Viele Smartwatches, wenig Kunden Warum die Apple Watch nicht zündet

Mit der Apple Watch sollte das Zeitalter der Computeruhren beginnen. Doch ein Jahr nach dem Verkaufsstart zeigt sich: Das Interesse an den modernen Zeitmessern ist gering. Das wird sich auch so schnell nicht ändern.

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Quelle: AFP

München Eingefleischte Apple-Fans hatten sich den 24. April 2015 dick im Kalender angestrichen. Auf diesen Freitag hatten die Aficionados der kalifornischen Marke schließlich lange gewartet: Die Apple Watch kam in die Läden. Die erste völlig neue Produktkategorie seit dem Tod von Übervater Steve Jobs.

Inzwischen ist fast ein Jahr vergangenen. Es zeigt sich: Nur die allertreuesten Apple-Kunden können sich für die Uhr begeistern. Die Marktforscher von Gartner schätzen, dass Apple vergangenes Jahr nicht mehr als acht bis zehn Millionen Stück verkauft hat. Zum Vergleich: Alleine im Weihnachtsquartal gingen fast 75 Millionen iPhones über die Ladentheken.

Apple ist kein Einzelfall. Der vor dem Verkaufsstart der Apple Watch prognostizierte Boom der Computeruhren lässt auf sich warten. So hatten die Experten des amerikanischen Marktforschungsunternehmens Gartner fürs vergangene Jahr weltweit zunächst damit gerechnet, dass 40 Millionen Exemplare unterschiedlichster Hersteller einen Käufer finden.

Letztlich seien es aber nur rund 30 Millionen geworden, sagte Gartner-Analystin Annette Zimmermann dem Handelsblatt. „Die Leute wissen noch nicht so recht, was eine Smartwatch wirklich kann“, begründet die Münchenerin die Kaufzurückhaltung. Und fügt hinzu: „Die Hersteller müssen die Konsumenten stärker aufklären, was sie mit den Geräten anfangen können.“

Doch selbst wenn die Produzenten jetzt schnell damit anfingen, das Geschäft wird nach Ansicht von Zimmermann nur langsam in Gang kommen: Selbst im Jahr 2020 würden die Anbieter wohl lediglich knapp 90 Millionen Stück losschlagen, sagt die Analystin voraus. Das ist mager im Vergleich mit Mobiltelefonen: Für 2020 rechnet Gartner mit einem Absatz von fast zwei Milliarden Handys.

Computeruhren gab es schon lange vor der Apple Watch. Doch kaum jemand hat sich so richtig dafür interessiert. Nur in Nischen waren die Minirechner fürs Handgelenk erfolgreich, etwa bei ambitionierten Sportlern. Vor allem unter Läufern und Triathleten hatten sich schon zuvor Spezialisten wie Polar oder Garmin etabliert. Und unter Wanderern hatte sich Suunto einen Namen gemacht.

Für große Elektronikmarken wie Samsung lief das Geschäft mit den sogenannten Smartwatches vor dem Marktstart von Apple eher mau. Viele Experten gingen davon aus, dass Apple der Geräteklasse neue Aufmerksamkeit und damit auch eine größere Nachfrage bescheren würde. Samsung war weit vor Apple am Markt, hat die ersten Uhren der „Gear“-Reihe bereits vor drei Jahren vorgestellt und seither viel experimentiert. Die Koreaner wechselten zwischenzeitlich sogar das Betriebssystem, von Googles Android auf das hauseigene Tizen. Doch die Stückzahlen sind verglichen mit Smartphones nach wie vor minimal, der Apple-Sog blieb aus.


„Technisch sind keine Riesensprünge zu erwarten“

Nicht anders geht es Rivalen wie LG, Motorola oder Sony. Alle sind sie in dem Geschäft, aber ohne größere Verkaufserfolge. Trotzdem, das Desinteresse der Kunden schreckt die Anbieter nicht, im Gegenteil. Die Konkurrenz wird immer größer. Längst haben auch etablierte Uhrenproduzenten wie Tag Heuer oder Fossil die neumodischen Geräte im Programm.

Häufig bieten die Apparate die Funktionen eines Smartphones im Kleinformat. Sie zeigen Nachrichten an, messen Schritte und Puls, dienen als Taschenlampe oder Stoppuhr, auf manchen lassen sich auch Botschaften diktieren. Richtig, die Zeit zeigen sie auch an. Aber nur solange der Akku durchhält.

Die Flut an Modellen steht in krassem Gegensatz zum Kaufverhalten der Kunden. Es ist deshalb wohl auch mehr als Zweckoptimismus, wenn die etablierten Uhrenproduzenten mit Blick auf die Smartwatches der neuen Wettbewerber gelassen bleiben. „Ich glaube nicht, dass sie eine Bedrohung für die traditionelle Uhrenindustrie darstellen“, sagte jüngst Casio-Präsident Kazuhiro Kashio dem Handelsblatt. Der japanische Konzern verkauft pro Jahr rund 42 Millionen Uhren – mehr als die Smartwatches aller Hersteller vergangenes Jahr zusammen.

„Die Apple Watch hat uns überhaupt nicht geschadet“, unterstreicht auch François Thiébaud, Chef der Marke Tissot, deren Multifunktionsuhren im direkten Wettbewerb mit den Smartwatches stehen.

Ein vergleichsweise kleiner Bildschirm, eine kurze Batterielaufzeit von oft nur einem Tag – es gibt viele Gründe, den Kauf einer Computeruhr erst einmal zurückzustellen. „Diese Geräte ersetzen das Smartphone nicht“, betont denn auch Gartner-Analystin Zimmermann. Daran werde sich so bald nichts ändern: „Technisch sind keine Riesensprünge zu erwarten.“

Inzwischen treten einige Firmen sogar schon den Rückzug an, zwangsweise allerdings. Smartwatch-Vorreiter Pebble strich Ende März jeden vierten Job. 40 Mitarbeiter des Start-ups wurden umgehend entlassen. Gründer und Chef Eric Migicovsky geht angesichts des knallharten Konkurrenzkampfs schlicht das Geld aus.

Die US-Firma brachte nach einer 2012 gestarteten Crowdfunding-Kampagne eine Computeruhr mit E-Paper-Display auf den Markt. Der Bildschirm war zwar nur schwarz-weiß, die Smartwatch kann damit aber rund eine Woche mit einer Batterieladung laufen. Das 2015 gestartete neuere Modell hat ein farbiges E-Paper-Display. Pebble verkauft seine Smartwatches für 100 bis 250 Dollar.

Selbst Apple hat inzwischen reagiert. Vor Ostern senkte der Konzern den Einstiegspreis seiner Uhr in den USA um 50 Dollar auf 299 Dollar. In Europa gibt es das Basismodell jetzt schon für 349 Euro statt 399 Euro. Die Marke selbst nennt keine Absatzzahlen. Statt über harte Fakten spricht Apple-Chef Tim Cook öffentlich lieber über bunte Armbänder.

Casio-Präsident Kazuhiro Kashio jedenfalls ist von der Apple Watch wenig beeindruckt. „Das ist doch nur ein Smartphone am Armband.“

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