
Von dem einstigen Glamour ist wenig übrig geblieben in der Yahoo-Zentrale: Nachdem Jahre des Umbaus nicht gefruchtet haben und der Konzern am Dienstag einen Milliardenverlust bekanntgeben musste, stellt der kriselnde Onlinepionier sein Kerngeschäft auf den Prüfstand und streicht 15 Prozent der Stellen. Man sei bereit, „strategische Alternativen“ für das Internet-Geschäft zu erwägen, teilte das US-Unternehmen bei der Vorlage der Quartalszahlen mit.
Zudem sollen Büros an fünf Orten geschlossen, die Produktpalette verkleinert, Immobilien und Patente verkauft sowie der Schwerpunkt verstärkt auf Suchanfragen über Mobiltelefone und ähnliche Geräte gelegt werden. Für das vierte Quartal gab Yahoo einen Umsatz von einer Milliarde Dollar nach 1,18 Milliarden Dollar im Vorjahreszeitraum bekannt. Der Verlust betrug 4,43 Milliarden Dollar, von dem allerdings der Löwenanteil auf eine Abschreibung zurückging. Ohne Sonderposten lag der Gewinn je Aktie bei 13 Cent und damit im Rahmen der Expertenschätzungen.
Die zehn größten IT-Übernahmen weltweit nach Kaufpreis
Im Jahr 2010 schluckte Microsoft die norwegische Suchmaschine Fast. Das 1997 gegründete Unternehmen ist auf Suchmaschinenprogramme für Firmenkunden spezialisiert. Der Kaufpreis soll 1,2 Milliarden US-Dollar betragen haben.
Quelle: Statista
2006 übernahm Google Youtube für 1,65 Milliarden US-Dollar. Youtube, damals noch ein defizitäres Start-Up-Unternehmen, war für Google zu diesem Zeitpunkt der teuerste Kauf in der achtjährigen Firmengeschichte.
2014 überrasche Facebook Branchenkenner mit dem Kauf von von Oculus VR. Zwei Milliarden US-Dollar zahlte Facebook für den Hersteller von VR-Brillen, die speziell für PC-Spiele ausgelegt sind. Mit dem Unternehmen hat Mark Zuckerberg großes vor. „Oculus hat die Chance, die sozialste Plattform überhaupt zu werden“, sagte er anlässlich der Übernahme.
Nur ein Jahr nach der Youtube-Übernahme kaufte Google für sage und schreibe 3,1 Milliarden US—Dollar den Anzeigenriesen Doubleclick. Auch Microsoft, AOL und Yahoo waren interessiert, hatten allerdings das Nachsehen. Schon vor dem Zukauf hatte Google die führende Stellung im Geschäft mit der Internet-Werbung inne. Mit der Übernahme konnte Google diese Position noch weiter ausbauen.
Ähnlich viel wie für Doubleclick zahlte Google für den Kauf Nest Labs: 3,2 Milliarden US-Dollar. Die Firma, die smarte Thermostate und Rauchmelder herstellt hat für Google ein ganz besonderes Potenzial: Sie ermöglicht Google das Sammeln von Daten in der analogen Welt.
Nur einen Monat, nachdem Google Microsoft Doubleclick vor der Nase weg kaufte, legte Microsoft 2007 nach und kaufte für 6,3 Milliarden US-Dollar Aquantive – einen Wettbewerber Doubleclick. Für Microsoft war das bis dato der größte Zukauf der Firmengeschichte. Letztendlich war es ein Flop für Microsoft.
Im Jahr 2013 kaufte Microsoft für 5,4 Milliarden US-Dollar die Handysparte von Nokia. Bereits seit 2011 hatten beide Unternehmen zusammengearbeitet – Nokia war der wichtigste Hersteller für Smartphone mit dem Microsoft-Betriebssystem Windows Phone.
2011 tätigte Microsoft den bis dato teuersten Kauf seiner Firmengeschichte: Für 8,5 Milliarden US-Dollar übernahm Microsoft den Online-Telefondienst Skype. Rentiert hat sich das bis heute nicht. Skype fehlt es an zahlenden Kunden.
Im August 2011 kündigte Google an, den Mobilfunk-Pionier Motorola Mobility zu übernehmen. Insgesamt 12,5 Milliarden US-Dollar zahlte Google dafür. Interessant seien für Google nach eigenen Angaben vor allem das 17.000 Eintragungen umfassende Patentportfolio Motorolas gewesen. Die Liasion hielt nicht lange. 2014 verkaufte Google das Unternehmen für knapp drei Milliarden US-Dollar an Lenovo.
Im Februar 2014 kündigte Facebook an, den Messanger-Dienst Whatsapp zu übernehmen. Der damalige Kaufpreis: 19 Milliarden US-Dollar. Facebook hat Whatsapp wegen des schnell Nutzerzuwachs übernommen. Mittlerweile hat Whatsapp 700 Millionen Nutzer weltweit.
Yahoo findet gegenwärtig kein Mittel, um sich im Internet gegen Google und Facebook durchzusetzen. Die Prüfung der Internet-Aktivitäten gilt als bislang deutlichster Hinweis auf eine Bereitschaft von Konzernchefin Marissa Mayer, das traditionelle Geschäft mit Webseiten, E-Mail und Online-Suche abzuspalten. Mayer selbst hatte einen Verkauf dieser Firmenteile im Dezember als Alternative bezeichnet. Als ein Interessent ist der Mobilfunkanbieter Verizon im Gespräch.
Yahoo-Aktie hat ein Drittel ihres Werts verloren
Die Investoren zeigten sich von Mayers Plänen zunächst nicht beeindruckt: Die Aktie fiel im nachbörslichen Handel um 1,2 Prozent. Die Papiere haben in den vergangenen zwölf Monaten mehr als ein Drittel ihres Wertes verloren. Der Aktionär SpringOwl Asset Management erklärte in einer ersten Stellungnahme, die neue Strategie gehe nicht ausreichend die eigentlichen Probleme bei Yahoo an, darunter ungünstige strategische Partnerschaften, zu hohe Ausgaben und eine zu große Belegschaft. Auch andere Aktionäre haben Kritik an Mayers Strategie geübt.
Für die 40-jährige Konzernchefin ist es eine herbe Niederlage. Zwar nicht finanziell, die Multimillionärin strich bei Yahoo mindestens 100 Millionen Dollar ein. Doch es ist ein Imageverlust, der im Silicon Valley auch mit viel Geld nicht repariert werden kann. Mayer ist gescheitert.
Im Juli 2012 war die smarte Blondine, die als Google-Mitarbeiter Nummer 20 maßgeblich dessen lukratives Suchmaschinengeschäft aufgebaut hatte, als großer Hoffnungsträger geholt worden. Maßgeblich vom einflussreichen Hedgefonds-Manager Daniel Loeb, der zuvor ihren Vorgänger Scott Thompson geschasst hatte. Loeb hatte öffentlich gemacht, dass der ehemalige PayPal-Spitzenmanager sich mit einem Informatikabschluss schmückte, obwohl er nur einen in Rechnungswesen hatte. Thompsons Ruf war ruiniert.
Facebook ist davongezogen
Die erste weibliche Ingenieurin von Google sollte Yahoo dank ihres Images und Einblicks in die Bedürfnisse der Online-Werbebranche wieder auf Wachstumskurs bringen und für Talente attraktiv machen. Yahoo, der erste Internet-Medienkonzern der Welt, war durch interne Flügelkämpfe, stetige Umorganisationen, Budgetkürzungen und Entlassungen systematisch heruntergewirtschaftet worden.
Wettbewerber wie Google und Facebook nahmen dem einstigen Marktführer bei Online-Bannerwerbung stetig Marktanteile und fähige Mitarbeiter ab. Die Manager von Yahoos Fürstentümern blockierten sich gegenseitig, interne Innovation wurde torpediert. So schlecht war Yahoos Ruf, dass die Gründer des Bewertungsportals Yelp sich vehement gegen eine Übernahme stemmten. Mit der Begründung, dass sie es sich selbst und ihren Mitarbeitern nicht zumuten könnten, für ein Unternehmen wie Yahoo zu arbeiten.
Loebs Plan schien zunächst aufzugehen: Mayers Glanz und Glaubwürdigkeit stabilisierten ihren neuen Arbeitgeber. Die junge Chefin, im Silicon Valley als Workaholic mit einem Faible für Details und Zahlen bekannt, stürzte sich trotz Schwangerschaft in ihre neue Aufgabe. Für die Geburt ihres Sohns Macallister nahm sie sich nur zwei Wochen frei.





Die Aktionäre waren zufrieden, die Aktie zog wieder an. Doch das lag nicht an Mayer, sondern an einer glücklichen Entscheidung von Yahoo-Gründer Jerry Yang. Der hatte sich 2005 fürs Chinageschäft mit dem aufstrebenden Internet-Unternehmer Jack Ma verbündet und eine Milliarde Dollar für ein Joint Venture springen lassen. Während Yahoo in seinem Mutterland strauchelte, baute Ma im Reich der Mitte mit Alibaba den führenden Online-Händler auf. Yahoos 40-Prozent-Anteil an Alibaba sowie dessen gut laufendes Geschäft in Japan machten plötzlich den Löwenanteil von Yahoos Börsenwert aus.
Mayer profitierte davon, weil wenige Monate nach ihrem Amtsantritt ein von ihrem Vorgänger vorbereiteter Teilverkauf von Alibaba-Anteilen 7,6 Milliarden Dollar in die Kassen des Konzerns spülte. Die wurden zwar größtenteils an Anleger weitergereicht – wie Strippenzieher Loeb. Doch für Mayers Neuausrichtung fielen 650 Millionen Dollar ab, zusätzlich zu den vorhandenen 1,5 Milliarden Dollar in der Konzernkasse.