
Herr Maaß, warum haben so viele deutsche Firmen Probleme mit ihrer IT?
Schauen Sie sich nur mal die Vorstände an, da gibt es nirgends einen Chief Information Officer oder eine sonstige Person mit tiefem IT-Wissen. Das heißt, dass der IT-Bereich auf Vorstandsebene nicht von Fachleuten vertreten wird, sondern von Fachfremden. Oft ist die IT den Finanzchefs zugeordnet, die zwar auf die Kosten schauen, aber wenig Ahnung von IT haben.
Können Sie das nachvollziehen?
Überhaupt nicht. Die Digitalisierung ist das Thema der kommenden Jahrzehnte in der Wirtschaft. Industrie 4.0 ist in aller Munde, hier geht es um intelligente, vernetzte Produkte und Maschinen. Als nächstes kommen darauf aufbauend Smarte Services, also vernetzte Dienstleistungen. In den Vorständen muss deshalb fundamentales IT-Wissen vorhanden sein – nicht nur, um neue Produkte und Dienstleistungen marktfähig zu entwickeln, sondern auch, um bei der Organisation und den Prozessen im Unternehmen selbst die Potenziale der Digitalisierung zu nutzen. Anders lässt sich die Wettbewerbsfähigkeit auf Dauer nicht erhalten. IT-Kompetenz auf Vorstandsebene ist essenziell für wirtschaftlichen Erfolg. So lange das nicht der Fall ist, wird sich die Situation kaum verbessern.
Zur Person
Professor Wolfgang Maaß, 50, ist Inhaber des Lehrstuhls für Betriebswirtschaftslehre mit Schwerpunkt Wirtschaftsinformatik im Dienstleistungsbereich an der Universität des Saarlands in Saarbrücken. Zuvor leitete der Informatiker und Betriebswirt die Forschungsgruppe Smarte Produkte am Institut für Innovations- und Technologiemanagement an der Universität St. Gallen in der Schweiz. Aktuelle Forschungsschwerpunkte liegen in den Bereichen Smart Service Engineering (vernetzte Dienstleistungen) und elektronische Wissensmärkte. Bei einer IT-Beratung und als Geschäftsführer und Gründer von Start-Ups sammelte er auch Erfahrung im außerakademischen Bereich.
Was ist das Hauptproblem innerhalb von Unternehmen?
IT-Wildwuchs finden Sie bei allen deutschen Großunternehmen. Um das mal am Beispiel Telekom zu erläutern: Die haben vor ein paar Jahren ein Projekt gestartet, um nur die Zahl der intern verwendeten IT-Systeme zu erfassen. Nach zwei Jahren Arbeit hatte man insgesamt 3400 Systeme gefunden, die Geschäftsanwendungen wie beispielsweise die Buchhaltung unterstützen, und zusätzlich 3700 Anwendungen auf den Rechnern der Mitarbeiter.
Hat sich daran etwas gebessert?
Von den 3400 Geschäftsanwendungen hat die Telekom 2010 bis 2012 etwa 600 eliminiert, von den 3700 Anwendungen auf den Desktop-Rechnern sogar 2000. Da ist schon einiges verbessert worden. Als Ziel hat die Telekom sich gesetzt, das Ganze auf 50 Kernsysteme herunterzufahren, aber bis dahin ist es noch ein weiter Weg.
Gibt es auch positive Beispiele?
Bosch stellt sich dem Innovationsthema Industrie 4.0 in der Produktion und auch ThyssenKrupp ist eines der wenigen Großunternehmen, die sich den Herausforderungen digitaler Produkte und Dienstleistungen nicht nur halbherzig stellen. ThyssenKrupp will sehr viele Einzelteile mit aller Macht zusammenführen, auch mit der Hilfe externer IT-Dienstleister. Das ist eine Vielzahl von Projekten, durch die zum Beispiel die Abläufe im Unternehmen oder die Serviceorientierung gegenüber Kunden verbessert werden sollen. Ob das funktioniert, muss man abwarten. Das kann auch ein brasilianisches Stahlwerk werden. Auch hier wird das interne IT-Wissen fundamental für den Erfolg sein.