Vodafone Mit Vollgas in den Brexit

Das Votum für den EU-Abschied der Briten war ein Schock für Vodafone. Doch die ersten Geschäftszahlen, die der zweitgrößte Mobilfunker der Welt nach dem EU-Referendum vorlegt, fallen besser aus als gedacht.

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Das Brexit-Votum kann den britischen Konzern noch nicht bremsen. Quelle: Reuters

London Es war eine Überraschung, auf die Vittorio Colao lieber verzichtet hätte. Das Brexit-Votum der Briten macht die Arbeit für den Italiener an der Spitze des Konzerns aus dem Londoner Stadtteil Paddington die Arbeit nicht leichter. Doch in den ersten Quartalszahlen, die der zweitgrößte Mobilfunkkonzern der Welt nach China Mobile am Freitag vorlegte, ist von Bremsspuren noch nichts zu erkennen.

Im Gegenteil: Der britische Telekomkonzern schnitt dank einer leichten Erholung in Europa zu Beginn seines bis zum März 2017 laufenden Geschäftsjahres besser ab als gedacht. „Wir haben im ersten Quartal weiter gute Fortschritte gemacht“, erklärte Colao zufrieden. „In Europa konnten wir das Wachstum stabil halten, obwohl wegen der Regulierung die Roaming-Gebühren unter Druck geraten sind.“ Vor allem in Deutschland, Spanien und Italien habe Vodafone sich gut entwickelt.

Konzernweit zogen die Umsätze der Briten aus eigener Kraft, also ohne Währungseinflüsse und Verkäufe, im ersten Quartal bis Ende Juni um 2,2 Prozent an, wie das Unternehmen mitteilte. Das war mehr als von den meisten Analysten erwartet. Während die Schwellenländer weiter kräftig wuchsen, konnte auch das Europageschäft ein leichtes Plus aufweisen.

Mit einem Plus von 1,6 Prozent gegenüber Vorjahr sah sich der rote Riese auch auf dem wichtigen deutschen Markt im Gesamt-Serviceumsatz für Mobilfunk und Festnetz auf solidem Wachstumskurs. Zahlreiche neue Kabelkunden bügelten dabei eine Wachstumsdelle im Mobilfunkgeschäft aus. „Der rote Renner ist auf Kurs: Wir sind gut ins neue Geschäftsjahr gestartet und wachsen weiter“, sagte Deutschlandchef Hannes Ametsreiter.

Es ist ein Moment, auf den Vodafone lange gewartet hat. In den vergangenen Jahren war das Geschäft auf vielen wichtigen europäischen Märkten gebröckelt. Doch dank der Erholung in Europa und eines starken Wachstums in Schwellenländern geht der Konzern nun zuversichtlich in das seit April laufende neue Geschäftsjahr. Colao erneuerte nach dem guten Start ins laufende Jahr am Freitag seine Prognose für das neue, seit April laufende Geschäftsjahr, wonach Vodafone ein Wachstum des operativen Ergebnisses zwischen drei und sechs Prozent anpeilt.

Doch einfacher dürfte das Ziel nicht geworden sein. Seit knapp vier Wochen muss sich der 54-Jährige Italiener an der Spitze des britischen Telekomkonzerns nämlich mit einem neuen Problem herumschlagen: der Brexit-Entscheidung im Heimatland des Konzerns. Was Colao davon hält, machte er bereits wenige Tage danach deutlich. So denkt der Mobilfunk-Riese bereits nach dem Referendum laut über die Verlegung seines Hauptsitzes aufs europäische Festland nach. „Die Mitgliedschaft Großbritanniens in der EU war ein wichtiger Faktor für das Wachstum eines Unternehmens wie Vodafone“, hieß es aus der Zentrale.


Für den Konzern steht viel auf dem Spiel

Noch sei es zu früh, Schlüsse für den langfristigen Standort des Hauptsitzes zu ziehen, aber es werde entschieden, was zweckmäßig für das Interesse von Kunden, Aktionären und Angestellten sei. Colao erklärte am Freitag, bislang sei die Situation beim Thema Brexit unverändert.

Der Vodafone-Boss macht kein Geheimnis daraus, worum es ihm dabei vor allem geht: Den Zugang zu einem entstehenden digitalen Binnenmarkt in Europa sei für Großbritannien eine „bedeutende Chance“, betonte er. Derzeit sei unklar, wie viele dieser Vorteile erhalten blieben, wenn Großbritannien die EU tatsächlich verlasse.

Für den Konzern in seinem Glaspalast in London-Paddington steht dabei viel auf dem Spiel. Vodafone beschäftigt rund 13.000 Menschen in Großbritannien und hat Sitze in London und Newbury. Der Konzern macht nach eigenen Angaben elf Prozent seines operativen Gewinns in Großbritannien, 55 Prozent in anderen europäischen Ländern. Um seine Stellung in der EU zu sichern, will Vodafone in Brüssel auch aktiver Lobbyarbeit betreiben.

Es wirkt fast wie eine versteckte, spröde Liebeserklärung an den ferner gerückten Kontinent: Wie wichtig der europäische Markt für Vodafone ist, machte Colao auch schon mit einer anderen Grundsatzentscheidung deutlich, die der Vorstandschefs bereits einige Zeit vor dem Brexit-Votum traf. Der britische Konzern bilanziert wegen der großen Bedeutung seines Europageschäfts seit diesem Geschäftsjahr von nun an nicht mehr wie seit Jahrzehnten geübt in britischen Pfund – sondern in der auf der Insel wenig beliebten Währung Euro.

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