Virtual Reality Eine Revolution auf Standby

Die Manager der Tech-Konzerne sind davon überzeugt: Virtuelle Realität wird unser Leben verändern. Das Problem: Im Massenmarkt sind die Produkte noch gar nicht angekommen. Facebook-Tochter Oculus will das jetzt ändern.

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Düsseldorf Die Zukunft, sie lässt auf sich warten: Obwohl schon Museen und ein einige Unternehmen mit der virtuellen Realität und entsprechender Hardware experimentieren, herrscht in den Wohn- und Kinderzimmern dieser Welt virtueller Nachholbedarf. Denn da stößt die neue Technologie und ihre von Konzernen und Entwicklern viel beschworenen Vorzüge so gar nicht auf Begeisterungsstürme und damit auch nicht auf zahlungsbereite Kunden.

Mark Zuckerberg glaubt fest an sie, auch Google schwört auf das Potenzial der virtuellen Realität. Ob Gaming, Reisen oder Kundendienst: Die neue Technologie soll die Art und Weise unseres Erlebens nachhaltig verändern. Allein: So so groß ist das Interesse im Massenmarkt noch nicht. Die Soft- und Hardware sind zu teuer, die revolutionäre Sinneswahrnehmung noch nicht nachhaltig beworben.

Facebook-Tochter Oculus fühlt sich genötigt, zu handeln. Eine weltweite Aktion soll die VR-Headsets und alles, was damit zusammenhängt, nun endlich in den Massenmarkt bringen. Die bisher teure Hardware wird für neun Wochen weltweit reduziert. In den USA zum Beispiel um rund 200 Dollar gesenkt. Damit will das Unternehmen auch den Visionen von Facebook-Chef Zuckerberg Vorschub leisten.

Die Prophezeiungen sind gut: Facebook selbst schätzt in einer geförderten Studie, dass die Umsätze von virtueller und erweiterter Realität von 2016 bis 2020 auf bis zu 24 Milliarden US-Dollar wachsen könnten. Marktforscher IDC schätzt zudem, dass die Zahl der Lieferungen von VR- und AR-Brillen von rund 10 Millionen 2016 auf rund 91 Millionen im Jahr 2021 steigen könnten.

Laut Schätzungen der Deutschen Bank könnte es im Jahr 2020 rund 24 Millionen Nutzer geben. Im Jahr 2016 waren die Zahlen eher ernüchternd: Einer Facebook-Analyse zufolge lag der Umsatz 2016 gerade einmal bei 9,2 Millionen US-Dollar. 6,5 Millionen Menschen sollen 2016 weltweit VR genutzt haben, so die Deutsche Bank.

Im Geschäftskundenbereich ist die virtuelle Realität da schon erfolgreicher: Reiseveranstalter Thomas Cook hat seine 880 deutschen Reisebüros Virtual-Reality-Brillen ausgestattet. Auch Airbus nutzt die künstliche Realität, um Kunden das Innenleben seiner Flugzeuge zu präsentieren.

Doch wie viele VR-Brillen tatsächlich über die Ladentheke gingen, darüber herrscht Uneinigkeit: Die Analysten der US-Investmentfirma Piper Jaffray prognostizierten für 2016 3,6 Millionen verkaufte Exemplare der Oculus Rift, 2,1 Millionen für HTC Vive und fünf Millionen für den Marktführer Samsung mit seiner Gear VR.

Als erster der großen Anbieter veröffentlichte Sony Verkaufszahlen und gab an, bis Februar 2017 rund 915.000 Exemplaren unter die Menschen gebracht zu haben. Marktführer Samsung hat laut eigenen Aussagen bis zu fünf Millionen bereits verkauft. Bei anderen Anbietern kann nur geschätzt werden, da sie noch keine Verkaufszahlen veröffentlicht haben: Der Marktanalysedienst Superdata rechnet für 2016 bei Oculus mit 240.000 verkauften Exemplare, für die HTC Vive mit 420.000 und für Googles Daydream VR mit 260.000 verkauften Exemplaren. Treffen die Zahlen zu, ist klar: Massenmarkt sieht anders aus.

Bei Oculus setzt man nun zum Angriff an: Neun Wochen lang werden Soft- und Hardware im sogenannten „Summer of Rift“ drastisch reduziert. Das Headset soll beispielsweise um knapp 200 Dollar im Preis gesenkt werden. Jason Rubin, Vizepräsident für Content bei der Facebook-Tochter, glaubt an den Erfolg: „Wir wollen jetzt das nächste Level erreichen und das heißt: Massenmarkt. Und den erreicht man nur mit Preisen, die wir jetzt für neun Wochen lang anbieten.“


Umworben: Die Zielgruppe der Gamer

Der einstige Spielentwickler hat zudem die Entwicklung von Inhalten für die Rift massiv vorangetrieben: „Eine der größten Herausforderungen, um VR in den Massenmarkt zu bringen, ist es genug Inhalte zu haben, die so begehrt sind, dass Menschen sich die passende Hardware dazu kaufen“, sagte Rubin im Gespräch mit dem Handelsblatt.

Die Zielgruppe der Gamer ist attraktiv für Oculus und Co.: Laut einer Umfrage der Datenbank Statista zeigen sich 36 Prozent der Zielgruppe eher interessiert, rund 25 Prozent sehr interessiert an der virtuellen Realität. Doch auch die sind nicht bereit, so tief in die Tasche zu greifen: So berichteten einige US-Medien, dass die größte Elektronik-Kette in den USA 200 der 500 Demo-Stände für Oculus wieder abgebaut hätte. Das Kundeninteresse sei komplett eingebrochen.

Auch Oculus-Konkurrent Google weiß um das Ausbleiben jedweder virtuellen Revolutionsstimmung: So sprach Clay Bavor, Vizepräsident und für VR zuständig, auf der Google Entwicklerkonferenz davon, dass sein Aufgabenbereich nach einem großen Hype durch ein „Tal der Enttäuschung geht“. Zugleich machte sich Bavor Mut: Das sei bei vielen neuen Technologien so, danach gehe es aber auch wieder aufwärts.

Auch bei Oculus-Manager Rubin klingt das ähnlich: „Als VR an den Start ging, war sie sehr teuer. Ich denke am Ende wird es so laufen wie einst mit PCs. Die waren sehr teuer und wurden mit der Zeit immer günstiger. Am Ende konnte sich jeder einen leisten.“

Dabei gehörte die Oculus Rift zusammen mit der HTC Vive zu den teureren Modellen, Samsung Gear und Google Daydream spielten eher in einer niedrigeren Preisklasse. Und damit in einem Feld, dass sich die Kunden eher leisten wollen: Laut Statista würde die große Mehrheit zwischen 50 und bis zu 500 Euro für eine VR-Brille ausgeben. Oculus setzt mit seiner Preissenkung auf diese Mehrheit.

Und leistet damit auch den Visionen Zuckerbergs Vorschub: Der glaubt fest an die virtuelle Zukunft und natürlich auch an die damit verbundenen Geschäftsmodelle. Auf der Entwicklerkonferenz F8 kündigte er Facebook zu einer Plattform auszubauen, auf der sich virtuelle mit analoger Realität verbindet. So sagt auch Oculus-Manager Rubin: „Facebook verbindet jetzt die Menschen in 2D – VR kann das ändern. Unsere Rolle ist es die Hardware zu den Menschen zu bringen, damit Facebook sie in Zukunft durch VR miteinander vernetzen kann.“

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