US-Wettbewerbsbehörde Die Frau, die Microsoft den Krieg erklärt

Die 32-jährige Lina Khan wechselte vergangenes Jahr vom Posten als Juraprofessorin der Columbia Law School auf den Chefposten der US-Wettbewerbsbehörde FTC. Quelle: REUTERS

Jahrelang hat die US-Wettbewerbsbehörde FTC der Machtkonzentration in der Tech-Branche nur zugesehen. Jetzt attackiert seine junge Chefin einen besonders gefährlichen Gegner: Microsoft. Sie kann nicht anders.

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Lina Khan hat eine atemberaubende Karriere hingelegt. Im Frühjahr vergangenen Jahres wurde die Juraprofessorin der Columbia Law School überraschend für den Vorsitz der US-Wettbewerbsbehörde FTC nominiert. Da war sie gerade mal 32 Jahre alt. Eine einflussreiche Position – Khan wurde von niemand geringerem als US-Präsident Joe Biden vorgeschlagen. Der, beziehungsweise die Senatorin Elizabeth Warren von den Demokraten, war auf das junge Talent aufmerksam geworden, als Khan sich während ihres Studiums an der Yale-Universität schnell als engagierte und kompetente Kritikerin der amerikanischen Antitrust-Politik einen Namen machte. Amazon, prangerte Khan an, sei nur deswegen so mächtig geworden, da Wettbewerbshüter den Monopolbegriff über Jahrzehnte falsch interpretiert hätten.

Seit Juni 2021 leitet sie nun die Washingtoner Bundesbehörde, die mit ihren 1200 Mitarbeitern sicherstellen muss, dass in den USA die Regeln der Marktwirtschaft und des Verbraucherschutzes eingehalten werden. Khan, die in London geboren wurde und im Alter von 11 Jahren mit ihrer Familie in die USA zog, steht jetzt vor der größten Herausforderung ihrer Karriere. Sie hat eine Aufgabe, die sich gewaschen hat und die ohne Zweifel Geschichte schreiben wird. Es geht darum, ob ihre Behörde und damit der Staat noch in der Lage ist, die Machtkonzentration in der Wirtschaft einzudämmen oder nicht.

Nachdem Verhandlungen in der letzten Minute scheiterten, zieht Khan nun gegen einen der mächtigsten Tech-Konzerne der Welt vor Gericht: Microsoft. Die FTC will verhindern, dass der Softwarekonzern den Spiele-Anbieter Activision Blizzard übernimmt, der bei Gamern vor allem durch sein Ego-Shooter-Spiel „Call of Duty“, sein Rollenspiel „World of Warcraft“ sowie das Puzzle „Candy Crush“ bekannt ist.

Im Januar hatte Microsoft angekündigt, Activision für 69 Milliarden Dollar aufzukaufen – die mit Abstand größte Akquise in der Geschichte der Computerspielbranche. Microsoft-Chef Satya Nadella sieht den Spielekonzern als wichtiges Puzzle in seiner Wachstumsstrategie. Für ihn ist es eine Wette auf das sogenannte Metaversum, also jenen Raum, in dem virtuelle und reale Welten miteinander verschwimmen. Meta-Chef Mark Zuckerberg sieht es sogar als das nächste Internet. Das zunächst in der Spielebranche Formen annehmen wird. Beim Metaverse will Nadella rechtzeitig in Position gehen.

Zudem ist Gaming ein gutes Geschäft. Während das Metaversum noch eine Vision ist, wird mit Computerspielen großes Geld umgesetzt und verdient. Activision erwirtschaftete im Geschäftsjahr 2021 rund 8,8 Milliarden Dollar und machte dabei knapp 2,7 Milliarden Dollar Profit. Microsoft ist in der Spielebranche bereits etabliert. Nicht nur durch seine Spielekonsole Xbox mit ihren vielen Titeln, sondern auch durch das beliebte Spiel Minecraft, das Microsoft im Herbst 2014 für 2,5 Milliarden Dollar übernahm. Die Activision-Übernahme würde Microsoft auf Platz drei der Videospiel-Tycoone hieven – hinter den japanischen Unterhaltungselektronikkonzern Sony und dessen heimischen Konkurrenten Nintendo.

Für die FTC ist das jedoch eine Nummer zu groß. Denn Microsoft könnte so Konkurrenten für seine Xbox-Konsole und sein rasch wachsendes Geschäft mit Spiele-Abos und Cloud-Gaming aushebeln, indem es die Kontrolle über beliebte Spiele an sich reißt, fürchtet die Behörde. Beispielsweise Sony mit seiner Playstation, deren Attraktivität auch davon abhängt, ob populäre und bereits gut eingeführte Spiele mit entsprechender Anhängerschaft verfügbar sind.

Activision, so lobt die Behörde, sei einer „der wenigen Top-Videospielentwickler der Welt, die qualitativ hochwertige Videospiele für verschiedenste Geräte, darunter Konsolen, Computer und Smartphones entwickeln“. Es sei auch deshalb so bekannt geworden, weil es seine Spiele unabhängig anbiete.

Genau damit argumentiert Microsoft. Man würde sich ins eigene Fleisch schneiden, so Microsoft-Vize Brad Smith, wenn man plötzlich solche beliebten Spiele wie „Call of Duty“ oder „World of Warcraft“ nur auf die eigene Hardware beschränken würde.

Tatsächlich hat Microsoft mit dem Spielekonsolen-Anbieter Nintendo eine zehnjährige Lizenz für das Spiel „Call of Duty“ vereinbart. Die, so der Konzern, würde auch Sony offenstehen.

In der Vergangenheit hätte solch ein Versprechen vielleicht ausgereicht, um die Wettbewerbshüter zu beschwichtigen. Doch damit ist es nun vorbei.

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