Tech-Gigant unter Druck Nach Alibaba bekommt Didi den Zorn Pekings zu spüren

Erst am vergangenen Mittwoch war Didi an die New Yorker Börse gegangen. Tage später steht er im Kreuzfeuer der chinesischen Regulatoren – und die Aktie rauscht in den Keller. Quelle: REUTERS

Chinesische Behörden gehen hart gegen die heimischen Tech-Giganten vor. Westliche Investoren sind zunehmend genervt. Sie beklagen: Es ist kaum noch zu durchschauen, ob es um bessere Regulierung oder Rache geht.

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Die US-Investmentgesellschaft BlackRock hat keine Lust mehr auf chinesische Tech-Aktien. „Wir werden uns von den großen, dominanten Plattformen vorerst etwas fern halten“, ließ BlackRock-Portfoliomanagerin Lucy Liu erst kürzlich verlauten. Der Hauptgrund für die Zurückhaltung sei Pekings anhaltender Crackdown, mit dem den eigenen Internetfirmen strengere Regeln auferlegt werden sollen. Liu sprach dabei von einem Vorgang, der noch locker mehrere Jahre in Anspruch nehmen könnte.

Ist BlackRock dem Rat seiner eigenen Managerin gefolgt, dann dürfte sich der weltweit größte Vermögensverwalter nun anders als viele andere Investoren nicht mit dem chinesischen Fahrdienst-Vermittler Didi die Finger verbrannt haben. Erst am vergangenen Mittwoch war der Uber-Konkurrent an die New Yorker Börse gegangen. Tage später steht er im Kreuzfeuer der chinesischen Regulatoren – und die Aktie rauscht in den Keller.

Von einem „schockierenden Vorgang“ spricht ein Hongkonger Investmentbanker. Vergangenen Freitag hatte Chinas Cyberspace Administration (CAC), die Internet-Aufsicht des Landes, eine Untersuchung in dem Pekinger Konzern angekündigt, worauf die Papiere an der New Yorker Börse um über fünf Prozent nachgaben. Die eigentliche Bombe platzte aber am Sonntagabend, als die Aufsichtsbehörde plötzlich die Löschung der Didi-App aus sämtlichen chinesischen AppStores anordnete.

Bei einer Untersuchung seien „schwerwiegende Verstöße“ bei der Erhebung und Verwendung personenbezogener Daten durch Didi festgestellt worden, hieß es. Das Unternehmen müsse die Probleme zunächst lösen. Didi teilte mit, dass man daran arbeite, seine App gemäß den regulatorischen Anforderungen zu korrigieren. Nutzer, die die App bereits installiert haben, könnten sie normal weiter verwenden.

Schon wird spekuliert, dass es Peking gar nicht um die Sicherheit der Daten gehen könnte, sondern die Regierung nicht glücklich darüber ist, dass Didi für seinen Börsengang New York und nicht Honkong, Shanghai oder Shenzhen gewählt hat. Fest steht, dass Peking schon seit einer ganzen Weile versucht, seinen sehr schnell gewachsenen Internet-Konzernen neue Regeln aufzuerlegen.

Denn nach Didi sind am Montag drei weitere jüngst in den USA an der Börse gelistete Online-Plattformen ins Visier der chinesischen Behörden geraten. Betroffen sind die Lastwagen-Vermittler Yunmanman und Huochebang der Full Truck Alliance Co., einem Fahrdienst-Vermittler für Lastwagen, sowie die Personalvermittlung Boss Zhipin. Die drei Unternehmen dürfen wie auch Didi keine neuen Kunden mehr annehmen.



Die Kommunistische Partei braucht die starken Tech-Firmen, um den Aufstieg zu einer technologisch führenden Wirtschaftsmacht fortsetzen zu können. Sie will die Tech-Giganten nicht zerschlagen oder privatisieren, sich aber mehr Einfluss auf die riesigen Konglomerate sichern, die Chinas Wirtschaft längst mehr dominieren als jeder Staatskonzern. Die Zeiten, in denen Chinas Internet-Konzerne fast ohne Regularien schalten und walten konnten wie sie wollen, sind vorbei.

Was Investoren jedoch verstört ist die Undurchsichtigkeit, mit der Peking vorgeht. Wie schon beim im vergangenen Jahr plötzlich abgesagten Börsengang der Ant Gruppe, dem Finanzarm des chinesischen Internet-Riesen Alibaba, ist nun auch im Falle von Didi wieder kaum ersichtlich, ob es Peking tatsächlich um den Datenschutz seiner Bürger geht, oder ob ein Rachefeldzug im Gange ist.

Der Börsengang von Ant war nur Tage nach einer kritischen Rede von Alibaba-Gründer Jack Ma abgesagt worden, in der er mit Chinas Finanz-Regulatoren hart ins Gericht gegangen war. Ma selbst ist seitdem kaum noch in der Öffentlichkeit aufgetreten.

Große Teile der chinesischen Tech-Branche spüren zunehmenden Gegenwind. Die Wettbewerbsaufsichtsbehörde SAMR hat nicht nur eine Rekordstrafe gegen Alibaba verhängt, sondern unter anderem auch den Lieferdienst Meituan und den Internet-Konzern Tencent ins Visier genommen. Im April lud die SAMR gleich 34 Unternehmen, darunter auch ByteDance, das hinter der Video-App Tiktok steht, zu einem Treffen ein und drohte „schwere Strafen“ an, sollten sie in Zukunft gegen Regeln verstoßen. Der 38 Jahre alte ByteDance-Gründer Zhang Yiming zog sich im Mai als Vorstandschef seiner Firma zurück.

Von anderen bekannten chinesischen Gründern ist in letzter Zeit noch weniger zu hören, als es ohnehin schon üblich war. „Jeder versucht, sich wegzuducken und keine Aufmerksamkeit zu erregen“, sagt ein Branchenkenner. Anzeichen dafür, dass der Tech-Crackdown bald vorbei ist, gibt es keine. Ganz im Gegenteil: Peking legte am Montag noch einmal nach.


Mit Material von dpa
Mehr zum Thema: Chinas kommunistische Partei feiert 100. Geburtstag, doch nicht jeder ist in Feierstimmung. Bei privaten Unternehmen, vor allem den Tech-Riesen, macht sich zunehmend Unruhe breit. Die Führung will immer mehr Kontrolle.

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