Vorstandschef Oracle-Chef Hurd nimmt Pause wegen Krankheit

Mark Hurd, Oracle Co-Unternehmenschef. Quelle: dpa

Der Silicon-Valley-Softwarekonzern Oracle, einer der größten SAP-Konkurrenten, verliert seinen wichtigsten Top-Manager. Die Aktie sackt ab.

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Wann müssen börsennotierte Unternehmen eine schwere Krankheit ihres Vorstandschefs offenlegen? Das wurde im Silicon Valley vor anderthalb Jahrzehnten heiß debattiert, als es um die Krebserkrankung von Apple-Gründer Steve Jobs ging. Experten waren sich schon damals nicht einig, wann die Interessen der Anleger und der Öffentlichkeit die Privatsphäre des Betroffenen übersteigen. Auch die Regeln der Börsenaufsicht sind nicht eindeutig.

Der Silicon Valley Softwarekonzern Oracle entschied sich am Mittwoch, nicht nur die Beurlaubung seines Co-Unternehmenschefs Mark Hurd aus Krankheitsgründen bekanntzugeben. Sondern zog auch gleich noch die Quartalsergebnisse vor, deren Veröffentlichung eigentlich erst für Donnerstag geplant waren. Damit reagierte es angeblich auf eine Anfrage des Wirtschaftsdienstes Bloomberg bezüglich Gerüchten über die Gesundheit seines Co-CEO.

Der 62-jährige Hurd ist seit September 2010 einer der Topmanager von Oracle und seit fünf Jahren Co-Unternehmenschef gemeinsam mit Safra Catz. Er stieg zu einem der prominentesten Manager der Techbranche auf, als er 2005 den Chefposten bei Hewlett Packard übernahm und den angeschlagenen Konzern durch Übernahmen, aber auch rigorose Kürzungen und Stellenabbau wieder fit machte.

Im August 2010 stolperte er über falsche Spesenabrechnungen, die im Rahmen einer Affäre mit einer freien Mitarbeiterin ans Licht gekommen waren und musste deshalb seinen Rücktritt einreichen.
Überraschend heuerte ihn Oracle-Gründer Larry Ellison, mit dem er regelmäßig Tennis spielte, nur vier Wochen später an, obwohl HP ein wichtiger Konkurrent war. Weil Wettbewerbsklauseln in Kalifornien nicht greifen, gelang der nahtlose Übergang zur nächsten Silicon Valley Ikone.

Bei Oracle, das mit Datenbanken groß wurde, aber inzwischen auch wichtiger Anbieter von Unternehmenssoftware ist, fokussierte sich Hurd in jüngster Zeit vor allem auf den Übergang vom Verkauf von fest beim Kunden installierten Programmen auf cloudbasierte Abo-Software. Lange hatte Oracle das nur halbherzig verfolgt, weil es angeblich erst die technischen Grundlagen dafür legen musste und die Unternehmenskultur wandeln. Im vergangenen Jahr warb Google mit Thomas Kurian einen Oracle-Veteran ab, der nun die Cloud-Sparte des Suchkonzerns führt.

In einer Präsentation vor Journalisten im Mai beschrieb Hurd den Wechsel vom über Jahrzehnte sehr lukrativen Lizenzgeschäft auf Abo-Software in der Cloud gegenüber der WirtschaftsWoche nicht nur als große Chance, um das Wachstum des Konzerns langfristig zu sichern und die Konsolidierung der Branche voranzutreiben, sondern auch um dem langjährigen Wettbewerber SAP ganz gezielt Kunden abzuluchsen. Hurd wollte dafür vor allem die Dominanz bei Unternehmens-Datenbanken nutzen.

Darauf konzentriert sich nun Gründer und Chef-Softwarearchitekt Larry Ellison, der sich mit Co-CEO Catz die Aufgaben von Hurd zunächst teilt. Allerdings haben sich vor allem Amazon und Microsoft als die Platzhirsche im Cloud-Geschäft etabliert und greifen mittlerweile auch Oracles Kernkompetenz bei den Datenbanken an. Vor allem Amazon, das lange Oracle nutzte, setzt auf ein eigenes Produkt und vermarktet das aggressiv. Die reine Oracle-Cloud gilt hingegen als Exot.

Im Sommerquartal, das im Geschäft mit Unternehmenssoftware traditionell schwach ist, stagnierte der Umsatz von Oracle gegenüber dem Vorjahr bei 9,22 Milliarden Dollar. Der Profit fiel um sechs Prozent auf 2,13 Milliarden Dollar. Oracle, das im April 2009 den Computerkonzern Sun Microsystems übernahm, erzielte im Sommerquartal nur neun Prozent seiner Umsätze mit Hardware, ein weiterer Rückgang gegenüber dem Vorjahr.

83 Prozent seines Umsatzes stammen mittlerweile aus Abosoftware und Lizenzen sowie dem Servicegeschäft damit, eine Zunahme von zwei Prozentpunkten gegenüber dem Vorjahr. Allerdings weist Oracle nicht aus, wie hoch der Anteil der reinen Abo-Software und damit verbundenen Dienstleistungen ist. Die Aktie fiel um nachbörslichen Handel um fünf Prozent, vor allem wegen dem vorläufigen Rückzug von Hurd, dessen Dauer derzeit unbestimmt ist. Denn Hurd war der oberste und wichtigste Ansprechpartner von Oracles Top-Kunden, der Chefantreiber der Verkaufstruppe, sozusagen das Gesicht des Konzerns, das jahrelang von Larry Ellison präsentiert wurde. Sein Rückzug in dem derzeit besonders heftig umkämpften und von Umbrüchen geprägten Markt ist ein schwerer Rückschlag für Oracle.

Allerdings gilt Co-CEO Safra Catz als erfahrene Managerin, der auch zugetraut wird, das Unternehmen allein zu führen. Die 57-jährige ist seit zwanzig Jahren bei Oracle. Zudem ist der 75-jährige Firmengründer Larry Ellison, einst der engste Freund von Steve Jobs, eine Instanz im Konzern, ähnlich wie Hasso Plattner bei SAP.

Hurd war in jüngster Zeit kaum noch öffentlich aufgetreten. Auch die Präsentation vor Analysten und Journalisten im Mai, bei der er eigentlich persönlich erscheinen wollte, absolvierte er telefonisch. Sein Rückzug überrascht, vor allem da in der nächsten Woche die „OpenWorld“, Oracles wichtigste Kundenkonferenz in San Francisco stattfindet.

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