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16 Monate lang beschäftigte sich der Justizausschuss des von den Demokraten dominierten US-Repräsentantenhauses mit dem Wettbewerb in der Internet-Branche – im Besonderen mit dem Geschäftsgebaren von Google, Facebook, Amazon und Apple. Die Abgeordneten und ihre Mitarbeiter befragten Hunderte von Experten, darunter Tech-Unternehmer, Wettbewerbsspezialisten, Wagnisfinanzierer und auch Politiker wie EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager. 1,3 Millionen Dokumente wurden ausgewertet, davon allein 1,1 Millionen vom Google-Konzern, der den Ausschuss förmlich überschwemmte. Höhepunkt war die sechsstündige öffentliche Video-Befragung der Chefs von Google, Amazon, Facebook und Apple Ende Juli.
Nun ist der wegen Unstimmigkeiten zwischen Demokraten und Republikanern mehrfach verschobene Bericht fertig. Das 449 Seiten starke Werk ist eine vernichtende Kritik von Google, Facebook, Amazon und Apple.
Es stellt klar, dass nach Meinung der Abgeordneten und den von ihnen konsultierten Experten die vier Unternehmen eindeutig ihre Monopolmacht missbrauchen, Märkte kontrollieren und manipulieren, Gewinner und Verlierer festlegen, Preise diktieren, ihre Wettbewerber durch Knebelverträge ausschalten oder vorausblickend aufkaufen.
Mehr noch: Sie hätten mit ihrem Gebaren nicht nur den Wettbewerb und die Wirtschaft, sondern auch die Demokratie und Innovation unterhöhlt. Ihre Zeiten als leuchtende Vorbilder sind vorbei: „Aus Unternehmen, die mal als schnoddrige Außenseiter-Start-ups angetreten sind, um die bestehende Ordnung herauszufordern, sind die Art von Monopolen geworden, die es zuletzt zu Zeiten der Ölbarone und Eisenbahn-Tycoons gab“, ätzen die Autoren des Berichts.
Zwar hätten die vier Giganten auch positive Dinge für die Gesellschaft geleistet. Das aber zu einem Preis, der dem Justizausschuss als inzwischen zu hoch erscheint: „Diese Unternehmen haben viel zu viel Macht.“ 30 Prozent des Bruttoweltproduktes werde von diesen und einer Handvoll anderer Unternehmen beeinflusst.
Sie verhindern mittlerweile, dass sich Wettbewerb überhaupt bilden kann. Wagnisfinanzierer scheuen sich in Start-ups zu investieren, die direkt gegen die großen Vier konkurrieren. Wenn überhaupt, dann nur solange, bis eins der Start-ups aufgekauft wird. Ein „prominenter Risikokapitalgeber“, der lieber anonym bleiben wollte, beschreibt Amazon als eine Art Sonne. „Sie ist nützlich, aber auch gefährlich. Wenn man weit genug von ihr weg ist, kann sie einen wärmen. Aber wenn man zu nahe kommt, wird man eingeäschert“. Wenn man beispielsweise die Infrastruktur von Amazon nutze, wie es der Fahrdienst Uber tut, gäbe es keine Probleme. Aber nur so lange bis Amazon entscheidet, selber in den Markt für Fahrdienste einzusteigen.
David Barnett, Gründer und Chef von PopSockets, das Griffe zum besseren Halten von Smartphones verkauft, hat keine Angst davor, sich öffentlich über Amazon zu beklagen. „Wir mussten fast zwei Millionen Dollar in Form von Werbung bezahlen, damit Amazon illegale Nachahmer von ihrem Marktplatz entfernte“, klagt der ehemalige Professor für Philosophie.
Google wiederum zwang die Hersteller von Android-Smartphones, auf diesen die Dienste des Konzerns zu installieren. Auch sonst lässt das Unternehmen keine Gelegenheit aus, seine dominante Stellung auszunutzen. So versuche man beispielsweise den Videokonferenz-Konkurrenten Zoom gezielt auszubremsen, indem das eigene Videokonferenzprogramm Google Meet besonders herausgestellt werde, unter anderem in Googles E-Mail- und Kalenderprogramm.