Telekommunikation „In Bonn leben und sterben alle mit dem US-Geschäft“

Der angebliche Einstieg Amazons in den US-Mobilfunkmarkt hat den Kurs der Telekom abstürzen lassen Quelle: imago images

Ein Gerücht, dass Amazon in den Markt einsteigt, lässt die Aktie der Deutschen Telekom um neun Prozent einstürzen. Auch wenn alle dementieren: Die guten Margen in den USA sind ohnehin in Gefahr.

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Die Deutsche Telekom ist eigentlich ein Witwen- und Waisenpapier. Ein großer, solider Tanker mit regelmäßigen Einkommensströmen und einer verlässlichen Dividendenpolitik. Wie kann es da sein, dass ein Gerücht aus dem amerikanischen Markt ausreicht, um den Kurs in Deutschland zwischenzeitlich um neun Prozent zu drücken?

Der Grund liegt in der immensen Bedeutung des US-Geschäfts der Deutschen Telekom: „In Bonn leben und sterben alle mit dem US-Geschäft“, sagt Roger Entner von der Beratungsfirma Recon Analystics. „Alle haben Angst davor, dass T-Mobile unter Druck gerät.“

Was bisher geschah: Bloomberg berichtete am vergangenen Freitag, dass Amazon mit amerikanischen Mobilfunkanbietern verhandele, um den niedrigstmöglichen Preis für den Zugang zu deren Mobilfunknetzen zu erhalten. Ziel sei, ihren Prime-Mitgliedern in den USA Mobilfunk für zehn Dollar oder weniger anzubieten.

Amazon, die Deutsche-Telekom-Tochter T-Mobile US, Verizon und AT&T dementierten sofort – nur Dish verhielt sich still. T-Mobile US, deren Kunden am preissensibelsten gelten, fiel um 6,4 Prozent, während AT&T und Verizon jeweils um mehr als drei Prozent nachgaben. Dishs Aktien sprangen um 17 Prozent.

Endlich niedrigere Preise für die Verbraucher

Ein Eintritt von Amazon würde einen der hochpreisigsten Mobilfunk-Märkte der Welt aus den Fugen bringen: „Amazon könnte eine Menge Gewicht hinter solch ein Angebot stellen und die Wettbewerber unterbieten“, sagt Christopher Ali, Telekommunikationsprofessor an der Penn State University. „Das würde die Mobilfunkpreise herunterbringen – eine tolle Sache.“

Dish, eigentlich ein Anbieter von Satellitenfernsehen, wird das größte Interesse an solch einem Deal mit Amazon zugeschrieben. Es baut – ähnlich wie hierzulande Ralph Dommermuth mit seiner 1&1 – ein neues Mobilfunknetz auf Basis von OpenRAN auf. Doch leider kann er dem Online-Händler kein nationales Netz anbieten. Dish deckt bislang nur 70 Prozent der Bevölkerung von Amerika ab.

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Dish-Gründer und Aufsichtsratschef Charles Ergen könnte durchaus ein Interesse haben, solch ein Gerücht zu streuen, denn um die Liquidität von Dish ist es nicht gut bestellt. Für die letzte Anleihe musste Dish einen Junk-Bond-Kupon von 11,75 Prozent bieten, jetzt hat das Unternehmen gar keinen Zugang zum Kapitalmarkt mehr. Ergen reiste unlängst auf der Suche nach neuen Geldern sogar in die Golf-Staaten. Schon im Mai beflügelte ein Bericht des Wall Street Journals, dass Dish verhandele, seine Verträge über Amazon zu vermarkten, den Dish-Aktienkurs.

Kannibalisierung des Kerngeschäfts

Die etablierten drei Mobilfunkanbieter wollen Amazon keineswegs auf ihre Netze lassen. In der Regel verkaufen Mobilfunkanbieter nur solchen virtuellen Vermarktern den Zugang auf ihr Netz, deren Kundenstamm sich mit ihrem eigenen kaum deckt. Amazon Prime aber bedient 70 Prozent der amerikanischen Haushalte ­- und wer ein Amazon-Prime-Abonnement besitzt, besitzt in der Regel auch einen Mobilfunkvertrag. Eine Partnerschaft würde für die Mobilfunkanbieter das Kerngeschäft kannibalisieren. Das würde die Margen in ihrem Kerngeschäft kaputtmachen.

Aber auch für Amazon würde ein Deal nicht viel Sinn ergeben. Das Online-Warenhaus will die Anzahl seiner neuen Prime-Kunden zu steigern – nicht Amerika mit günstigem Mobilfunk versorgen. Ein flächendeckendes Angebot für alle Prime-Kunden wäre ein sehr teurer Weg dahin. Gezielte Angebote an Menschen, die mit hoher Wahrscheinlichkeit noch kein Prime-Konto haben, ergeben mehr Sinn. Zuletzt offerierte Amazon jedem neuen Kunden von Metro PCS, einer Tochter von T-Mobile, eine Gratis-Prime-Mitgliedschaft für ein Jahr. Die Kosten für das Angebot trug sie selbst.

Sorge vor einem Margenverfall

Vor allem zeigt die extreme Marktreaktion auf das Gerücht, wie sehr die Nerven bei den amerikanischen Telekommunikationsanlegern blank liegen. Denn die Margen am amerikanischen Mobilfunkmarkt stehen ohnehin unter Druck, ganz ohne dass Amazon alle unterbietet: Seit Verizon sein Netz für die amerikanischen Kabelanbieter geöffnet hat, verkaufen die mehr Mobilfunkverträge als die drei etablierten Anbieter zusammen. Im Gegenzug machen T-Mobile, Verizon und AT&T mit Fixed Wireless Access, einem Internet-Anschluss für zuhause, der über das 5G-Netz läuft, mehr Neugeschäft als die Kabelanbieter. Die Margen sinken dabei in beiden Segmenten.

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Neben Dish hat aktuell aber auch die Deutsche Telekom selbst ein großes Interesse an einem niedrigeren Aktienkurs bei ihrer größten und wertvollsten Tochter, T-Mobile US. Denn ihre Mehrheit von derzeit 50,4 Prozent bei T-Mobile US hängt noch immer an einem seidenen Faden. Softbank hatte sich bei seinem Aktiengeschäft mit der Deutschen Telekom ein sogenanntes True-Up ausbedungen, das erst 2025 ausläuft: Notiert der Kurs von T-Mobile mehr als 45 Tage über 150 Dollar, würde Softbank erneut fast 50 Millionen T-Mobile-Aktien von der Deutschen Telekom bekommen. Nachdem sie Anfang Mai schon auf 150 Dollar zugesteuert war, sank sie dank des Gerüchts wieder auf sichere 132 Dollar.

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