Werbe-Streit Youtube macht sauber

Reklame im Umfeld extremistischer Videos hat bei Youtube für Ärger gesorgt. Wichtige Werbekunden drohten mit dem Absprung. Nun ändert das Portal seine Reklame-Regeln. Doch das Problem geht tiefer.

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Die Videoplattform verändert ihre Richtlinien für Werbung. Quelle: dpa

Düsseldorf Ein Blick in den Werbeclip, und alles Unheil der Welt ist vergessen: Glückliche Menschen, durchgestylte Umwelt und strahlende Produkte – am liebsten ohne politische Botschaft. Doch was passiert eigentlich, wenn nach der heilen Werbewelt ein Hassprediger gegen Juden und Homosexuelle hetzt?

Diese Frage musste sich in jüngster Vergangenheit Youtube gefallen lassen. Denn während sich Werbekunden im klassischen Fernsehen weitgehend sicher sein können, in welchem Umfeld ihre Botschaften ausgespielt werden, ist das bei dem Videoportal, das zur Google-Holding Alphabet gehört, etwas anders. Dort werden Werbeplätze werden weitgehend automatisiert über diverse Marktplätze befüllt. Kunden können zwar bestimmte Zielgruppen auswählen, doch manchmal rutschen da auch Videos durch, neben denen keine Marke so gerne gesehen werden möchte.

Und das bemerkten die Nutzer. Ein Bericht der britischen „Times“ hatte die Debatte angestoßen: Die Reklame großer Konzerne lief nämlich nicht nur vor harmlosen Katzenvideos und Lippenstift-Tutorials, sondern auch vor Videos mit antisemitischen und homophoben Inhalten. Unternehmen wie der britische Rundfunksender BBC, die amerikanischen Telekom-Konzerne Verizon und AT&T, der Konsumgüterriese Johnson & Johnson oder die Bank JP Morgan Chase setzen daraufhin ihre Anzeigen aus. Für das Geschäftsmodell der Videoplattform sind derartige Vorfälle gefährlich – und nicht nur die Youtube steht unter Zugzwang.

Das Videoportal hat jetzt reagiert: In einem Blogeintrag kündigt das Unternehmen an, dass zukünftig Ersteller ihren Kanal nicht monetarisieren können, also Werbung einspielen lassen, bis sie nicht eine Schwelle von 10.000 Klicks erreicht haben. Anschließend soll der Kanal auf die Richtlinientreue geprüft werden. Damit geht die Plattform einerseits gegen Piraterie vor, will aber auch Hass- und Gewaltinhalte bekämpfen – und wieder ein sicheres Umfeld für Marken werden.

Im Gespräch mit der „Wirtschaftswoche“ hatte Youtube-Chefin Susan Wojcicki in der vergangenen Woche versprochen, sich des Problems anzunehmen. Sie sei persönlich damit befasst. So habe man Maßnahmen getroffen, um Anzeigenkunden mehr Kontrolle darüber zu geben, wo ihre Werbung zu sehen sei. Es gebe nun zudem mehr Kategorien für Videos, neben denen grundsätzlich keine Werbung angezeigt werden.

Google-Manager Philipp Schindler hatte sich gegenüber der Website „Recode“ ebenfalls zu Wort gemeldet und darauf hin gewiesen, dass nur ein „winziger“ Teil der Anzeigen von dem Problem betroffen gewesen wären. So sei es bei großen Werbekunden um weniger als 0,001 Prozent der ausgespielten Werbeclips gegangen, erklärt der Internetkonzern. Zugleich stünden diese Fälle aktuell sehr stark im Fokus, sagte Schindler: „Das Problem kommt daher, dass jemand es aggressiv auf die erste Seite setzt.“ Ob aufgebauscht oder nicht, derartige Schlagzeilen machen den Konzernen Ärger.

Denn eigentlich sind die Aussichten rosig: Der Kommunikationsdienstleister Zenith Optimedia schätzt, dass die Werbeausgaben im Bereich des mobilen Internets im Zeitraum von 2016 bis 2019 um rund 81,75 Milliarden US-Dollar zulegen werden. Davon profitieren auch große Plattformen wie Youtube oder Facebook, deren Geschäftsmodell auf Werbung beruht. Und die sind auch bei Marken beliebt: Eine Erhebung des Marktforschers Statista von 2016 belegte zum Beispiel, dass rund 85 Prozent der befragten Marketingexperten aus kleinen und mittelständischen Unternehmen in den USA Facebook als effektives Marketingwerkzeug schätzen.

Eine Studie des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in Mannheim stellte zuletzt fest, dass Unternehmen, die Facebook-Nutzer aktiv nach Feedback fragen, innovativer sind. Es ist eine Zweckgemeinschaft zwischen Marken und Plattformen: Man braucht sich.


Ein Warnschuss auch für andere Plattformen

Das kurzzeitige Einfrieren der Werbebudgets auf Youtube ist jedoch ein Warnschuss und dürfte auch andere Plattformen aufhören lassen. Denn Hass und Gewalt sind nicht nur ein Youtube-Problem. Auch das soziale Netzwerk Facebook muss sich mit den derartigen Inhalten rumschlagen. Und auch hier dürften sich die Marken genau anschauen, in welchem Umfeld sie landen.

Fake-News und Hasskommentare sind die Stichwörter, die Markenverantwortliche sauer aufstoßen. Der Kampf dagegen ist nicht nur Idealismus, sondern auch eine Sicherung des Geschäftsmodells. Ab heute läuft beispielsweise testweise ein Aufklärungstool über Falschinformationen für manche Nutzer in den Newsfeed ein. Auch technisch soll sich etwas ändern: So arbeitet das soziale Netzwerk zum Beispiel an einer Verbesserung des Ranking-Systems: Man habe beispielsweise festgestellt, dass manche Artikel wesentlich seltener geteilt werden, nachdem sie gelesen wurden.

Das sei ein Zeichen dafür, dass diese auf irgendeine Weise irreführend sind: „Dieses und weitere Signale werden wir weiterhin untersuchen, um die Verbreitung von Falschmeldungen durch verbessertes Ranking einzudämmen“, heißt es in einer Facebook-Mitteilung. Mithilfe von Künstlicher Intelligenz wolle man zudem die Response-Teams bei der Erkennung von Betrug sowie bei der Durchsetzung der Richtlinien gegen Spam-Konten zu unterstützen.

Außerdem arbeitet das Netzwerk mit externen Partnern zusammen, die Meldungen auf ihren Wahrheitsgehalt hin überprüfen und gegebenenfalls kennzeichnen soll. Zudem unterstützt Facebook mit anderen Tech-Konzernen und Stiftungen die „News Integrity Initiative“, die weltweit die Förderung von Medienkompetenz und Medienvertrauen vorantreiben soll. Zur Ankündigung der Initiative sagte Campbell Brown, Chefin der Medienpartnerschaften bei Facebook, gegenüber dem Handelsblatt: „Wir versuchen informierte Gemeinschaften zu bauen – und ein sicheres Umfeld für Nutzer, Medien, Unternehmen und Werbeagenturen.“

Das es auch in klassischen Werbeumfeldern einmal kritisch werden kann, bewies zuletzt die Kontroverse um den konservativen Fox-News-Moderator Bill O'Reilly. In seiner reichweitenstarken Sendung „The O'Reilly Factor“ kommentiert der 67-Jährige täglich zur Primetime die Nachrichtenlage. Nach einem Bericht der „New York Times“ soll Fox-News Vorwürfe sexueller Belästigung von Mitarbeiterinnen durch O'Reilly durch Zahlung von Millionenbeträgen an fünf Frauen vermeintlich „aus dem Weg geschafft“ haben. Die Frauen verpflichteten sich im Gegenzug zu Stillschweigen über die Anschuldigungen.

Werbekunden fanden das weniger passend – so will der Autobauer Mercedes keine Werbung mehr in der Sendung schalten und teilte mit: „Angesichts der Bedeutung von Frauen in jedem Bereich unseres Geschäfts halten wir es nicht mehr für ein gutes Umfeld, um unsere Produkte zu bewerben.“ Die heile Welt der Werbung, sie ist eben nicht nur im Netz ständig durch die Wirklichkeit bedroht.

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