Peter Thiel ist kein Fan der deutschen Mentalität: Pessimistisch seien die Deutschen: Und es werde nicht gerne gesehen, wenn jemand extrem ehrgeizig sei oder große und drastische Veränderungen durchsetzen wolle, sagte der deutschstämmige Investor vor ein paar Jahren dem Wirtschaftsmagazin „Bilanz“. Die Deutschen hätten mehr Angst vor dem Erfolg als vor dem Versagen, so Thiel.
Trotz dieser Einstellung ist Thiel mittlerweile nicht nur in große Namen im Silicon Valley wie Amazon, SpaceX oder Airbnb investiert, sondern auch in immer mehr deutsche Start-ups. In die Online-Bank N26 hat Thiel Millionen gesteckt und auch beim Online-Broker Trade Republic ist Thiel investiert. Eine seiner neuesten Errungenschaften ist das Berliner Fintech Moss.
Wie ist das für ein deutsches Start-up, wenn solch ein umstrittener, doch namhafter Tech-Investor bei ihm einsteigt? Wie verändert das die Unternehmenskultur, das Arbeiten an sich? Und wie viel kriegen die Gründer und CEOs von Thiel überhaupt mit?
(Die Gier nach dem ganz großen Fang – lesen Sie hier, was Techinvestoren und Walfänger gemeinsam haben)
Das erste, was Florian Meissner sagt, wenn man ihn nach Peter Thiels Investment fragt, ist: „Nicht immer ist Peter Thiel drin, wo Peter Thiel draufsteht.“ Meissner hat gemeinsam mit drei weiteren Gründern das Start-up Eyeem gegründet, eine Stockfoto-Plattform, auf der Fotografen ihre Fotos hochladen können. Zwischenzeitlich wurde Eyeem als ernsthafter Instagram-Konkurrent betrachtet.
Thiel investierte 2015 über sein Investmentvehikel Valar Ventures in das Start-up, in der Finanzierungsrunde sammelte Eyeem insgesamt 18 Millionen US-Dollar von mehreren Investoren ein. Ein eher ungewöhnliches Invest für Valar Ventures, das sich normalerweise auf den Fintech-Bereich spezialisiert hat. Meissner selbst ist mittlerweile nicht mehr im Unternehmen und auch Valar Ventures nicht: Im Juli 2021 gab EyeEm bekannt, dass 100 Prozent der Anteile an die Schweizer Beteiligungsgesellschaft New Value verkauft werden.
„Das war schon ein anderer Wind, der amerikanische Venture-Capital-Managementstyle, aggressiver“, beschreibt Meissner die Zusammenarbeit mit Valar Ventures. Die Investoren hätten keine Angst vor großen Zielen, seien sehr direkt in ihren Ansprüchen und hätten ein klares Erwartungsmanagement, welche Kennzahlen erreicht werden sollten.
Nur die Darlings bekommen die volle Aufmerksamkeit
Der Managementstil treibe Unternehmen aber auch voran. Und der Name Thiel habe große Signalwirkung: „Dadurch hat sich auch die ein oder andere Tür geöffnet, die vorher verschlossen war, gerade auch in Amerika“, sagt Meissner. Die Investoren seien absolut verlässlich gewesen, „es war eine sehr gute professionelle Zusammenarbeit“.
Allerdings, fügt Meissner hinzu, könnte sich der Fonds eben leisten, nur in Top-Gewinner zu investieren. „Alles, was links und rechts runterfällt, wird in Kauf genommen.“ Laufe es bei einem Unternehmen einmal nicht so gut, sacke das Interesse der Investoren ab, die „Darlings“ des Portfolios hingegen bekämen die volle Aufmerksamkeit. Zu Peter Thiel persönlich hatte Meissner keinen direkten Kontakt.
Auch Max Bachem, CEO des Versicherungsunternehmens Coya, hat keinen direkten Kontakt zu Peter Thiel. Die Ansprechpartner stattdessen: James Fitzgerald und Andrew McCormack. Die beiden haben mit Thiel Valar Ventures gegründet und sind schon länger Wegbegleiter des Tech-Investors. McCormack war schon 2001 Assistent von Peter Thiel, als der noch Chef von PayPal war. Und Fitzgerald arbeitete ab 2008 als COO bei Thiels Anlagefonds Thiel Capital.
Bei Coya stieg Valar Ventures in einer frühen Phase 2017 ein: Noch vor dem Produktlaunch, das befand sich nämlich noch im Zulassungsprozess bei der Bafin; das Unternehmen brauchte zunächst eine Versicherungslizenz. „Es war relativ schwer, für solch ein kapitalintensives Geschäftsmodell in der Frühphase Investoren zu finden“, sagt Coya-Chef Bachem. „Wir brauchten viel Kapital für eine lange Aufbauphase sowie die regulatorischen Kapitalreserven als Versicherung, noch bevor wir live gehen konnten.“ In der Seed-Phase steckte Thiel gemeinsam mit anderen Investoren insgesamt 10 Millionen US-Dollar in Coya, ein Jahr später in einer Series-A-Runde kamen nochmal 30 Millionen zusammen.
Thiels Name zieht Talente und Investoren an
Die Investoren seien „unglaublich unterstützend“, sagt Bachem. „Die wissen, wann sie pushen müssen und wann sie das Team laufen lassen können.“ Die Expertise sei groß, das habe Coya stark genutzt. An der Arbeitsweise habe sich durch Thiels Einstieg nichts geändert, aber einen Wechsel im Ansehen bedeutet. „Vorher war es im Recruitment schwierig, Top-Talente anzuziehen“, so Bachem. „Doch als Valar Ventures in uns investiert hat, war das ein Gamechanger, die Bewerberzahlen haben sich verzehnfacht.“ Und auch andere Fonds kamen nach dem Investment auf sie zu.
Auch das Berliner Fintech Moss bekommt deutlich mehr Anfragen von Investoren und Bewerbern, seit Peter Thiel Anfang 2021 bei ihnen einstieg. 46 Millionen Euro flossen über zwei Runden unter Beteiligung von Valar Ventures in das Unternehmen. „Die haben die Fähigkeit, sehr große Visionen und Ambitionen aufzubauen, sie denken deutlich größer, amerikanischer in gewisser Weise“, sagt Moss-CEO Ante Spittler.
Gleichzeitig seien die Valar-Investoren pragmatisch und zielorientiert, „sie sind auf das fokussiert, was am wichtigsten ist.“ Die Kommunikation zu strategisch wichtigen Themen sei schnell: „Auf WhatsApp kriegt man in Sekundenschnelle eine Antwort“, sagt Spittler. Auch er steht nicht direkt mit Peter Thiel in Kontakt, sondern mit Fitzgerald und McCormack. Thiels Philosophie merke man aber trotzdem, „im positiven Sinne“.
Thiel will seine Start-ups groß machen. „Ein Monopol ist der Zustand jedes erfolgreichen Unternehmens“, schreibt er in seinem Buch „Zero to One“. Im Klartext: Nur wenn ein Unternehmen den Markt wirklich beherrscht, ist es nach Thiels Vorstellung tatsächlich erfolgreich. Dafür bekommen die Gründer die Unterstützung, die sie brauchen. Denn der eigentlich freiheitsliebende Thiel hält von Wettbewerb nicht viel. In seinem Buch heißt es dazu: „Unter den Bedingungen des perfekten Wettbewerbs erzielt langfristig kein Unternehmen Gewinne.“
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