Kräfteverhältnis. „Der erste Zusatzartikel droht zum Opfer der digitalen Revolution zu werden“, schrieb der Rechtsexperte Thomas Rubin in einem Gastbeitrag bei „Recode“.

Er forderte vor allem Facebook auf, entschiedener für die Meinungsfreiheit einzutreten. Das weltgrößte Online-Netzwerk geriet zuletzt – nach einem Bericht im „Gawker“-Blog „Gizmodo“ – in den Verdacht, Nachrichten über Konservative in seinen Nachrichten-Trends unterdrückt zu haben. Eine interne Untersuchung fand kein systematisches Vorgehen – aber der Spielraum für Entscheidungen einzelner Mitarbeiter wurde gekappt. Thiel, der den umstrittenen republikanischen Präsidentschaftsanwärter Donald Trump unterstützt, der seinerseits die Presse zügeln will, sitzt übrigens als früher Investor im Facebook-Verwaltungsrat.

Der Fall „Gawker“ spaltet die Tech-Welt in zwei Lager. Ein anderer Milliardär, Ebay-Gründer Pierre Omidyar, will Unterstützer-Briefe von Medienunternehmen für „Gawker“ organisieren. Man müsse „selbst widerwärtige Presse“ schützen, argumentierte er wenig schmeichelhaft für „Gawker“. Und auch der ebenfalls milliardenschwere Amazon-Gründer Jeff Bezos, der vor zweieinhalb Jahren für 250 Millionen Dollar die journalistische Institution „Washington Post“ kaufte, zeigte wenig Sympathie für Thiels Vorgehensweise. Als Person des öffentlichen Lebens müsse man sich dicke Haut zulegen, denn man könne unangenehme Berichte über einen nicht stoppen, sagte er bei einer „Recode“-Konferenz in der Nacht zum Mittwoch. Die amerikanische Gesellschaft gründete sich auch darauf, dass Leute „hässliche Dinge“ sagen dürften.

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