Wahlkampf im sozialen Netzwerk Jodeln mit Lindner und Wagenknecht

Das soziale Netzwerk Jodel ist bei Studenten beliebt. Um mit Erstwählern ins Gespräch zu kommen, lassen sich Politiker dort vor der Bundestagswahl interviewen. Die Macher versprechen eine ungefilterte Debatte.

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Per App kann man Lindner, Özdemir und Wagenknecht befragen. Quelle: dpa

Soziale Netzwerke sind längst eine der Hauptbühnen dieses Bundestagswahlkampfes. Facebook zeigt die Positionen der Parteien auf verschiedenen Politikfeldern im Newsfeed, auf Youtube interviewen die Stars des Netzwerks Angela Merkel und Martin Schulz. Nun steigt auch Jodel, eines der wenigen relevanten sozialen Netzwerke aus Deutschland, in den Bundestagswahlkampf ein.

Bei der „Jodelwahl“ sollen die Mitglieder der Jodel-Community bis zur Bundestagswahl Politiker aller großen Parteien für jeweils eine Stunde befragen. Den ersten Auftritt soll FDP-Chef Christian Lindner am morgigen Dienstag um 16.30 Uhr in Berlin haben. Später stellen sich auch Sahra Wagenknecht (Linke), Joachim Herrmann (CSU) oder Cem Özdemir (Grüne) den sogenannten Ask-Me-Anythings (AMAs, etwa: Frag mich alles Mögliche) mit den größtenteils jungen Nutzern des Netzwerks. Laut einem Jodel-Sprecher haben auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz zugesagt, derzeit werde ein Termin gesucht.

Jodel behauptet, Deutschlands größte Community mit 18- bis 26-jährigen Wählern zu haben. Das ist schwer nachzuprüfen, weil das Berliner Unternehmen keine Nutzerzahlen veröffentlicht. Doch die App hält sich laut dem Analysedienst App Annie im deutschen Android-App-Store seit Monaten in der Top-15 der am häufigsten heruntergeladenen Social-Media-Apps – hinter globalen Netzwerken wie Facebook, Pinterest, Snapchat oder Instagram, aber auf einem Niveau etwa mit Linkedin. An deutschen Universitäten wird Jodel rege genutzt. Und die Politiker dürften hier viele Jung- und Erstwähler erreichen.

Der Austausch auf Jodel ist anonym und ortsbasiert – man kann nur Beiträge sehen, die in maximal zehn Kilometern Entfernung abgesetzt wurden. Das bedeutet für die Jodelwahl: Man kann den Politikern nur Fragen stellen, wenn man in der gleichen Stadt wie sie ist. Christian Lindner oder Sahra Wagenknecht kann man nur in Berlin Fragen stellen, dem bayerischen Innenminister und CSU-Spitzenkandidaten Joachim Hermann nur in München. Vom 11. bis zum 22. September ist dann jeden Tag eine Partei mit ihren jeweiligen Wahlkreiskandidaten dran, die zwischen 17 und 20 Uhr für jeweils eine Stunde Zeit nehmen Fragen beantworten – während ein AMA in einer Stadt läuft, wird in der App darauf hingewiesen.


Nur spontane Antworten

Jodel verspricht, dass die Fragen nicht vorsortiert werden und die Politiker sich deshalb nicht vorbereiten können. Nur Hasskommentare würden gelöscht. Fragen können von anderen Nutzern hoch- oder heruntergevotet werden. Das bedeutet: Prinzipiell können die Politiker zwar Fragen einfach nicht beantworten. Allerdings sähe es etwas komisch aus, besonders beliebte Fragen penetrant zu ignorieren.

Für Jodel ist die Bundestagswahl-Aktion auch ein Schritt in Richtung Erwachsenwerden: 2014 vom damaligen Aachener Studenten Alessio Borgmeyer gegründet, entwickelte sich Jodel schnell zu einer Community, auf der junge Leute Witze austauschen oder über Vorlesungen meckern.

Inzwischen will sich Jodel aber auch für ältere Nutzergruppen öffnen und zu einem digitalen Marktplatz werden, auf dem man das Stadtgespräch verfolgen kann. Im Juni berichtete das Handelsblatt exklusiv, dass Jodel eine Finanzierungsrunde über sechs Millionen Euro abgeschlossen hat – dabei investierte unter anderem der ehemalige Facebook-CTO und Quora-Gründer Adam di Angelo.

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