WhatsApp-, Facebook- & Instagram-Störung Wie desaströs kann es für Mark Zuckerberg noch werden?

Die Woche beginnt für Facebook-Gründer Mark Zuckerberg lausig. Quelle: REUTERS

Es ist der Traum vieler Facebook-Kritiker: Das soziale Netzwerk verschwindet aus dem Internet. Am Montag wurde er wahr. Es ist nicht das einzige Problem des Giganten.

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Die Woche beginnt für Facebook-Gründer Mark Zuckerberg lausig. Am Sonntagabend strahlt der US-Fernsehsender CBS ein Interview mit der Whistleblowerin Frances Haugen aus. Die 37-jährige Managerin hat zwei Jahre für das soziale Netzwerk gearbeitet, war für dessen „gesellschaftliche Integrität“ mitverantwortlich. Die, so klagt sie an, hat Facebook längst verloren, wenn es sie je gab.

Weil sie die oft versprochene Veränderung von innen für Lippenbekenntnisse hält und damit man ihr auch glaubt, sammelt sie Tausende interne Dokumente. Mit diesen wendet sie sich im September an die US-Börsenaufsicht SEC und stattet auch das Wall Street Journal aus.

Sie sollen unter anderem belegen, dass Dienste wie Instagram nicht nur die mentale Gesundheit von Teenagern gefährden, sondern dass Facebook auch trotz seiner selbst erklärten Mission die Welt stärker zusammenbringen, diese spaltet. Und sich dessen bewusst ist. Weil provokante Inhalte besser laufen, Reaktionen nach sich ziehen und dieser Schaum vor Mund die Werbedollars sprudeln lässt. Laut Haugen ist das Facebook auch klar, doch „es stellt stets seine eigenen Interessen voran, um möglichst viel Geld zu machen.“

Haugen, die zuvor für Pinterest und Google arbeitete, sagt am Dienstagmorgen vor einem Senatsauschuss aus, der Vorschläge für die Regulierung von Big Tech erarbeitet. 


Kann es noch schlimmer für Zuckerberg kommen? Ja. Am Montagvormittag kalifornischer Zeit, gegen 8:40 Uhr, legt ein Totalausfall nicht nur Facebook und seinen Kurznachrichtendienst Messenger lahm, sondern auch seine zugekauften Dienste WhatsApp und Instagram.

Mit Zuckerbergs Imperium passiert, was seine Kritiker sich seit langem wünschen: Es verschwindet völlig aus dem Internet. Seine Apps sind erstarrt, kriegen keinen Nachschub mehr. Es ist der schlimmste Ausfall seit 2008. Programmierfehler setzten Facebook fast einen Tag außer Gefecht. Doch damals zählte die Seite noch unter 100 Millionen Nutzer. Heute sind es über drei Milliarden. 2019 ist Facebook ebenfalls für längere Zeit offline, allerdings nur einzelne Funktionen.

Der Gau löst ein globales Schlagzeilengewitter aus. Die Facebook-Aktie sinkt um fast fünf Prozent, was Zuckerberg auf dem Papier um knapp sechs Milliarden Dollar ärmer macht.

Im Hauptquartier in Menlo Park, so wird im Silicon Valley kolportiert, kommen die Mitarbeiter nicht mehr ins interne Netzwerk. Eine Hacker-Attacke? Oder hat ein anderer Whistleblower im Hauptquartier die Sache in die eigene Hand genommen? Erst am Dienstag verkündete der Konzern: Grund für den stundenlangen Ausfall war wohl eine fehlerhafte Änderung der Netzwerk-Konfiguration. Der Fehler sei auf den Routern passiert, die den Datenverkehr zwischen Facebooks Rechenzentren koordinieren.

Sechs Stunden hatte es gedauert, bis die Dienste wieder sichtbar waren. Jede verlorene Stunde kostet Facebook bis zu 14 Millionen Dollar Werbeeinnahmen. Noch stärker sind die Ausfälle von Unternehmen, die via Facebook kommunizieren, den Zugang zu ihren Diensten organisieren oder Produkte verkaufen – wahrscheinlich Hunderte Millionen Dollar. Es demonstriert, dass Facebook zur kritischen Digital-Infrastruktur gehört.

Das einzige Positive aus Zuckerbergs Sicht: Der Gau blendet die öffentliche Empörung über die Enthüllungen von Haugen vorübergehend aus.
Zuckerberg hat vor seinen Mitarbeitern geschworen, ein Aufspalten seines Imperiums mit allen Mitteln zu verhindern. Und es stattdessen noch enger zu verzahnen und mittels virtueller Realität eine Art neues Internet zu schaffen – das sogenannte Metaverse. Seine Anwälte spielen seit anderthalb Jahren alle möglichen Szenarien durch und entwickeln Verteidigungsstrategien. 
Auch die Methode, Kritik einfach auszusitzen. Auf die im Wall Street Journal in den vergangenen Wochen ausführlich dokumentierten Versäumnisse hat Facebook kaum reagiert. Nachdem klar ist, dass die Dokumente tatsächlich nach außen gelangt sind, läuft die von Kommunikationschef Nick Clegg, ehemaliger britischer Vizepremier, geführte Gegenattacke an. Die Linie: Fehlinterpretationen, Missverständnisse und Rosinenpickerei der Kritiker.

Zuckerberg ist als Zahlen-Fetischist bekannt. Wenn in der Vergangenheit sein Unternehmen wegen Verstößen gegen den Datenschutz in die Schlagzeilen geriet, stieg die Verweildauer auf Facebook an. Schlechte Nachrichten sind also auch für Facebook selber gut.

Das Problem ist, dass das Verändern des Algorithmus, das Zurückdrehen von Narzissmus, Alarmismus und Provokation, Facebook uninteressanter macht. Und andere wie den chinesischen Konkurrenten TikTok stärkt. Zuckerberg hat den menschlichen Trieb, sich an den Sorgen anderer zu laben oder damit eigene Ängste auszublenden, zwar verstärkt. Doch erfunden hat er ihn nicht.

Ungemach droht von einem mächtigen Silicon Valley Nachbarn. Weil Apple-Chef Tim Cook durchgesetzt hat, dass seine iPhones das Ausspähen von Apps leichter blocken können, fürchtet Facebooks Finanzchef schon jetzt verlangsamtes Wachstum im dritten Quartal.

Was in der Regel das Fegefeuer der Wall Street nach sich zieht. Bislang ist das jedoch nicht eingetreten. Ganz im Gegenteil: Im zweiten Quartal hat das soziale Netzwerk einen Umsatz von 28,5 Milliarden Dollar verbucht, neuer Rekord. 
Wer im November 2016, als die ersten Vorwürfe von Wahlbeeinflussung durch Russland via Facebook auftauchten, Facebook-Aktien erwarb, hat seinen Einsatz fast verdreifacht. Apples Entscheidung trifft die gesamte Werbebranche, nicht nur Facebook. 
Doch diesmal, so scheint es, ist die Politik gefährlicher als ein möglicher Liebesentzug der Wall Street.

Die Wettbewerbsbehörde FTC will sich unter seiner neuen Chefin Lina Khan nicht wie früher durch das Zahlen einer Milliardenstrafe abwimmeln lassen, wie zuletzt im Sommer 2019. Früher hat Zuckerberg den Kompromiss gesucht, indem er solche Strafen akzeptierte. Am Montag versuchten seine Anwälte nun, per Gericht die Pläne der FTC zu stoppen, Facebook aufzubrechen. „Die FTC habe keine Basis für ihren Vorwurf, dass Facebook ein Monopol sei oder gewesen wäre“.

Aber die Pläne, Konzentrationen einzudämmen, reichen bis ins Weiße Haus.

US-Präsident Joe Biden proklamiert, Machtzusammenballungen in der Wirtschaft nicht mehr zu tolerieren.

Senatoren wie Richard Blumenthal, einst für seine Attacken gegen Microsoft berüchtigt, sammeln fleißig Belege für die von Facebook verursachten Schäden. Vor allem jene, die wie Facebook Emotionen schüren.



Seine Mitarbeiter legen auf Instagram ein Konto für eine fiktive 13-Jährige an, die sich für Extrem-Diäten interessiert. Facebooks Algorithmus füttert sie daraufhin mit noch mehr Material über umstrittene Methoden zum schnellen Abnehmen.

Die Luft wird für Facebook dünn. Doch es könnte auch einfach nur eine Schlechtwetterlage sein. Schon Ende nächsten Jahres könnten die Republikaner wieder die Macht im Repräsentantenhaus übernehmen. Dass US-Präsident Biden bislang glücklos agiert und Steuererhöhungen für seine Sozialprogramme Wähler ängstigen, macht das noch wahrscheinlicher.

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Zwar wollen Republikaner wie der texanische Senator Ted Cruz, der Facebook von Linken unterwandert wähnt, das soziale Netzwerk stärker an die Kandare nehmen. Doch ein Aufbrechen wird von weiten Teilen der Republikaner nicht propagiert.

Mehr zum Thema: Kein Techunternehmen hat so viele Firmen aufgekauft wie Google. Die meisten Übernahmen waren erfolgreich. Für die Google-Holding Alphabet wird das jetzt zum Problem.

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