Eine unrühmliche Amtszeit erreicht ihr unrühmliches Finale. Kurz vor Ende von Yahoos Unabhängigkeit brachte das Establishment um Marissa Mayer keinen Mut auf, sich den Fragen der Öffentlichkeit zu stellen. Fragen nach dem größten Datenleck der Technologie-Geschichte beispielsweise, bei dem Accounts von 500 Millionen Yahoo-Nutzern ausgespäht wurden, inklusive verschlüsselter Passwörter.
Fragen nach der Spionagetätigkeit für den US-Nachrichtendienst NSA, für den der Internetpionier eigene Schnüffelsoftware angefertigt und Millionen Nutzer bespitzelt hatte. Fragen nach dem fragilen und möglicherweise neu zu verhandelnden Deal mit Telekommunikationskonzern Verizon. Fragen auch nach Mayers eigener Zukunft.
Doch in diesem so entscheidenden Moment für ihre Firma blieb die Yahoo-Chefin stumm. Das stets an die Quartalsergebnisse anschließende Gespräch mit Investoren hatte sie mit Verweis auf die Übernahmeverhandlungen abgesagt. Die 41-Jährige ließ nur schriftlich mitteilen, das Unternehmen fühle eine “große Verantwortung”, seine Nutzer zu schützen und auch die Sicherheit ihrer Informationen.
Die zehn größten IT-Übernahmen weltweit nach Kaufpreis
Im Jahr 2010 schluckte Microsoft die norwegische Suchmaschine Fast. Das 1997 gegründete Unternehmen ist auf Suchmaschinenprogramme für Firmenkunden spezialisiert. Der Kaufpreis soll 1,2 Milliarden US-Dollar betragen haben.
Quelle: Statista
2006 übernahm Google Youtube für 1,65 Milliarden US-Dollar. Youtube, damals noch ein defizitäres Start-Up-Unternehmen, war für Google zu diesem Zeitpunkt der teuerste Kauf in der achtjährigen Firmengeschichte.
2014 überrasche Facebook Branchenkenner mit dem Kauf von von Oculus VR. Zwei Milliarden US-Dollar zahlte Facebook für den Hersteller von VR-Brillen, die speziell für PC-Spiele ausgelegt sind. Mit dem Unternehmen hat Mark Zuckerberg großes vor. „Oculus hat die Chance, die sozialste Plattform überhaupt zu werden“, sagte er anlässlich der Übernahme.
Nur ein Jahr nach der Youtube-Übernahme kaufte Google für sage und schreibe 3,1 Milliarden US—Dollar den Anzeigenriesen Doubleclick. Auch Microsoft, AOL und Yahoo waren interessiert, hatten allerdings das Nachsehen. Schon vor dem Zukauf hatte Google die führende Stellung im Geschäft mit der Internet-Werbung inne. Mit der Übernahme konnte Google diese Position noch weiter ausbauen.
Ähnlich viel wie für Doubleclick zahlte Google für den Kauf Nest Labs: 3,2 Milliarden US-Dollar. Die Firma, die smarte Thermostate und Rauchmelder herstellt hat für Google ein ganz besonderes Potenzial: Sie ermöglicht Google das Sammeln von Daten in der analogen Welt.
Nur einen Monat, nachdem Google Microsoft Doubleclick vor der Nase weg kaufte, legte Microsoft 2007 nach und kaufte für 6,3 Milliarden US-Dollar Aquantive – einen Wettbewerber Doubleclick. Für Microsoft war das bis dato der größte Zukauf der Firmengeschichte. Letztendlich war es ein Flop für Microsoft.
Im Jahr 2013 kaufte Microsoft für 5,4 Milliarden US-Dollar die Handysparte von Nokia. Bereits seit 2011 hatten beide Unternehmen zusammengearbeitet – Nokia war der wichtigste Hersteller für Smartphone mit dem Microsoft-Betriebssystem Windows Phone.
2011 tätigte Microsoft den bis dato teuersten Kauf seiner Firmengeschichte: Für 8,5 Milliarden US-Dollar übernahm Microsoft den Online-Telefondienst Skype. Rentiert hat sich das bis heute nicht. Skype fehlt es an zahlenden Kunden.
Im August 2011 kündigte Google an, den Mobilfunk-Pionier Motorola Mobility zu übernehmen. Insgesamt 12,5 Milliarden US-Dollar zahlte Google dafür. Interessant seien für Google nach eigenen Angaben vor allem das 17.000 Eintragungen umfassende Patentportfolio Motorolas gewesen. Die Liasion hielt nicht lange. 2014 verkaufte Google das Unternehmen für knapp drei Milliarden US-Dollar an Lenovo.
Im Februar 2014 kündigte Facebook an, den Messanger-Dienst Whatsapp zu übernehmen. Der damalige Kaufpreis: 19 Milliarden US-Dollar. Facebook hat Whatsapp wegen des schnell Nutzerzuwachs übernommen. Mittlerweile hat Whatsapp 700 Millionen Nutzer weltweit.
Die gescheiterte Geschäftsführerin muss den Schein wahren. Schließlich will sie Yahoos Kerngeschäft immer noch für 4,8 Milliarden Dollar verkaufen. Nach Bekanntwerden der jüngsten Skandale hatte Verizon bereits angedeutet, den Deal neu verhandeln und weniger zahlen zu wollen als zunächst veranschlagt. Dem hatte Mayer eine Absage erteilt.Sie nutzte auch an diesem Tag die Gelegenheit, ihre Haltung zu unterstreichen. “Wir bereiten uns weiter auf eine Integration mit Verizon vor”, ließ Mayer erklären. “Wir bleiben zuversichtlich und vertrauen nicht nur in den Wert unseres Geschäfts, sondern auch in den Wert, den Yahoos Produkte in das Leben unserer Nutzer bringen.”
Ergebnis eines radikalen Sparkurses
Die aktuellen Quartalszahlen rechtfertigen solches Selbstbewusstsein nicht. Zwar stiegen Yahoos Gewinne auf 163 Millionen Dollar oder 17 Cent pro Aktie, Experten hatten nur mit 14 Cent gerechnet. Doch das ist nur Ergebnis eines radikalen Sparkurses. Vergangenes Jahr hatte die Firma 20 Prozent der Mitarbeiter entlassen.
Der Umsatz im wichtigen Kerngeschäft mit Werbung befindet sich nach wie vor auf Talfahrt. Er fiel um 14 Prozent auf 857 Millionen Dollar nach Abzug aller Zahlungen an Yahoos Werbepartner. Erst im vergangenen Quartal war dieser Wert um 15 Prozent gesunken. Und die Prognosen der Analysten für die Zukunft von Yahoos Werbegeschäft fallen ebenfalls negativ aus.
Laut eMarketer wird der Konzern bis Ende dieses Jahres nur noch 1,5 Prozent des weltweiten Geschäfts mit digitalen Werbeformaten besetzen. Verglichen mit anderen Anbietern fällt das einst mit Bannerwerbung groß gewordene Yahoo immer weiter zurück. Google besitzt inzwischen 30,9 Prozent dieses Marktes.
Besonders dramatisch sieht es im wichtigen Geschäft mit mobiler Werbung aus. Hier wird Yahoo bis Ende 2016 einen Marktanteil von 1,2 Prozent besetzen, Google hingegen 34,5 Prozent und Facebook 20,2 Prozent.
Mayer wird alles tun, um den Deal mit dem Telekommunikationskonzern zu retten. Verizon-Vertreter Craig Silliman hat die Konzernchefin bereits aufgefordert, zu belegen, dass das massive Datenproblem sich nicht negativ auf den Unternehmenswert auswirkt. Den Beweis dafür bleibt die Yahoo-Chefin allerdings nach wie vor schuldig.