




Baby Brown Eye ist zwar noch ein kleines Baby, aber schon der heimliche Boss der Familie. Wenn Mama, Papa oder der große Bruder ein Problem haben, kann Baby Brown Eye es lösen - mithilfe von „Verstärkung“.
Dann klingelt es, vor der Tür steht ein blauer Karton des Konsumgüter-Konzerns Procter & Gamble (P&G). Je nach Episode ist er gefüllt mit einem Rasierer von Gillette, einer Oral-B-Zahnbürste oder Spülmittel von Ariel. Das Baby mit der deutschen Stimme von Bruce Willis ist glücklich.
Auf dem Youtube-Kanal von Procter & Gamble Deutschland finden sich sechs solcher Episoden. Wie P&G werben mehr und mehr Unternehmen bei Youtube mit ihren eigenen Kanälen. Doch wie sie das richtig angehen, wissen offenbar die wenigsten.
„Das lineare TV wird nicht mehr zulegen“
Die Etats für Werbung mit Onlinevideos sind vergleichsweise klein. Die Aufwendungen für Werbung insgesamt betrugen im vergangenen Jahr in Deutschland rund 28 Milliarden Euro. Davon wurden nur zehn Prozent in Online-Werbung investiert – wozu auch gewöhnliche Werbebanner zählen. Die Hälfte ihres Budgets steckten die Werbetreibenden in TV-Werbung.
Dabei dürfte dem Bewegtbild im Internet die Zukunft gehören. „Das lineare TV wird nicht mehr zulegen“, sagt Holger Geißler, der Vorstand des Marktforschungsinstituts YouGov. „Vor allem wenn man Leute unter 30 erreichen will, führt derzeit kein Weg an Youtube vorbei.“
Die Währungen auf Youtube
Views sind die Zentralwährung auf Youtube. Sie zeigen an, wie oft ein Video angeschaut wurde. Der Rekord liegt bei über zwei Milliarden Views – erreicht hat ihn Psy mit seinem Video „Gangnam Style“.
Wer einen Youtube-Kanal dauerhaft verfolgen will, hat die Möglichkeit, ihn zu abonnieren. So kriegt er ständig Hinweise darauf, wann der Betreiber des abonnierten Kanals ein neues Video hochgeladen hat.
Youtube-Nutzer haben die Möglichkeit, Videos zu kommentieren. Gerade für Werbetreibende ist das interessant, da sie daran erkennen können, ob das Video nur angeschaut wurde oder eine Interaktion stattgefunden hat. Seit 2013 kann aber nur noch kommentieren, wer einen Google + Account hat.
Wem ein Video gefällt, kann dies zeigen, indem er es „liked“. Im Gegensatz zu Facebook gibt es auch einen Dislike-Button. Für Werbetreibende bringt das einen großen Vorteil: Sie können Werbung gezielt an Menschen schicken, denen bestimmte Videos gefallen haben.
Selbst bei den älteren Zielgruppen wird Youtube immer beliebter, weiß Stefanie Paluch, Professorin für Dienstleistungs- und Technologiemarketing an der RWTH Aachen. „Mittlerweile nutzen viele Menschen Youtube, um sich über Produkte zu informieren. Das wird sich stärker in Richtung der Älteren verschieben.“
Bis 2017 sollen Videos für 69 Prozent des gesamten Internet-Traffics verantwortlich sein, heißt es in einer Studie von Cisco. Mit Wachstumsraten von 13,2 Prozent im Jahr sind Online-Videos der am schnellsten wachsende Bereich im Internet.
Von dieser Entwicklung profitiert Youtube. Innerhalb von zehn Jahren stieg die Videoplattform zur drittbeliebtesten Website der Welt auf - und zur zweitbeliebtesten Suchmaschine nach Google. Eine Milliarde Menschen besuchen die Plattform monatlich und laden über 300 Stunden Videomaterial pro Minute hoch.
Der unangefochtene Marktführer im Video-Bereich bietet somit große Möglichkeiten als Werbeplattform für Unternehmen. Aber viele Firmen tun sich damit noch immer schwer.
Supergeile Unternehmenswerbung
Wie man diese Möglichkeiten nutzt, zeigte im vergangenen Jahr auch der Supermarkt Edeka. Der „Supergeil“-Clip mit Friedrich Liechtenstein wurde zum viralen Hit und tausendfach über Facebook und Twitter geteilt; er lief sogar im Fernsehen – nicht als Werbung, sondern als Phänomen, das von verschiedenen TV-Magazinen aufgegriffen wurde. Mittlerweile hat der Clip 13 Millionen Abrufe gesammelt.
Für Edeka hat sich das Werbevideo gelohnt. „Die Marke hatte ein etwas angestaubtes Image“, sagt Professorin Paluch. „Durch die humorvolle Darstellung erreicht Edeka vermehrt jüngere Zielgruppen.“ Das zeige sich an den Kommentaren.
11.000 von ihnen befinden sich unter dem Video. „Die Nutzer beschäftigen sich freiwillig in ihrer Freizeit mit dem Video“, sagt Paluch. Auch aus den Facebook-Timelines war das Video wochenlang nicht wegzudenken.
Der Zuschauer übernimmt die Verbreitung
"Earned Media" nennen Werber den Effekt: Die Nutzer teilen die Werbung freiwillig – für den Werbetreibenden entsteht kein Aufwand. „Edeka hatte die Produktionskosten – die Verbreitung des Clips gab es quasi umsonst“, sagt Markenexperte Geißler. Eine solche Reichweite wäre im klassischen TV mit einer Clip-Länge von über drei Minuten unbezahlbar.
Zehn Jahre Youtube - Die wichtigsten Fakten
Seit 10 Jahren gibt es Youtube. Mitte Februar 2005 registrierten die Gründer Chad Hurley und Steve Chen die Webseite Youtube.com und legten so den Grundstein für das Video-Imperium.
Jede Minute werden rund 300 Stunden Videomaterial auf Youtube hochgeladen.
Mehr als eine Milliarde Nutzer besuchen die Plattform jeden Monat.
Das meistgeklickte Video im vergangenen Jahr zeigt einen als Spinne verkleideten Hund, der Passanten erschreckt.
Unter den größten Youtube-Hits ist das Video „Charlie bit my finger“, in dem der kleine Charlie seinem Bruder in den Finger beißt. Das Video, das weniger als eine Minute lang ist, wurde mehr als 800 Millionen Mal angesehen.
Das meistgesehene Youtube-Video aller Zeiten ist „Gangnam Style“ von Psy. Youtube musste seinen Zähler überarbeiten, um die mehr als zwei Milliarden Aufrufe korrekt anzuzeigen.
Bei deutschen Jugendlichen zählt Youtube zu den beliebtesten Webseiten. Gefragt, welches Internet-Angebot sie derzeit besonders gut fänden, nannten 30 Prozent der Jugendlichen Youtube. Auf Platz zwei folgt Facebook mit 23 Prozent.
Facebook macht Youtube zunehmend Konkurrenz. Immer mehr Menschen schauen Videos auf Facebook, und das Online-Netzwerk ermutigt die Nutzer, ihre Clips direkt hochzuladen und nicht von anderen Seiten aus zu verlinken. Mit 1,3 Milliarden Facebook-Nutzern könnte so eine wachsende Zahl an Videos nicht mehr über Youtube im Netz landen.
Polizei und Behörden wollen immer wieder Videos von Youtube entfernen lassen. In der zweiten Jahreshälfte 2013 löschte Youtube 973 Inhalten, davon 735 aus juristischen Gründen und 238, die gegen die Unternehmens-eigenen Richtlinien verstießen.
Was Edeka erkannt hat: Youtube bietet neue Erzählmöglichkeiten. „Daher spielt Youtube eine wichtige Rolle in unserem Kommunikationsmix“, sagt Rolf Lange, Leiter der Unternehmenskommunikation von Edeka.
Mit dieser Einsicht gehört die Supermarktkette in Deutschland allerdings noch immer zu einer Minderheit. Nicht einmal vier von zehn Unternehmen in Deutschland haben einen eigenen Youtube-Kanal. Zum Vergleich: Eine eigene Facebook-Seite haben 99 Prozent der deutschen Unternehmen.
Und denjenigen, die Youtube-Kanäle betreiben, fehlt es offenbar an grundlegendem Wissen über die Videoplattform und ihre Möglichkeiten.