Universal Das Cello auf dem Fensterplatz

Wie der Schauspieler Bill Murray zur Musik kam und einige andere Star-Geschichten: Wenn Universal, das größte Musiklabel der Welt zur Betriebstagung lädt, wird groß aufgefahren.

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Die Vertriebstagung ist für die Mitarbeiter des Konzerns das wichtigste Event des Jahres. Quelle: AP

Berlin Bill Murray kommt mit einer Tasche über der Schulter auf die Bühne geschlendert, als wäre das hier sein Wohnzimmer. Im Schlepptau hat der Schauspieler eine Pianistin und eine Geigerin. Die Frauen packen ihre Instrumente aus. Sie sind gerade erst aus dem Taxi gestiegen, der Flug aus New York hatte drei Stunden Verspätung. Jetzt sind sie in Berlin, in der Mercedes-Benz-Arena am Ostbahnhof. Gerade noch pünktlich. Es ist kurz nach 13 Uhr, gleich gibt es Mittagessen.

Wenn Universal, das größte Musik-Label der Welt, Mitarbeiter und Partner zu seiner alljährlichen Vertriebstagung lädt, wird ordentlich aufgefahren. Morgens war Benny Andersson von Abba da, die Kelly Family hat schon gesungen. Später kommen noch Gregory Parker, Shania Twain und David Garret vorbei. Jared Leto wird etwas sagen, Helene Fischer hat eine Videobotschaft geschickt, Kool Savas und Sido werden rappen.

Bevor das Publikum zu Currywurst und Fisch nach draußen geht, verwandeln Murray und seine kleine Band den klimatisierten Saal atmosphärisch in eine Jazz-Bar. Der Schauspieler singt Gershwin und trägt Gedichte vor, er lacht und plaudert mit Jan Vogler, dem Cellisten, der auf der Bühne auf ihn gewartet hat. Die beiden haben sich in einem Flugzeug kennengelernt, daraus ist eine Freundschaft entstanden und jetzt ein Album. Sie spielen Schubert, Bach und Piazolla, rezitieren Whitman, Twain und Hemingway.

Vertrieben wird das Werk von der Deutschen Grammophon, einer Tochter von Universal. Als CD, so richtig zum Anfassen. Das Cover, das die beiden Weltstars vor einer Tapete zeigt, mutet ein wenig wie Weihnachten an. Das kann Absicht gewesen sein, denn das Weihnachtsquartal ist für Universal das Wichtigste. Darum erscheinen in den nächsten Monaten reihenweise neue Veröffentlichungen, von toten wie von lebendigen Stars. Darauf werden sie hier eingeschworen, Mitarbeiter, Händler, Medienpartner - Influencer, würde man heute zusammenfassend sagen.

Doch ein wenig ist hier noch alles beim Alten. Die weiblichen Stars bekommen nach dem Auftritt einen Blumenstrauß, wie einst bei Wetten Dass?. Die Manager tragen mehrheitlich Anzug. Sie nennen die Veranstaltung beharrlich „Universal Insights“, für die Mitarbeiter ist und bleibt es „die Vertriebstagung“, das wichtigste Event des Jahres, eine Art Leistungsschau, ein Grund zum Stolzsein.


Deutscher Markt unter Druck

Darauf, dass sie immer noch da sind, dass sie die Digitalisierung überlebt haben, die die Musikindustrie als eine der ersten aufgerüttelt hat. 2016 hat die Branche zum vierten Mal in Folge wieder wachsende Umsätze erzielt. Sechs Prozent plus waren es weltweit, drei Prozent in Deutschland. „Musik ist wieder ein Wachstumsmarkt geworden“, sagt Frank Briegmann, Europa-Chef des Unternehmens, das seinen Hauptsitz in den USA hat, aber zur französischen Vivendi-Gruppe gehört.

Dabei sei Deutschland noch immer eine Ausnahme, 60 Prozent der Umsätze werden hierzulande immer noch mit physischen Tonträgern erzielt, weshalb Universal nicht nur weiter CDs, sondern auch Platten, Sammlungen und reihenweise Sondereditionen auf den Markt bringt. Doch das Streaming holt auf. Die Hörgewohnheiten der jüngeren Generation stellt das größte Label der Welt, in dessen Katalog die Legenden der Musikgeschichte gehören, von den Beatles bis Freddie Mercury, vor Herausforderungen.

„Der deutsche Markt ist unter Druck“, sagt Musikchef Tom Bohne. Es werde immer schwieriger, deutsche Musik zum Hit zu machen, von den Schlagerstars mal abgesehen. Ein Erfolg wie der von Sarah Connor, mit 1,2 Millionen verkauften Platten, gerade mal vier Jahre her, sei heute wahrscheinlich schon nicht mehr möglich. Denn was die Leute hören, wird nicht mehr davon bestimmt, was der Mediamarkt im Regal präsentiert, sondern wie die Musik auf den Plattformen geteilt wird. „Ihr müsst in die Playlisten rein“, ruft er seinen Leuten zu. Früher haben wir die Leute penetriert, das geht heute nicht mehr“, sagt auch Dirk Bauer, Leiter der Abteilung International. „Wir müssen gucken: Wo ist unser Konsument?“

Darum müssen die Künstler heute nicht mehr nur zu hören, sondern ständig live und in den sozialen Netzwerken erlebbar sein, die Musik verkaufen und Mode, und vor allem sich selbst. Das gilt sogar für die, die nicht mehr leben, wie Michael Jackson, der zu den Musikern mit den meisten Facebook-Fans gehört.

„Zeitgleich mit der Musik entstehen spannende Geschichten“, sagt Moritz Trapp, Leiter der Abteilung Katalog. Die gelte es zu finden und zu transportieren - auf welcher Plattform und mit welchem Partner auch immer. Geschichten wie die von Bill Murray und Jan Vogler, die sich nur kennenlernten, weil Voglers Cello in der Business Class einen Fensterplatz besetzte, was Murray komisch fand.

Einer, der erfolgreich mit seinen Fans kommuniziert ist Jared Leto, Sänger, Schauspieler, und Instagram-Star. Sein Geheimnis? "Du musst es ernst meinen“, sagt Leto, „Du musst Dich unterhalten und zuhören wollen, das kann man nicht vortäuschen.“ Gleichzeitig warnt er davor, zu viel Marktforschung zu betreiben, sich nur noch auf Daten zu verlassen, wie es heute in jeder Industrie immer wichtiger wird. „Wenn es um Kreativität geht, musst Du auf Dich selbst hören“, sagt Leto und zitiert den Unternehmer Henry Ford: „Wenn ich die Leute gefragt hätte, was sie wollen, hätten sie gesagt: ein schnelleres Pferd.“

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