Die Rechnung geht bei Apple normalerweise sehr einfach: Es gibt Erwartungen und Apple übertrifft sie. Egal ob bei Umsatz, Gewinn oder neuen Produkten. Zumindest war das zu Zeiten von Steve Jobs meist so.
In diesem Jahr scheint das Tim Cook und seinen Anhängern nicht so zu gelingen. Apple Watch und Apple Music sind zwei Neuheiten 2015, die es wohl nicht auf den Olymp der gehypten Apfelprodukte schaffen werden. Beide enttäuschten – zumindest Analysten und Anleger und im Fall von Apple Music auch die Fans. Und das iPhone 6 brachte zwar zunächst gute Zahlen, konnte den sonst vorprogrammierten Apple-Hype aber nicht befeuern.
Das sind Apples fünf größte Konkurrenten
Kaum eine Smartwatch wird wohl so sehr erwartet wie die Uhr von Apple. Das Gerät soll nicht nur mehr Funktionen bieten, sondern auch leichter und flacher sein als die Modelle der Konkurrenz. Was genau in der Datenuhr stecken wird, ist aber zu großen Teilen noch unklar. Die Erwartungen sind trotzdem enorm: Für dieses Jahr werden 15 Millionen verkaufte Apple Watches erwartet.
(Quelle: Smartwatch Group)
Samsung ist einer von Apples größten Konkurrenten, nicht nur auf dem Gebiet der Datenuhren. Der südkoreanische Konzern ist laut Smartwatch Group zurzeit führend im Segment mit einem Marktanteil von rund 25 Prozent. Samsung brachte bereits 1999 eine intelligente Uhr auf den Markt, war damals aber seiner Zeit voraus. Heute verkauft der Konzern die „Galaxy Gear“-Reihe, von der im vergangenen Jahr gleich fünf neue Modelle an den Start gingen. Etwa 1,2 Millionen Exemplare konnte Samsung davon 2014 absetzen.
Quelle: Smartwatch Group
LG setzt sowohl auf Fitness-Armbänder als auch auf Luxus-Modelle: Anfang 2014 kam das Lifeband Touch auf den Markt, das unter anderem die Schrittzahl und verbrannte Kalorien des Trägers anzeigt. Als Antwort auf die Apple Watch soll in diesem Jahr die LG Watch Urbane folgen, die vom Design an herkömmliche Uhren angelehnt ist. Im vergangenen Jahr verkaufte LG 420.000 Smartwatches und hat damit einen Marktanteil von etwa sieben Prozent.
Motorola-Uhren machten im vergangenen Jahr vor allem durch ihr Design auf sich aufmerksam: Die Ende 2014 erschienene Moto 360 ist eine der ersten Smartwatches, die ein rundes Display hat und auch mit einem Metall-Armband erhältlich ist. Das Gerät läuft mit Android Wear, dem Smartwatch-Betriebssystem von Google. Motorola hatte mit 10 Prozent den zweitgrößten Anteil am Smartwatch-Markt im vergangenen Jahr.
Der Erfolg des Herstellers Pebble ist bemerkenswert: 2012 mithilfe von Crowdfunding finanziert, hat sich der Konzern des Kanadiers Eric Migicovsky mit einem Marktanteil von sieben Prozent auf dem Markt etabliert. Für seine neue Uhr „Pebble Time“ sammelt der Konzern zurzeit wieder Spenden auf der Crowdfunding-Plattform Kickstarter ein: Bereits am ersten Tag unterstützen 40.000 Menschen Pebble mit acht Millionen Euro und kriegen das neue Gerät nun als erste Kunden zugestellt. Der Vorteil der Pebble-Uhren: Sie sind leicht zu bedienen und haben eine längere Batterie-Laufzeit als die Modelle der Konkurrenz.
Der Schweizer Hersteller Garmin liefert Smartwatches für Freizeitaktivitäten: Seine Zielgruppe sind unter anderem Läufer, Piloten und Golfer, für die Garmin maßgeschneiderte Uhren herstellt. Unter anderem bieten die Smartwatches ein GPS-System, einen Kompass und ein Altimeter. 2014 verkaufte Garmin 400.000 Uhren und hat einen Marktanteil von sieben Prozent.
Apple scheint dieses Jahr seine Magie verloren zu haben. Nun muss Apple-CEO Tim Cook liefern. Kurz vor seinem vierten Jahrestag als Vorstandschef muss er beweisen, dass Apple seinen Zenit noch nicht überschritten hat.
Also sollte es die - wohl für den 9. September geplante - Keynote. Aber während Apple-Fans dem Präsentationstag wie immer entgegenfiebern, zeigen sich viele Analysten wenig enthusiastisch. Nach Apple Watch und Apple Music seien die Erwartungen an Neuerungen aus Cupertino vorerst gedämpft, sagt Steve Janata, Analyst des IT-Research- und Beratungsunternehmens Crisp Research. „Wenn man die Aktienkurs-Bewertungen und die Erwartungen des Finanzmarktes betrachtet, dann ist eine Enttäuschung eigentlich vorprogrammiert.“
Apple Watch, die kleine Enttäuschung
Schon die Apple Watch hatte nach ihrem Start wenig von dem geliefert, was sich Apple-Experten davon versprochen hatten. Die Smartwatch ist solider Durchschnitt, aber keine Apple-Magie, so die Bewertungen. Sowohl was ihre Leistung als auch ihre Verkaufszahlen angeht. „Es muss irgendwann wieder eine wirkliche Innovation kommen“, macht Janata deutlich. „Die Apple Watch hätte eine sein sollen, aber die Verkaufszahlen sind ja unterirdisch.“
Anleger enttäuscht: Kein Kommentar zur Apple Watch
Als Tim Cook die ersten Quartalszahlen vorlegte nach dem Erscheinen der Apple Watch, wurden deren Zahlen gar nicht erst einzeln aufgeführt – ungewöhnlich für Apple. Das lieferte viel Raum für Spekulationen – wie schlecht müssen die Zahlen da sein? Cook bemühte sich, viel Optimismus zu verbreiten ohne konkret zu werden. Er sprach von „begeisterten“ Kunden und die „Nachfrage sei höher als das Angebot“. Einen Hinweis auf die tatsächlichen Zahlen gab es nur von Apple-Finanzchef Luca Maestri. Der ließ verlauten, die Apple Watch habe sich in den ersten sechs Wochen besser verkauft als das erste iPhone oder das erste iPad. Aber reicht das heute noch?
Bedrohlich sind die Zahlen für das Unternehmen keinesfalls. Niedrigste Schätzungen gehen von zwei bis drei Millionen verkauften Modellen im ersten Quartal aus. Jedes andere Unternehmen würde sich über solche Zahlen freuen – so viel ist sicher. Aber bei einem Unternehmen wie Apple reicht das einfach nicht. „Die Frage ist, wie will Apple nicht nur das liefern, was sie schon haben – also gute Verkaufszahlen, hohe Margen. Die Frage ist, wo ist die Phantasie bei der ganzen Geschichte. Die bleibt bei Apple mittlerweile weg“, urteilt Janata.
Apple Music, die große Enttäuschung
Genau das scheint vor allem Apple Music zu repräsentieren. Der Musikstreaming-Dienst, den Apple Ende Juni 2015 gefühlt viel zu spät auf den Markt brachte, enttäuschte sogar viele Fans. „Hier ist noch etwas Nachbesserung notwendig“, sagt auch Apple-Kenner und Buchautor Antoni Nadir Cherif. „Da bin ich nicht der einzige Apple-Experte, der etwa die Bedienungsfreundlichkeit für zu wenig Apple-like hält. Das kann und wird sich noch ändern. Apple lernt aus Fehlern und hört auf seine Kunden.“
Aber für die einstige Apple-Stärke, den großen Wow-Effekt zum Produktstart, hat es so eindeutig nicht gereicht. „Apple Music ist auf dem technischen Niveau derzeit eine große Enttäuschung“, sagt Janata. „Apple hatte sonst mit einem Produkt immer besonderen Erfolg, wenn sie das, was der Markt schon zu bieten hatte, mit einer besonders guten Funktionalität und Usability übertroffen haben.“ Bei Apple Music sei aber genau das nicht gelungen. „Anscheinend hat man sich dabei nur so halbwegs Mühe gegeben oder sie sind damit einfach ein halbes Jahr zu früh auf den Markt gegangen“, mutmaßt der Analyst.
iPhone 6 stürzt in China ab
Doch damit der Apple-Enttäuschungen 2015 nicht genug: Auch das iPhone 6 zeigte nicht nur Höhen, sondern auch schon Tiefen. Zwar feierte Apple wieder einen iPhone-Verkaufsrekord, trotzdem blieben die Verkaufszahlen hinter den Erwartungen zurück.
47,5 Millionen Geräte konnte Apple vom iPhone im Quartal April bis Juni 2015 verkaufen. Damit lagen die Kalifornier zwar 35 Prozent über dem Vergleichsquartal 2014. Erwartet worden waren aber 48 Millionen – oder noch mehr. Ein Dämpfer für Anleger und Analysten. Die Folge: Der Kurs der Apple-Aktie fiel.
iPhone 6 und iPhone 6 Plus sollten mit ihren größeren Bildschirmen zudem besonders den immer wichtigeren chinesischen Markt für sich gewinnen. Zunächst sah das auch gut aus – der Umsatz verdoppelte sich, aber Anfang August dann die Hiobsbotschaft: Xiaomi eroberte sich seine Spitzenposition als Smartphone-Anbieter Nummer eins in China zurück und Huawei bekam so viel Aufwind, dass es für Apple auf dem chinesischen Markt nur noch für Platz drei reichte. Infolgedessen ging es mit der Apple-Aktie ein weiteres Mal bergab – auf den tiefsten Stand seit einem halben Jahr.
Es gibt nicht wenige Stimmen in der Tech– und Finanzbranche, die das Facelift des iPhone 6 für Apples letzten großen Upgradezyklus halten – und das iPhone 6s wird kämpfen müssen.
Kann das iPhone 6s es reißen?
Denn das iPhone definiert Apples Bewertung: Gefühlter Erfolg oder Versagen hängen zentral vom Smartphone ab, denn der Verkauf des Apple-Flaggschiffs macht einen Anteil von 63 Prozent des Konzernumsatzes aus. Deshalb wird wohl nichts so genau beobachtet, kein Gerücht so genau beäugt und der Starttermin so heiß diskutiert, wie beim neuen iPhone-Modell. Hält sich Apple an die ziemlich laute Gerüchteküche, so werden das iPhone 6s und iPhone 6s Plus am 9. September vorgestellt.
Das Design des kommenden iPhone 6s dürfte dabei sehr stark an jenes des aktuellen iPhone 6 erinnern. Große Veränderungen sind hier nicht zu erwarten. Das neue iPhone-Modell soll allerdings ein hundertstel Millimeter höher und breiter werden und das Gehäuse ein wenig dicker sein – 0,2 Millimeter um genau zu sein. Ein Grund für das dickere Gehäuse könnte sein, dass man die Kamera wieder im Gehäuse versenken möchte.
Damit würde die Kamera möglicherweise glatt mit der Oberfläche abschließen. Ein Punkt, der für viele Apple-Jünger durchaus relevant ist und ein Kaufgrund sein könnte. Die herausstehende Kamera war für viele Design-Verliebte beim iPhone 6 nämlich eine Enttäuschung – da hatte man schon eine glatte Oberfläche inklusive Kamera erwartet.
In Sachen Farbe sind für das iPhone 6-Upgrade verschiedene Modelle denkbar – vergleichbar mit dem aktuellen iPod touch. Zum Beispiel wird über Roségold als neue Farbe gemunkelt. Außerdem gilt als sicher, dass die Wahl auf ein Aluminium- und nicht auf ein Plastikgehäuse fallen dürfte. Auch wenn es zwischendurch gegenteilige Berichte gab..
Die neue Kamera
Im Fokus der Kritiker und Fans dürfte – neben der Versenkung in der Hülle – die neue Kamera selbst stehen. „Die Kamera ist beim iPhone eines der wichtigsten Verkaufsargumente, hier wird Apple noch einmal seine Qualitäten ausspielen", schätzt Apple-Experte Cherif. Erwartet werden ein optischer Bildstabilisator und ein optischer Zoom. Den Stabilisator gab es bereits beim iPhone 6 Plus – der dürfte also keine Frage sein.
Zudem soll Apple angeblich in Betracht ziehen, das iPhone 6s mit einem Dual-Kamera-System auszustatten, durch das bessere Fotos bei schwierigen Lichtverhältnissen möglich werden, da die zwei Kameras zusammenarbeiten. Auch die Frontkamera dürfte ein Update bekommen – konkret bedeutet das etwas mehr Megapixel.
Optisch könnte es nun auch das schon fürs iPhone 6 angekündigte und hochgepriesene Saphirglas-Display ins iPhone 6s schaffen. Die Probleme bei der Saphirglas-Produktion, die verhinderten, dass Apple es für das iPhone 6 nutzte, sollen jetzt überwunden sein. Damit dürfte das iPhone 6s statt mit ionisiertem Glas mit Saphirglas ausgestattet werden – was qualitativ eine Verbesserung und ein Prestige-Gewinn wäre.
Apple-Revolution vorerst vorbei
Die spannendste Neuerung liegt im Zauberwort Force Touch. Das neueste Feature der Watch dürfte demnächst auch Einzug auf Apples Smartphone halten. Force Touch erkennt, wie fest der Nutzer auf den Touchscreen tippt – und bietet so neue Steuerungsmöglichkeiten.
Da Force Touch neben der Apple Watch auch schon bei den neuen MacBooks Verwendung findet, dürfte es auch beim neuen iPhone kommen. „Ich könnte mir vorstellen, dass es für die Touch-Devices wie iPhone und iPad naheliegend ist, Force Touch ins Display zu integrieren, um weitere Bedienelemente am Gehäuse der Geräte zu vermeiden“, schätzt Apple-Experte und Buchverleger Anton Ochsenkühn.
Mit 178 Milliarden Dollar könnte Apple...
… IBM übernehmen, Coca Cola, AT&T oder Procter&Gamble – oder Boeing, McDonald’s und Nike zusammen.
… ein Jahr lang die gesamten Forschungs- und Entwicklungsausgaben der 25 F&E-stärksten Konzerne der Welt finanzieren – darunter Volkswagen, Samsung, Intel, Microsoft, Roche, Novartis, Toyota, Johnson&Johnson sowie Google.
… mehr als 400 Airbus A380 Jets zum Listenpreis kaufen (428 Millionen Euro) – mehr als das Zweieinhalbfache der bisher überhaupt ausgelieferten Zahl dieser Riesenjets.
… Siemens, Daimler und die Lufthansa kaufen – oder die 14 am niedrigsten bewerteten Dax-Konzerne.
… das Jahresbudget des UN-Kinderhilfswerks Unicef in Höhe von 3,86 Milliarden Dollar (Stand 2013) für die nächsten 45 Jahre vorab begleichen.
… im Haushaltsjahr 2015 die Etats von Bundesarbeits- und Sozialministerin Andrea Nahles (125,5 Millionen Euro) sowie Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen (32,9 Milliarden Euro) zu finanzieren.
… gut die Hälfte des gegenwärtigen griechischen Bruttoschuldenstandes von rund 318 Milliarden Euro auf einen Schlag tilgen.
… der Bundesbank gut eineinhalb Mal ihre komplette Goldreserve im Wert von 105 Milliarden Euro (Stand 11/2014) abkaufen.
Alternativ könnte die Force-Touch-Technik allerdings auch in den Home-Button und nicht ins Display integriert werden. Die Folge: Apple würde seinem iPhone 6s einen völlig neuartigen Home-Button verleihen, der dann auch nicht mehr physikalisch heruntergedrückt wird. Das würde Apple auch mehr Freiheiten beim Design geben, denn mit einem solchen Home-Button wäre eine durchgängige Front für das Smartphone möglich.
Eigentlich kein Gerücht, sondern eine Selbstverständlichkeit: In Sachen Leistung wird Apple ebenfalls wieder etwas drauf legen. „Bislang war es so, dass die iPhone-Modelle von Version zu Version dramatisch besser und schneller wurden“, sagt Apple-Experte Ochsenkühn. Im kommenden iPhone 6s dürfte deshalb der Apple A9 Chipsatz zum Einsatz kommen, der als System-on-a-Chip CPU, GPU und RAM zusammenbringt. Mehr Arbeitsspeicher und eine schnellere CPU erwartet man damit ebenfalls. Deshalb soll das neue Modell auch 2 GB Arbeitsspeicher haben.
Eines zeigen so auch schon die Gerüchte zum neuen iPhone: Sie sind vor allem bodenständig. „Die Entwicklungen auf dem Smartphone sind vorerst weitestgehend ausgereizt“, erklärt Janata. „Die Modelle werden mal größer oder kleiner und immer schneller und besser, aber wirkliche Innovationen hat derzeit niemand – auch nicht Apple.“ Somit wird das iPhone 6s auch keine ungewöhnlich neue Zielgruppe für sich gewinnen: „Das iPhone 6s spricht exakt die gleiche Zielgruppe an wie bisher“, sagt Apple-Experte Ochsenkühn.
Ebenso wenig Überraschungspotenzial bieten die anderen Produkte, die bei der Keynote vermutlich als Upgrade-Version vorgestellt werden - etwa das iPad oder die Apple Watch. Sie werden vielleicht feiner, größer oder kleiner und schneller – aber nicht mehr revolutionär Neues liefern. „Man wird sich so zukünftig auf einem Normallevel bewegen, wie das bei den meisten Unternehmen üblich ist“, schätzt Analyst Janata.
„Aber da muss man fragen, entspricht das Apples eigenem Anspruch und dem, was man von Apple erwartet, und ich glaube das ist es nicht.“ Apple-Experte Cherif sieht das anders: „Der Tim-Cook-Kurs ist mehr Transparenz, soziales Engagement, Umweltschutz und Privatsphäre. Dafür etwas weniger magische Tricks aus dem Zauberhut“. Der fehlende magische Effekt drossele die Erwartungen an das Unternehmen, aber der Kurs sei dadurch viel besser. „Das stärkt wesentlich die Zukunft von Apple“, sagt Cherif.
Die nächste Revolution, die Apple-Beobachter am Horizont sehen, ist derzeit lediglich das mögliche Apple-Auto. Das ist aber noch in sehr weiter Ferne. Die nächste Apfelrevolution lässt also wahrscheinlich noch auf sich warten – außer Apple zaubert doch noch etwas aus dem Hut und weckt noch einmal die Apple-Magie. Ansonsten muss auch das Apple-Universum sich vorerst wohl an das Langsam-Stapeln gewöhnen.