Werbesprech
Quelle: IMAGO/imagebroker

„Vielen ist nicht klar, dass Werbung ein Hauptverursacher für CO2-Emissionen ist“

Noch vor einem Jahr beschäftigte sich kaum jemand in der Werbung mit Nachhaltigkeit. Das änderte sich in rasender Geschwindigkeit. Ist in der Werbung jetzt „alles grün“? Mitnichten.

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Als vor einem Jahr das britische Fachmagazin „The Drum“ recherchierte, dass eine einzige Ad Impression einen CO2-Ausstoß von 0,1 bis 1,1 Gramm verursacht, traf das die internationale Werbebranche unvorbereitet.

Insbesondere die digitale Werbung, schrieb „The Drum“, verbrauche etwa ein Prozent der weltweiten Energie und zähle somit zu den großen Umweltsündern. Hinzu kommt ein Umstand, den die Werber ignorieren: Ihre Arbeit will erreichen, dass die Menschen mehr konsumieren und kaufen – das genaue Gegenteil dessen, was Umweltschützer predigen. Steter Konsum ist das genaue Gegenteil von Nachhaltigkeit.

Auch das Wirtschaftsmagazin “Brandeins“ schenkte dem Thema breite Aufmerksamkeit: „Unsere digitale Welt ist Schätzungen zufolge für etwa vier Prozent des weltweiten Stromverbrauchs verantwortlich. Beim Anteil an den klimaschädlichen Emissionen reichen die Schätzungen von 1,4 bis 3,9 Prozent. Also womöglich mehr als der Anteil des Flugverkehrs oder der Schifffahrt.“

Tonnenweise Werbe-CO2

Der Umfang der derzeitigen Umweltverschmutzung durch Werbung wird erst klar, wenn man sich das Gesamtvolumen vor Augen führt. Um auf eine Tonne CO2 zu kommen, bedarf es nicht mehr als einer Million Ad Impressions. Auf dieses Niveau bringt es jede mittlere Onlinekampagne, die alleine in Deutschland ausgeliefert wird.

Der Ad-Fraud-Forscher Augustine Fou schätzte im Jahr 2020 die Zahl der weltweit insgesamt programmatisch ein- und verkauften Ad Impressions auf jährlich 500 Billionen. Spätestens jetzt wird einem schwindelig.

Den Verantwortlichen in werbungtreibenden Unternehmen, Agenturen und den Medien war schnell klar, dass sie handeln mussten. Sie brauchten Transparenz. Bereits 2021 entstand der „Green GRP“-Rechner, den die Mediaagentur Mediaplus in Kooperation mit ClimatePartner und neun Medienunternehmen vorstellte. Dieses Tool gibt Auskunft über den CO2-Fußabdruck, den jede Werbekampagne erzeugt.

Schon bei der Kampagnenplanung bietet man Werbekunden die Option, die durch die werblichen Maßnahmen entstehenden CO2-Emissionen auszugleichen. Entscheidet sich ein Kunde dafür, seine Werbekampagnen klimaneutral zu stellen, wird er als Teilnehmer bei ClimatePartner registriert.​ Natürlich kann die reine Kompensation nicht das Ziel sein. Das Ziel muss die Vermeidung von Emissionen sein. Und bislang spielen ohnehin nur wenige Werbekunden mit.

Eine Initiative des Vermarkters Weischer.Media heißt Weischer.Green: Dabei wird der CO2-Ausstoß der Kampagne ermittelt und mit der Buchung von umweltfreundlichen Werbeträgern sowie einer Investition in Klimaprojekte kompensiert. Hier konzentriert man die Bemühungen also bereits auf umweltfreundlichere Medien, zum Beispiel durch Einsatz von Anbietern, die grünen Strom einsetzen.

Ausnahme für die Außenwerbung

Als die Regierung ab September 2022 jedoch eine Verordnung erließ, die Betreiber zwangen, ihre Außenwerbeanlagen von 22 Uhr bis 16 Uhr des Folgetages abzuschalten, schlug die Werbewirtschaft Alarm. Die Verordnung war offenbar in großer Eile verfasst worden, denn ursprünglich war eine Abschaltung bis 6 Uhr früh am Folgetag vorgesehen. Für die Out-of-Home-Branche musste eine Ausnahme geschaffen werden, die es Ströer, Wall & Co weiterhin ermöglichte, Werbeanlagen an Bushaltestellen, Bahnhöfen und Unterführungen auch nach 22 Uhr zu betreiben, um die Sicherheit der Fahrgäste zu gewährleisten. Die meisten Verträge schreiben den Außenwerbeunternehmen explizit vor, hinterleuchtete Citylight-Poster und Screens bis in die Nacht zu betreiben, um Fahrgästen mehr Sicherheit im Wartebereich zu bieten.

Werben & Verkaufen kommentierte: „Doch auch in puncto Strom muss Digital-Out-of-Home (DOOH) sich nicht verstecken: Laut der Green-GRP-Studie der Mediaplus hat DOOH den kleinsten CO2-Footprint aller Werbemedien: Dieser liegt sechs bis acht Mal niedriger als der anderer Bewegtbildmedien und bis zu 300 Mal niedriger als der mancher klassischer Medien.“

Der EU wird es zu bunt

Doch es ist in der Werbung keinesfalls alles grün, wo Klima draufsteht. Inzwischen gibt es kaum eine Marke und Werbekampagne, die nicht behauptet, „grün“ zu sein, die Umwelt zu schonen oder klimaneutral zu sein. Die EU Kommission hat beschlossen einzugreifen und wird das sogenannte „Greenwashing“ stoppen: „Die bevorstehende Novellierung der EU-Verbraucherschutz-Verordnung regelt unter anderem künftig auch das Green-Claiming und wird Pseudo-Öko-Versprechen ausbremsen.“

Die EU will sogar so weit gehen, Aussagen wie „umweltfreundlich“, „umweltschonend“, „öko“, „grün“, „naturfreundlich“, „ökologisch“, „umweltgerecht“, klimafreundlich“, „umweltverträglich“, „CO2-freundlich“, „schadstofffrei“, „CO2-neutral“, „CO2-positiv“, „klimaneutral“, „energieeffizient“ oder „biologisch abbaubar“ zu verbieten. Bis Ende 2023 will die EU-Kommission zudem konkrete Vorgaben für ein einheitliches Nachhaltigkeitslabel entwickeln.

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