VW-Dieselgate Volkswagen steckt im Wirtschaftskrieg

Seit dem Diesel-Skandal steht VW nicht nur in der internationalen Kritik, sondern sieht sich gezielten Angriffen interessierter Dritter ausgesetzt. Der Konzern hat trotzdem die Chance, langfristigen Schaden abzuwenden.

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Martin Winterkorn, Volkswagen Quelle: AP

Die Causa Volkswagen wird international als Blamage für die deutsche Industrie dargestellt. Die Öffentlichkeit zeigt sich schockiert, dass die Manager eines deutschen Musterkonzerns das makellose Bild deutscher Ingenieurskunst und die Strahlwirkung des „Made in Germany“ beschädigt hätten. Hinzu kommen Bedenken, welche finanziellen Auswirkungen nicht nur die juristische Aufarbeitung in den USA haben wird und wie lange es dauern wird, das verlorengegangene Vertrauen zurückzugewinnen.

Doch dieses Bild vermittelt einen falschen Eindruck von der tatsächlichen Lage. Zum einen ist Volkswagen trotz seiner Leistungen und Verdienste nicht mit der deutschen Industrie insgesamt gleichzusetzen, sondern einer von vielen international erfolgreichen deutschen Konzernen. Zum anderen verdient das Fehlverhalten der Volkswagengruppe zwar Kritik und muss zum Nachdenken über Maßnahmen zur Verbesserung der Compliance führen, stellt unserer Auffassung nach aber kein dramatisches Fehlverhalten im Sinne der Gefährdung von Leib und Leben der Verbraucher dar.

Zu den Personen

Richtig ist, dass im vorliegenden Fall die Compliance versagt hat. Richtig ist ebenfalls, dass es in Deutschland an Maßnahmen wie etwa dem Sarbanes-Oxley Act in den USA fehlt, die ein verbessertes Gespür für dieses Thema erzeugen könnten. Der Sarbanes-Oxley Act ist ein Bundesgesetz, das Unternehmen, die den öffentlichen Kapitalmarkt der USA in Anspruch nehmen, zur konsequenten Einhaltung stringenter Vorgaben im Bereich Berichtswesen und Information der Öffentlichkeit verpflichtet. Verstöße gegen diese Pflichten, zum Beispiel durch gezielte Täuschung oder verspätete Information der Anleger, sind sowohl für die Täter als auch für die Unternehmen empfindlich strafbewehrt.

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Richtig ist aber auch, dass kein Konzern und kein Großunternehmen sich jederzeit und zu hundert Prozent gegen Fehlverhalten oder kriminelle Energie seiner Mitarbeiter schützen kann. Hinzu kommt, dass es bei weltweit 200 Rechtsordnungen und harter Konkurrenz immer zu Handlungen in Grauzonen kommen kann und wird. Kein Unternehmen kann sich davon freisprechen – und die Kontrolle eines beliebigen Konzerns könnte zu für die Konzernführung unangenehmen Ergebnissen führen. Es ist daher ungerecht, mit dem Finger auf Volkswagen zu deuten und die Softwaremanipulation zum Auslöser einer nationalen Katastrophe und Kern einer Krise zu machen.

Angesichts der Tatsache dass dies Entscheidern, Konkurrenten, Behörden und Regierungen bekannt ist, dürfte es normalerweise keinen Grund für die aktuelle Aufgeregtheit geben. Solange Volkswagen – wovon anhand der Firmengeschichte und dem Selbstverständnis des Konzerns auszugehen ist – mit den Behörden kooperiert und aktive Aufklärung betreibt, sollte sich der Schaden in Grenzen halten... und eben nicht auf die deutsche Industrie übergreifen.

Erinnerungen an die Lopze-Krise werden wach

Wenn nun tatsächlich von Krise gesprochen wird, dann weil interessierte Akteure dieses Bild aktiv und gezielt am Leben erhalten und aus dem Fallout Nutzen ziehen wollen.  Für ein solches Verhalten gibt es einen Ausdruck: Wirtschaftskrieg.

Um den aktuellen Wirtschaftskrieg zu verstehen und um ihm seine Wirksamkeit zu nehmen, gilt es sich Gedanken darüber zu machen, wer angegriffen wird, welche Mittel zum Einsatz kommen und wem eine vorgebliche Krise nutzt.

Wissenswertes zum Thema Wirtschaftskrieg

Tatsächlich steht Volkswagen nicht zum ersten Mal im Wirtschaftskrieg. Erinnert sei in diesem Zusammenhang insbesondere an die Lopez-Krise der Neunzigerjahre: “Das ist filmreif. Das ist der Kampf zweier großer Automobilfirmen vor dem Hintergrund eines Wirtschaftskrieges. Wir haben ihn nicht angefangen, aber wir werden uns wehren”, sagte Ferdinand Piëch 1993.

Zu diesem Zeitpunkt war Volkswagen in einer Wachstumsphase und näherte sich in Umsatz und Verkaufszahlen bedrohlich dem General-Motors-Konzern – damals die Nr.1 weltweit. Als GM-Spitzenmanager Jose Ignacio Lopez de Arriortua mit seinem Team an die Unternehmensspitze nach Wolfsburg wechselte, reagierte Detroit mit dem Vorwurf der Industriespionage und des Geheimnisverrats. In Folge kam es zu einer für VW schädlichen Medienkampagne und einer Reihe von Prozessen in Deutschland und den USA. Die Auseinandersetzungen gipfelten in direkten Verhandlungen zwischen den Regierungschefs in  Bonn  und Washington, die schlussendlich zu einer Beendigung des Rechtsstreites führten.

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