Werner knallhart

"Meine TUI" schlampt online mit Kundendaten

Dokumente fehlen, die Hotline erzählt Quatsch und der Knaller: Daten fremder Kunden im eigenen Kunden-Online-Konto! Meine Rundum-sorglos-Pauschalreise war schon ein Abenteuer, bevor sie losging.

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Welche Länder die Deutschen lieben und welche sie meiden
KanadaKanada steht auf Platz vier der Länder, in denen die Deutschen gerne auf Dauer wohnen würden. Länder auf den Plätzen darunter sind: Spanien, Dänemark, Neuseeland, USA, Australien und Italien.Quelle: SPLENDID RESEARCH GmbH Quelle: dpa
SchwedenDas Königreich Schweden mit seinen Wäldern und Elchen ist nicht nur das drittliebste Land als Wohnort, sondern auch das viertbeliebteste Land, um Urlaub zu machen, und steht in der Sympathie der Deutschen gar auf Platz eins. Quelle: dpa
SchweizDas Land der Gipfel und Höhen liegt auf Platz zwei der Länder als Wohnort. Quelle: dpa
ÖsterreichDas Geburtsland des Schriftstellers Thomas Bernhard ist nicht nur der beliebteste Ort, an dem die Deutschen im Ausland leben würden, sondern zugleich auch auf Platz vier der Urlaubsländer. Quelle: REUTERS
ItalienDie vom Mittelmeer umgebende Halbinsel hat es auf Platz zwei der beliebtesten Urlaubsziele geschafft. Weitere Urlaubsländer mit abfallender Beliebtheit sind Schweden, das erwähnte Österreich, Kanada, Neuseeland, Australien, Irland, Dänemark und Frankreich. Quelle: dpa
SpanienPablo Picassos Geburtsland ist das beliebteste Urlaubsland der Deutschen. Quelle: dpa
NeuseelandBei der Sympathie für die Länder der Welt liegt Neuseeland auf Platz vier. In dem artenreichen Inselstaat trifft man auf Pinguine im Wald. Andere Sympathie-Länder mit absteigender Beliebtheit sind: Dänemark, Österreich, Spanien, Italien, Schweiz und Irland. Quelle: obs

Ich hatte eigentlich viele gute Gründe, nie mehr im Leben eine Pauschalreise zu buchen. Der wichtigste: Ich halte mich für einen Individualisten. Nicht im arroganten Sinne, sondern ich neige schnell zu einer Art Gruppen-Koller. Im Rudel mit lauter Fremden mit Daunenwesten unterm Arm am Urlaubsort auf dem vor Hitze flirrenden Parkplatz vorm Flughafen in den heißen Abgasen der Shuttle-Busse herumzulungern, bis der persönliche Ansprechpartner mit dem hellblauen TUI-Hefter wedelt.

Beim kunterbunten und quietschsüßen Welcome-Drink in der Hotel-Lobby die Info-Zettel mit den Sicherheits-Hinweisen zugesteckt zu bekommen (zum Beispiel: nicht an geschlossene Glastüren laufen. Wirklich! Davor warnt zum Beispiel TUI in den Dokumenten für Ibiza. Weil Glas im Ausland ja so durchsichtig ist). Beim Hotel-Dinner immer erst nach den Individualreisenden mit Halbpension die Getränke serviert zu bekommen, weil All-inklusive-Pauschal-Gäste beim Hotelpersonal als Trinkgeld-Geizhälse gelten. Ich komme mir da blöd vor.

Und trotzdem habe ich es wieder getan. Ich habe pauschal gebucht. Das erste Mal seit bestimmt 15 Jahren. Ganz spontan für fünf Tage Ibiza. Lange frühstücken, schnorcheln, mit einem kleinen Motorboot die Buchten abklappern und viel Tapas und Aioli. Herrlich!

Weil die Flugzeiten und Hotel wirklich optimal waren, haben wir über TUI gebucht. Wir hätten zwar alles zum ähnlichen Preis auch einzeln über die Fluggesellschaft und das Hotel-Portal buchen können, aber bei TUI ist der Zug zum Flug mit drin und das hat die Pauschal-Reise am Ende für alle zusammen rund 200 Euro billiger gemacht.

Einziger Unterschied in der Abwicklung der Reise: Die Reiseunterlagen sollten uns über das Online-Portal „Meine TUI“ bereitgestellt werden, statt jeweils die Buchungsbestätigungen von Airline und Hotel per Mail zu erhalten. Bei meiner letzten Pauschalreise kamen die Unterlagen noch in einem dicken Briefumschlag per Post.

Vielleicht hätte man es bei TUI vorerst dabei belassen sollen, denn das Online-Portal „Meine TUI“ ist noch ein Grund mehr, auf die Buchung von Pauschalreisen zu verzichten. Die Kunden-Daten sind dort offenbar nicht in professionellen Händen.

Schon wenige Minuten nach der Buchung ging es los mit dem Theater. Während man etwa bei Amazon oder Booking.com wenige Sekunden nach der Bestellung beziehungsweise Buchung bereits eine E-Mail mit der Bestätigung bekommt, muss man bei TUI Minuten lang darauf warten. Okay, das ist ungewohnt, aber zumutbar, zumal man online nach der Buchung vorgewarnt wird.

Dann kam sie: die Buchungs-Mail. Zu meiner Überraschung aber ganz ohne Reisedokumente. Stattdessen mit einem Link zu „Meine TUI“, dem Kunden-Portal. Dort sollten angeblich alle meine Unterlagen hinterlegt sein. Das Blöde: Dafür musste ich vorher erst einen Account anlegen. Wieder ein Passwort mehr, das ich sofort wieder vergessen würde.

Ich öffnete meinen Account: TUI überschlug sich mit hübschen Bildern, netten Zusatz-Angeboten und der Wettervorhersage für Ibiza. Aber wo waren die Dokumente? Was hätten wir etwa dem Zugchef im ICE vorlegen sollen außer Fotos von Palmen? Mein Account hatte keine Unterlagen für mich parat. Unter der Kategorie „Reiseunterlagen“ gab es nur weitere Reiter: noch einen mit Namen Reiseunterlagen, einen mit Reise ABC und eine Checkliste. Unter erstem dann Auf einen Blick, Unterkunft und mehr. Ein Gewirr an Menü-Unterpunkten, aber keine Dokumente.

Was für eine Datenschutz-Schlamperei!

Ich rief die Hotline an. Die Dame wusste sofort, wer schuld war: ich. Denn die Dokumente gäbe es ja nur in der Desktop-Variante. Ich solle meinen Laptop verwenden, nicht mein Smartphone. Ich Dummkopf! Bei TUI musste man natürlich einen Park von Elektronik um sich herum scharen, um verreisen zu können. Ich bedankte mich für den Tipp, verabschiedete mich und nach mehreren Versuchen fiel mir auf dem Laptop sogar das Passwort wieder ein. Ha! Danke, Gehirn. Aber auch die Version meines Accounts auf dem Laptop war leer.

Ich rief die Hotline an. Eine andere Dame sagte mir, ich sei zu früh. So schnell werden die Dokumente ja gar nicht angezeigt. Ich müsse mich - Achtung - wieder ausloggen und wieder einloggen und dann mal gucken. Hui, wie damals, als das mit dem Internet noch ganz neu war.

Ich tat wie mir geheißen, das Passwort hatte sich mein Laptop für mich gemerkt. Und siehe da: Da waren die Dokumente ja auch schon. Ich bedankte mich, legte auf und klickte mich durch die Buchungen. Auch auf meinem Smartphone waren jetzt alle Dokumente zu finden. Es ging also doch und hatte nichts mit Handy/Desktop zu tun. Hotline-Frau Nummer 1, Sie sind mir vielleicht eine!

Wie die Deutschen Urlaub buchen

Aber was war das? Neben meiner Buchung aus dem August 2017 war da noch eine Buchung. Eine von 2014. In meinem gerade vor einer halben Stunde angelegten Account.

Hä? Was soll ich da gebucht haben? Eine Reise-Rücktritts-Versicherung. Mooooment! Das wollte ich jetzt genauer wissen. AHA! Dachte ich es mir doch. Nicht ich, Marcus Werner, hatte die Versicherung abgeschlossen, sondern ein anderer M. Werner. Bei TUI werden die Daten von Kunden ähnlicher Namen offenbar pauschal verbucht.

Mit vollem Namen stand er da, zusammen mit einer Dame, deren Vor- und Nachname ebenfalls zu lesen war. Samt Versicherungszeitraum 2014, der wegen seiner Kürze wohl identisch mit dem Urlaubszeitraum war. Unfassbar! TUI vermischt private Daten ihrer Kunden und stellt sie anderen Kunden zur Verfügung. Was für eine Datenschutz-Schlamperei! Mit ein paar gekonnten Google-Handgriffen und ein bisschen Facebook-Recherche könnte ich jetzt womöglich herausfinden, wer hier mit wem wann im Urlaub war. Wahrscheinlich wäre das dem anderen Herrn Werner ganz und gar nicht recht. Und wer weiß, wie vielen Leuten mit Namen Werner TUI bereitwillig nun meine höchst privaten Urlaubsdaten in deren Account abgelegt hat?

Einer der größten Reiseveranstalter hat offenbar ein Datenschutz-Problem. So gesehen ist „Meine TUI“ eigentlich „Unsere TUI“. Jetzt, da ich das hier gerade schreibe, wird mir klar: Ich sollte meinen Account schnell wieder löschen. Ich bin eben Individualist. Ich teile weder sonderlich gerne meine Reise mit Fremden, noch meine Reise-Daten.

Zumindest hoffe ich, Herr Werner und seine Begleiterin hatten damals 2014 exakt 14 schöne Urlaubstage. Und weniger Heckmeck mit ihrem Account. Und TUI, bitte mal dringend pauschal Ihr Internet durchchecken.

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