Videoplattform Österreichs Medien gegen Facebook und Co.

Kooperation statt Kleinkrieg: In Österreich arbeiten private und öffentlich-rechtliche Medien zusammen – gegen die Vormacht von Facebook und Youtube.

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Für den Sender ist die Austria Videoplattform ein „internationales Vorzeigeprojekt“ Quelle: Imago

Wien Während in Deutschland beim jahrelangen Streit um die „Tagesschau“-App das Tischtuch zwischen ARD und den Verlagshäusern zerschnitten ist, setzen die Akteure in Österreich auf Zusammenarbeit. Vor rund einem Jahr hob der öffentlich-rechtliche ORF zusammen unter dem Dach der Nachrichtenagentur Austria Presse Agentur (APA) die Austria Videoplattform aus der Taufe.

„Die Zeiten der kleinlichen Streitereien zwischen ORF und den Zeitungsverlagen sind vorüber. Denn über die Austria Videoplattform haben alle Marktteilnehmer die Möglichkeit auf Videos aktuell zuzugreifen und in ihre Online-Angebote zu integrieren“, sagte ORF-Online-Chef Thomas Prantner dem Handelsblatt in Anspielung auf die deutschen Verhältnisse. Derzeit sind monatliche 2400 Videos verfügbar. Der größte Lieferant ist der ORF mit seinen Videos, die von Zeitungen und Zeitschriften auf ihren Nachrichtenportalen genutzt werden.

„Die Einführung dieser Plattform Anfang 2017 hat zu einer Entspannung im früher so schwierigen Verhältnis geführt“, resümiert Prantner in Hinblick auf die verhärteten Fronten in Deutschland. Für den ORF ist die Austria Videoplattform der APA daher ein „internationales Vorzeigeprojekt“, das zeigen soll, wie die Zusammenarbeit zwischen öffentlich-rechtlichem Rundfunk und privaten Medienunternehmen funktionieren kann.

Zuletzt hatte der NDR angekündigt, im Streit um die Tagesschau-App Beschwere beim Bundesverfassungsgericht einzureichen. Die ARD akzeptiert die Niederlage gegen acht Zeitungshäuser nicht, die dagegen geklagt haben, dass die öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt textbasierte und damit „presseähnliche“ Inhalte auf seinen Internetseiten verbreitet.

Im Gegensatz zum wenig sinnvollen Kleinkrieg in Deutschland zieht die österreichische Medienbranche im Kampf gegen Facebook und Youtube an einen Strang. „Unsere Gegner sind internationale Player, wie Facebook und Google und nicht die österreichischen Zeitungsverlage“, sagt der 53-jährige ORF-Manager. Mit der Austria Videoplattform wurden die Reichweite entscheidend gesteigert. Zum Start des Videoportals im Januar 2017 wurde gerade einmal 154.000 Videos abgerufen. Im vergangenen Monat waren es nach Unternehmensangaben 1,2 Millionen.

Der mit Abstand größte Videolieferant ist der ORF. Von dem mit Rundfunkgebühren finanzierten Sender kommen rund 90 Prozent der Videos. An der Austria Videoplattform sind insgesamt elf Medienunternehmen beteiligt. Die Filme werden von 16 Medienhäusern mit 44 Internetportalen genutzt. Damit wird nach eigenen Angaben rund 80 Prozent des österreichischen Onlinemarktes abgedeckt.

„Die Austria Videoplattform ist ein erster Schritt, gemeinsam mit privaten Medienhäusern den österreichischen Medienmarkt zu stärken, damit er gegenüber den amerikanischen Internetkonzernen bestehen kann“, sagt Prantner. „Nur gemeinsam können wir in einer globalisierten Medienwelt überleben." Mit dieser Strategie genießt der ORF unter seinem langjährigen Generaldirektor Alexander Wrabetz den Rückhalt der rechtskonservativen Regierung unter Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP). Denn ein zentrales Ziel der Koalition von ÖVP und FPÖ ist die verstärkte Zusammenarbeit zwischen ORF und Privaten.


ORF steht unter Druck von rechts

In diesem Kontext passt auch die Ankündigung des ORF die Kooperation mit Facebook zurückzufahren. „Wir werden auch unser Engagement in Sachen Facebook überdenken – sowohl was die Promotion für Facebook in den ORF-Medien als auch was die Anzahl unserer Auftritte betrifft. Warum sollen wir mit unseren Inhalten dafür sorgen, damit ein börsennotierter Konzern aus dem Silicon Valley seine Werbeeinnahmen steigern kann“, sagte Prantner. Der frühere Büroleiter des einstigen ORF-Chefs Gerhard Zeiler gilt als FPÖ-nah.

Das Videoportal unter dem Dach der APA soll in diesem Jahr ausgebaut werden. Der ORF will nach eigenen Aussagen vorwiegend Informationssendungen der Sender ORF 2 und ORF 3 der Austauschplattform zur Verfügung stellen. „Auf der Austria Videoplattform bieten wir ausschließlich professionellen und journalistisch hochwertigen Video-Content aus der ORF-Berichterstattung in technischer Top-Qualität an. Dies ist unsere Verantwortung und unser Wettbewerbsvorteil in Zeiten von Fake News“, sagt Prantner.

Der Optimismus der Beteiligten ist groß. „Die Ziele unseres Business-Plans haben wir ein gutes halbes Jahr früher erreicht als geplant. Das Projekt ist eine Blaupause für weitere Medienkooperationen in Österreich“, sagt APA-Geschäftsführer Clemens Pig. „Wir haben bewusst die Eintrittsbarriere für die Austria Videoplattform niedrig gehalten, um von Anfang an möglichst viele Teilnehmer zu gewinnen. Denn Video spielt auch für die Verlage mit ihren Websites eine immer stärkere Rolle.“

Um eine hohe Rendite geht es bei der Austria Videoplattform ohnehin nicht. „Wir sind eine Genossenschaft. Beim Projekt AVP agiert die APA als Plattformbetreiber im Dienste der heimischen Medien, daher ist es das Ziel der APA, dieses Projekt kommerziell ausgeglichen zu bilanzieren“, erklärt der 43-jährige Manager in Wien. Die Zahl der Bilderlieferanten wird in den nächsten Monaten noch wachsen. Derzeit spricht Pig mit Puls 4, der österreichischen Tochter des deutschen Fernsehkonzerns Pro Sieben Sat 1, über eine Partnerschaft. „Es sieht gut aus“, sagt der APA-Chef zum Verlauf der Gespräche.

Beim Partner APA ist der ORF in einer starken Position. Denn mit 45,6 Prozent ist der öffentlich-rechtliche Rundfunk der stärkste Anteilseigner der österreichischen Nachrichtenagentur. Doch der ORF steht politisch unter großem Druck. Denn die rechtspopulistische FPÖ fordert die Abschaffung der Rundfunkgebühren in Österreich. „Die Meinung der Freiheitlichen hat sich in keiner Weise geändert“, sagte FPÖ-Chef und Vizekanzler Heinz-Christian Strache vor wenigen Tagen. „Wir sind nach wie vor für eine Abschaffung der ORF-Zwangsgebühren.“ Der gelernte Zahntechniker will dieses Vorhaben den Koalitionspartner ÖVP dafür gewinnen. Doch die konservative Partei unter Kanzler Sebastian Kurz schweigt beharrlich.

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