San Francisco Amerikas größter Mobilfunkbetreiber Verizon kauft Yahoo. Es ist beinahe ein Treppenwitz der Geschichte, dass ein Telekommunikations-Unternehmen seine Versäumnisse aus vielen Jahren mit der Akquisition von Unternehmen wettmachen will, die ihrerseits an ihren Versäumnissen der letzten zehn bis 15 Jahren gescheitert sind.
AOL hat schlicht den Sprung vom geschlossenen Abonnementsystem in das freie Internet verschlafen und wurde am Ende von Verizon aufgekauft, Yahoo hat im Grunde den Suchmaschinenmarkt, die sozialen Netzwerke und die mobile Revolution nacheinander verschlafen – und sich nicht wie Google oder Facebook vom Gemischtwarenladen zum fokussierten Webgiganten entwickeln können. Daran gemessen ist es schon erstaunlich, wie lange das Unternehmen mit dem Ausrufezeichen im Logo überhaupt überlebt hat.
Trotzdem können beide Akquisitionen zusammen ihren Zweck mehr als erfüllen. Yahoo-Webseiten haben immer noch hunderte Millionen Besucher jeden Monat; sie sind die meistbesuchten Webseiten hinter Google und Facebook. Einen Mangel an Nutzern gab es nie, aber an ihnen verdiente Yahoo erschreckend wenig Geld. Das wird sich ändern: AOL liefert jetzt zusätzliche Inhalte und die ausgefeilte Technik, mit der man diesen Nutzern zielgerichtet die passende Werbung verkaufen kann.
Das wiederum katapultiert Verizon in eine völlig neue Dimension. Der Konzern weiß, wo sich seine Smartphone-Kunden gerade aufhalten, ob sie auf einer Straße in einer fremden Stadt sind oder gerade zuhause vor dem Fernseher sitzen, und wenn, welches Programm auf ihrer Set Top-Box eingeschaltet ist. Das ergibt ein geräteübergreifendes Bild des gläsernen Konsumenten, das nicht einmal Facebook vorweisen kann.
Das Center for Digital Democracy, das die Übernahme vehement kritisiert, weist bereits darauf hin, dass Yahoo eine Zielgruppe anspricht, die auf 2,7 Milliarden Geräten insgesamt pro Tag 165 Milliarden Aktivitäten ausführen. Verizon bringt rund 112 Millionen Mobilkunden mit in die Ehe. Deren Daten, zusammengeführt mit dem Meer an Informationen, die Yahoo über 20 Jahre lang von seinen Kunden eingesammelt hat, sind eine mächtige Ausgangsbasis für die neue Generation digitaler Medienunternehmen im mobilen Internet des 21. Jahrhunderts.
Die zehn größten IT-Übernahmen weltweit nach Kaufpreis
Im Jahr 2010 schluckte Microsoft die norwegische Suchmaschine Fast. Das 1997 gegründete Unternehmen ist auf Suchmaschinenprogramme für Firmenkunden spezialisiert. Der Kaufpreis soll 1,2 Milliarden US-Dollar betragen haben.
Quelle: Statista
2006 übernahm Google Youtube für 1,65 Milliarden US-Dollar. Youtube, damals noch ein defizitäres Start-Up-Unternehmen, war für Google zu diesem Zeitpunkt der teuerste Kauf in der achtjährigen Firmengeschichte.
2014 überrasche Facebook Branchenkenner mit dem Kauf von von Oculus VR. Zwei Milliarden US-Dollar zahlte Facebook für den Hersteller von VR-Brillen, die speziell für PC-Spiele ausgelegt sind. Mit dem Unternehmen hat Mark Zuckerberg großes vor. „Oculus hat die Chance, die sozialste Plattform überhaupt zu werden“, sagte er anlässlich der Übernahme.
Nur ein Jahr nach der Youtube-Übernahme kaufte Google für sage und schreibe 3,1 Milliarden US—Dollar den Anzeigenriesen Doubleclick. Auch Microsoft, AOL und Yahoo waren interessiert, hatten allerdings das Nachsehen. Schon vor dem Zukauf hatte Google die führende Stellung im Geschäft mit der Internet-Werbung inne. Mit der Übernahme konnte Google diese Position noch weiter ausbauen.
Ähnlich viel wie für Doubleclick zahlte Google für den Kauf Nest Labs: 3,2 Milliarden US-Dollar. Die Firma, die smarte Thermostate und Rauchmelder herstellt hat für Google ein ganz besonderes Potenzial: Sie ermöglicht Google das Sammeln von Daten in der analogen Welt.
Nur einen Monat, nachdem Google Microsoft Doubleclick vor der Nase weg kaufte, legte Microsoft 2007 nach und kaufte für 6,3 Milliarden US-Dollar Aquantive – einen Wettbewerber Doubleclick. Für Microsoft war das bis dato der größte Zukauf der Firmengeschichte. Letztendlich war es ein Flop für Microsoft.
Im Jahr 2013 kaufte Microsoft für 5,4 Milliarden US-Dollar die Handysparte von Nokia. Bereits seit 2011 hatten beide Unternehmen zusammengearbeitet – Nokia war der wichtigste Hersteller für Smartphone mit dem Microsoft-Betriebssystem Windows Phone.
2011 tätigte Microsoft den bis dato teuersten Kauf seiner Firmengeschichte: Für 8,5 Milliarden US-Dollar übernahm Microsoft den Online-Telefondienst Skype. Rentiert hat sich das bis heute nicht. Skype fehlt es an zahlenden Kunden.
Im August 2011 kündigte Google an, den Mobilfunk-Pionier Motorola Mobility zu übernehmen. Insgesamt 12,5 Milliarden US-Dollar zahlte Google dafür. Interessant seien für Google nach eigenen Angaben vor allem das 17.000 Eintragungen umfassende Patentportfolio Motorolas gewesen. Die Liasion hielt nicht lange. 2014 verkaufte Google das Unternehmen für knapp drei Milliarden US-Dollar an Lenovo.
Im Februar 2014 kündigte Facebook an, den Messanger-Dienst Whatsapp zu übernehmen. Der damalige Kaufpreis: 19 Milliarden US-Dollar. Facebook hat Whatsapp wegen des schnell Nutzerzuwachs übernommen. Mittlerweile hat Whatsapp 700 Millionen Nutzer weltweit.
Aber die Übernahme ist auch eine Herausforderung für den Datenschutz. Die US-Regulierungsbehörden sollten genau hinsehen, was dieser Zusammenschluss auslöst. Im Zweifel sollten sie Brandmauern einziehen. Auch Europas Regulierer sollten den Zusammenschluss aufmerksam verfolgen. Denn Europas Telekom-Unternehmen und Internetprovider werden sich auch auf die Suche nach digitalen Verlierern machen, die sie wieder zu Gewinnern machen können.