Werner knallhart

Service im Apple Store: Überfreundliche Überforderung

Apple-Produkte sind teuer. Und die Premium-Versicherung „Apple Care+“ kostet nochmal ordentlich extra. Wer die bezahlten Vorteile im Schadensfall aber nutzen möchte, fängt im Apple Store vor Frust an zu weinen.

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Ohne Termin hin, mit ruinierter Laune wieder raus: Das Apple-Store-Syndrom. Quelle: dpa

Die europäischen Kunden von Volkswagen gucken ja ganz neidisch in die USA, wo VW ordentlich was springen lässt, um die Betrügereien wieder gutzumachen: tausende von Dollar - pro Kunde. In Europa kann man schon froh sein, wenn VW einem kostenlos eine neue Software in die Dreckschleuder aufspielt.

Aber amerikanische Firmen machen es mitunter ähnlich. Ein Kollege aus L.A., der mittlerweile in Berlin lebt, sagt: „Bei der Service, die Apple in den USA bietet und die in der Berliner Apple Store, ich habe das Gefühl, dass Apple hier und in Amerika sind zwei unterschiedliche Companys.“

Und ich wundere mich nicht. In Amerika bekommt man seinen Supermarkt-Einkauf kostenlos, wenn der Kassierer nicht „Guten Morgen“ sagt. Ich kann keinem Amerikaner raten, den Berliner Apple Store zu betreten. Es droht Herzinfarkt.

Das sind die größten Meilensteine des IT-Giganten
Steve Jobs (rechts) und Steve Wozniak Quelle: dpa
Apple II Quelle: AP
Jobs Quelle: AP
1982 - 19841982 holt Jobs den deutschen Designer Hartmut Esslinger und sein Team nach Kalifornien, um das Aussehen der Apple Computer neu zu definieren. Der Apple Macintosh von 1984 ist seitdem ein Stück Designgeschichte. Quelle: dpa
1985Krise bei Apple. Jobs sucht den Machtkampf mit CEO John Sculley, der in Jobs Rauswurf endet. Quelle: dpa
1991: der erste LaptopApple bringt seinen ersten erfolgreichen Laptop auf den Markt, das PowerBook 100. Quelle: AP
PDA Apple Newton Quelle: dpa

Der Apple Store ist die Achilles-Ferse des Apple-Auftritts. Oder besser: Der Apple Store ist der Arsch, mit dem Apple alles wieder einreißt, was der Konzern vorher mit Hochglanz-Marketing aufgebaut hat. Konkretes Beispiel (und leider trifft es mal wieder mich):

Mein iPhone geht seit einigen Wochen ohne Vorwarnung aus. Selbst bei sattem Akkustand. Und das Telefon lässt sich erst wieder aktivieren, wenn man es für rund drei Sekunden an das Ladegerät hängt. Apple sei dieses Problem bekannt, hat mir Tobias vom Apple Support Team im Online-Chat verraten. Und empfahl mir einen Express-Austausch.

Sie müssen wissen: Ich habe mir beim Kauf des iPhones zusätzlich Apple Care+ geleistet. Eine zweijährige Zusatzversicherung für 149 Euro. Warum?

Die Evolution des iPhones

In Deutschland haben Kunden gemäß BGB für zwei Jahre ab dem Lieferdatum Anspruch auf eine kostenlose Reparatur, einen Ersatz oder eine Rückerstattung durch den Verkäufer für Produkte, die zum Zeitpunkt der Lieferung nicht dem Kaufvertrag entsprechen. Richtig. Aber man könnte sagen: Dank Apple Care + gibt es zwei Jahre lang keine Diskussionen. Zumindest nicht beim Express-Austausch durch einen Boten: Der Lieferservice bringt ein neues Telefon und nimmt das kaputte mit. Fertig.

Das Dumme ist nur: Der Bote kommt nicht zu einem bestimmten Zeitpunkt. Sie kennen das Spiel. Und wer nicht die Gelegenheit hat, stundenlang an einem Ort zu warten, der ist aufgeschmissen. Deshalb kam ich auf die Idee: Ich gehe am Ku´damm schnell in den Apple Store und wickele dort alles ab: altes Handy weg, neues her. Fertig. Das dürfte drei Minuten dauern.

Aber Achtung. Der Apple Store ist eben der Apple Store. Die Regeln und Hierarchien dort stammen aus Cupertino, USA. Und man hat den Eindruck, die emsigen Headset-Verkäufer mit Tablet würden sich eher in die Spree stürzen, als eine eigene kulante Entscheidung außerhalb der Vorschriften zu treffen.

Wer bei Apple die Fäden zieht
Apple-Legenden Quelle: AP
Tim CookDer Manager ist seit 1998 im Konzern und übernahm 2011 die Zügel von Gründer Steve Jobs, der nur wenige Wochen später verstarb. Der Sohn eines Werftarbeiters arbeitete zunächst bei IBM und Compaq. Beim iPhone-Konzern brauchte er lange, um aus dem Schatten von Übervater Jobs hervorzutreten. Unter anderem wurde ihm vorgeworfen, keine neuen Produktinnovationen an den Start gebracht zu haben. Darauf reagierte er unter anderem mit der Einführung der Apple Watch. 2014 outete er sich als erster Chef eines amerikanischen Großkonzerns als homosexuell. Quelle: dpa
Jonathan IveDer Brite hat als Chefdesigner einen der einflussreichsten Posten im Konzern. Seit 1992 arbeitet er für Apple. Sein erstes großes Projekt war der iMac, dessen Formsprache Apple-Produkte wie das iPhone oder das iPad bis heute beeinflusst. Im Mai 2015 übernahm er den neu geschaffenen Posten als Designvorstand. Ive ist ein großer Bewunderer des Braun-Designers Dieter Rams. Quelle: REUTERS
Luca MaestriDer Italiener ist seit 2013 im Vorstand von Apple für die Finanzen zuständig. Zuvor sammelte er zahlreiche internationale Erfahrung, unter anderem bei General Motors, Nokia, Siemens Networks und Xerox. Quelle: PR
Jeff WilliamsWilliams ist seit 1998 im Konzern und seit Dezember 2015 Chief Operating Officer. Zuvor arbeitete er 13 Jahre lang für den Computerriesen IBM. Er spielte zunächst eine wichtige Rolle beim Einstieg des Konzerns in den Smartphone-Markt und leitete später die Entwicklung der Apple Watch. Quelle: dpa
Eddy CueEddy Cue ist ein echtes Apple-Urgestein. Der studierte Informatiker arbeitet seit 1989 für den Konzern. Er trieb zunächst den Aufbau des Online-Geschäfts von Apple voran und war später auch für den iTunes-Store und den App Store verantwortlich. Als Senior Vice President für Internet-Software und Dienstleistungen unterstehen ihm heute alle Online-Marktplätze. 2014 wurde er für seine Verdienste um die Entwicklung der Medienbranche mit dem „Spirit of Live“-Preis ausgezeichnet. Quelle: REUTERS
Craig FederighiDer Manager ist studierter Informatiker und Elektroingenieur. 1996 lernte er beim Computerhersteller Next den Apple-Gründer Steve Jobs kennen. Nach drei Jahren beim IT-Unternehmen Ariba kehrte er 2009 zu Apple zurück. Er leitet die Entwicklung der Betriebssysteme iOS und macOS. Das für Apple charakteristisch gewordene minimalistische Design geht auch auf sein Konto. Quelle: AP

Die erste Verkäuferin erkundigte sich: „Haben Sie einen Termin?“

Zur Info: Termine braucht man immer dann, wenn man Service will. Geld da lassen kann man immer.

Ich antwortete: „Nein, es waren die ganze Woche über keine Termine mehr online verfügbar.“

Sie schickte mich in die Reihe mit den Kunden ohne Termin. Vorne angekommen stellte der Verkäufer mit Headset fest: „Ohne Termin gibt es folgende Optionen. Erstens Express-Austausch per Bote.“

„Nein, danke.“

„Zweitens: Du kommst an einem anderen Tag mit Termin wieder und schaust immer mal wieder online, wann ein Termin frei wird.“

Das Apple-Store-Syndrom

Keiner kann den Spieß so schön rumdrehen, wie ein Apple-Store-Verkäufer. Du kommst als stolzer Kunde und wirst zum gedemütigten Bittsteller: „Aber ich habe Apple Care +, mein Telefon ist jetzt kaputt, ich will gerne jetzt den Umtausch erledigen.“

„Dann gibt es Option drei: Ich setze sich auf die Warteliste. Das dauert dann rund drei Stunden.“ Er strich auf dem iPad umher.

„Wie bitte? Und ich soll drei Stunden um den Block laufen?“

„Du bekommst ja eine SMS, wenn du dran bist.“

„Ich kann keine drei Stunden hier in der Gegend bleiben. Himmel, das von euch hergestellte Telefon ist kaputt. Selbst bei Saturn geht es schneller mit einem Umtausch.“

Ein Wort ergab das andere. Und dann brach sie aus ihm heraus: die von Android-Fans so verhasste Apple-Arroganz. Er sagte wortwörtlich:

„Diese Diskussion bringt mir nichts.“

Mir fiel Kinnlade so tief herab, dass die Kiefergelenke knackten. Ich deutete mit beiden Zeigefingern auf meine Brust und presste leise hervor: „Aber der Kunde bin doch ich.“

Was Tim Cook bei Apple bewegt hat
Am 24. August 2011 beugte sich Steve Jobs dem Unausweichlichen. Der todkranke Apple-Mitgründer gab nach jahrelangem Kampf gegen den Krebs schließlich den Posten des Firmenchefs ab. Jobs wechselte noch an die Spitze des Verwaltungsrates und versprach, für das Unternehmen dazu sein – doch es dauerte keine eineinhalb Monate mehr, bis er am 5. Oktober starb. Quelle: AP
Sein Lebenswerk legte er in die Hand von Tim Cook, der ihn schon zuvor bei Krankheits-Abwesenheiten vertrat und als Zuständiger für das operative Geschäft das Unternehmen in- und auswendig kannte. Die Planke hätte für den damals 50-Jährigen Cook kaum höher liegen können. Jobs hatte mit einer Erfolgsserie aus iMac, iPod, iPhone und iPad ganze Branchen umgepflügt und unter anderem den Smartphone-Boom in Gang gebracht. Viele Marktbeobachter stellten in Frage, dass Cook, der vor allem als Optimierer von Apples Produktionskette bekannt war, diesem Erbe gewachsen ist. Lesen Sie hier die Analyse zu den aktuellen Problemen des Konzerns. Quelle: dpa
Fünf Jahre später sitzt Apple auf einem Geldberg von gut 230 Milliarden Dollar und hat gerade das milliardste iPhone verkauft. Zwischendurch fuhr der Konzern im vergangenen Weihnachtsgeschäft mit 18,4 Milliarden Dollar den höchsten Quartalsgewinn der Geschichte ein. Zugleich wurde das iPhone zum wichtigsten Apple-Produkt und brachte zeitweise mehr als zwei Drittel des Konzerngeschäfts ein. Und als in diesem Jahr die Anziehungskraft der iPhones nachließ, bedeutete das auch einen spürbaren Rückgang für das gesamte Apple-Geschäft. Quelle: dpa
Cook gab sich in einem jüngsten Interview mit der „Washington Post“ trotzig: „Ja, für uns geht es dieses Jahr etwas runter. Es geht nicht jedes Jahr nach oben, wissen Sie.“ Auch wenn das weltweite Smartphone-Geschäft derzeit schwächele, sei es auf lange Sicht „der beste Markt der Welt“, weil schließlich jeder eins haben werde. Quelle: dpa
In Cooks Amtszeit stieß Apple bisher in eine neue Produktkategorie vor. Die im April 2015 gestartete Apple Watch eroberte zwar aus dem Stand die Marktführung bei Computer-Uhren. Doch Verbraucher zögern noch. Der Konzern veröffentlicht immer noch keine Zahlen, aber nach Einschätzung von Marktforschern verkaufte Apple im Start-Quartal noch 3,6 Millionen seiner Uhren, inzwischen sollen es um die eineinhalb Millionen pro Vierteljahr sein. Auch das wäre noch ein gutes Geschäft – aber nicht unbedingt die steile Erfolgskurve, die viele von Apple bei einem neuen Produkt erwarten. Quelle: dpa
Cook stellt weiterhin mehr in Aussicht. „Wir haben die Ausgaben für Forschung und Entwicklung hochgefahren, weil wir massiv in die Zukunft investieren – sowohl in heutige Produktlinien als auch in Dinge, die heute noch nicht sichtbar sind, unter anderem im Diensteangebot.“ Die Tech-Welt hat sich in den fünf Jahren massiv verändert. Heute spielen künstliche Intelligenz und selbstlernende Maschinen eine zentrale Rolle. Und nicht nur Google arbeitet daran, sie in den Alltag zu bringen, sondern auch Facebook und Amazon: Eines der erfolgreichsten Produkte des weltgrößten Online-Händlers in den USA ist der vernetzte Lautsprecher Echo, mit dem sich Nutzer unterhalten können. Virtuelle Realität steht vor dem Sprung in den Massenmarkt, und die gesamte Autobranche wird von der Digitalisierung umgekrempelt. Quelle: AP
Cooks Job ist es, den Platz von Apple in dieser neuen Welt zu sichern. Er kaufte in der bisher größten Übernahme des Konzerns für drei Milliarden Dollar den Kopfhörer-Anbieter Beats, um schneller ins Geschäft mit Musik-Streaming aus dem Netz zu kommen. Er betont die Anstrengungen des Konzerns bei künstlicher Intelligenz, angefangen mit der Sprachassistentin Siri. Er investierte eine Milliarde Dollar in den chinesischen Fahrdienst-Vermittler Didi Chuxing – und seit über einem Jahr gibt es Berichte, Apple baue ein Auto. Quelle: dpa

Der Headset-Bengel verwies mich an seine Managerin. Ich sollte beiseite treten und warten. Ich dachte: Geht der Toaster kaputt, dann isst man halt eine Weile Müsli. Aber geht das Telefon kaputt, ist man ab sofort von der Außenwelt abgeschnitten. Ein paar Tage ohne funktionierendes Handy ist wie ein paar Tage ohne Schuhe. Beides treibt einen in die Isolation. Dass das im Apple Store keiner einpreist...

Die Managerin war von einer professionell charmanten Freundlichkeit und Aufrichtigkeit, die mich aufblühen ließ: Sie war ein ganz normaler Mensch! Nachdem ich ihr mein Leid geklagt hatte, klagte sie mir ihres:

„Wir müssen in diesem Store halb Osteuropa mit abdecken. Wir sind einfach zu wenig Leute. Guck dich um.“

„Und die in der Apple-Zentrale lassen euch zappeln?“

Sie zuckte lächelnd mit den Schultern: „Wenn du dringend bedient werden willst, dann empfehle ich dir: Geh zu Gravis. Allerdings bekommst du da kein Ersatzgerät.“

Boa! Ein sympathisch ehrlicher Offenbarungs-Eid. Willst du schnellen Service für deine 149-Euro-Versicherung, dann geh schnell zur Tür raus und in einen anderen Laden.

„Ihr von Apple müsst echt aufpassen. Die Stimmung kippt doch gerade. Keine durchschlagenden Innovationen mehr beim iPhone. Da kommt nichts nach, Apple wird uncool. Das ist schon überall Thema. Irgendwann seid ihr nur noch teuer. Dazu passt doch null die Überheblichkeit aus Kalifornien, die Kunden hier so abzuspeisen.“

Sie lächelte und nickte: „Schreib es auf, schick es an Apple, wenn das genügend Leute tun, ändert sich vielleicht ja mal was.“

Das mit dem Aufschreiben war eine gute Idee. Fast hätte ich mich verliebt. Früher nannte man sowas das Stockholm-Syndrom. Aber dann fiel mir ein: Mein iPhone war immer noch kaputt. Und die Liebe war schon dahin. Ohne Termin hin, mit ruinierter Laune wieder raus. Das Apple-Store-Syndrom. Dank Apple Care +.

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