Yiannopoulos verlässt Breitbart Die Titanic der rechten Medien ist gesunken

Milo Yiannopoulos konnte sich scheinbar alles erlauben. Aber dann brach der Berufsprovokateur das letzte Tabu der Ära Trump, und die Republikaner ließen ihn tief fallen. Doch er will sich rächen.

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Milo Yiannopoulos gab in einer Erklärung sein Ausscheiden von Breitbart News bekannt. Quelle: AP

Bislang war er immer knapp an der Katastrophe vorbeigeschrappt. Doch diesmal hat er den moralischen Eisberg gerammt - sein politischer Untergang dauerte nur wenige Stunden. Die steile Karriere des Milo Yiannopoulos, umstrittener Provokateur und Rechtsausleger der ohnehin rechtskonservativen Webseite breitbart.com, wurde abrupt beendet. Er verlässt das Unternehmen mit sofortiger Wirkung.

Das teilte der Journalist am späten Dienstag mit. Vorausgegangen war ein 24-stündiges Dauerfeuer gegen ihn in Medien und sozialen Netzen wegen Äußerungen, die als Rechtfertigung für einvernehmlichen Sex älterer Männer mit Minderjährigen gesehen werden. Das gelte besonders für Beziehungen in der Schwulen-Szene. Yiannopoulos ist bekennender Homosexueller.

Man kann vieles machen im Zeitalter des Donald Trump, in dem gerade hemmungslos ausgelotet wird, wie weit man tatsächlich gehen kann. Yiannopoulos hat nun eine Grenzlinie gefunden.

Buchverlag und Konservative wenden sich ab

Trotz Beteuerungen am Montag, er sei missverstanden worden und habe sich ungeschickt ausgedrückt, wandte sich die öffentliche Meinung gegen ihn, als ein kompromittierendes Video aus seiner Vergangenheit mit den Äußerungen im Internet auftauchte. Zunächst verlor er einen millionenschweren Buchvertrag.

Danach wurde er von der hochkarätigsten Veranstaltung der Konservativen, der „Conservative Political Action Conference“ (CPAC) als Redner ausgeladen. Die CPAC ist jedes Jahr das wichtigste und größte Treffen der Partei. Die Entscheidung ihn auszuladen sei „einstimmig“ gefallen, so die Veranstalter.

Mit dem Ausscheiden bei Breitbart hat der Brite mit griechischen Wurzeln, Gesicht und Stimme der neuen Ultra-Rechten der USA, nun auch seine letzte Bastion verloren. „Breitbart News hat zu mir gehalten, als andere gekniffen haben“, erklärte er. „Es wäre falsch, wenn ich jetzt erlauben würde, dass meine armselige Wortwahl von der wichtigen journalistischen Aufgabe der Kollegen ablenken würde. Also werde ich mit heutigem Datum Breitbart verlassen.“ Am Vortag waren bereits Medienberichte im Umlauf, wonach Breitbart-Mitarbeiter und Autoren seinen Rauswurf forderten, sonst würden sie gehen.

Die Frage, die Washington umtreibt, ist, welche Rolle Steve Bannon, heute Senior Berater von Präsident Donald Trump im Weißen Haus, bei alldem gespielt hat. In seiner Zeit als Herausgeber von Breitbart hatte er dem heute 33-jährigen Draufgänger eine Plattform gegeben. In einem Artikel für die Washington Post dankte er Bannon dafür, aus ihm „einen Star“ gemacht zu haben.

Im Gegenzug machte er Breitbart zum medialen Presslufthammer der ultrarechten Weißen, setzte sich während des Wahlkampfs vehement für Donald Trump ein, provozierte immer wieder mit antisemitischen oder rassistischen Äußerungen. Wegen fortgesetzter Hetze gegen eine farbige Schauspielerin wurde Yiannopoulos‘ Twitter-Account zeitweise gesperrt.

Ausschreitungen und Twitter-Sperre


Als er im Februar an der Universität Berkeley in Kalifornien sprechen wollte, kam es zu schweren Ausschreitungen. Der Vortrag wurde aus Sicherheitsgründen abgesagt. Trump drohte der Universität danach, ihr sämtliche finanzielle Unterstützung zu entziehen. Yiannopoulos war auf dem Gipfel der Popularität als Vorkämpfer der angeblich von den Linken unterdrückten konservativen Bewegung.

Und jetzt der tiefe Fall. Offiziell gibt es keinen Kommentar aus dem Weißen Haus zur Personalie Yiannopoulos. Aber Donald Trump versucht derzeit mit Macht, seinen Ruf als Präsident der weißen US-Bevölkerung abzuschütteln.

Trump will seinen Ruf ändern

Am Dienstag besuchte er demonstrativ ein Museum über die Geschichte der Schwarzen in den USA und äußerte sich dabei zum rapiden Anstieg anti-semitischer Gewalttaten in den USA der seit Januar zu beobachten sind. Überfälle auf jüdische Gemeindezentren nehmen zu, und jüdische Friedhöfe werden geschändet. Die Vorfälle nannte Trump „grauenvoll“ und sie „müssen aufhören“.

Eine direkte Linie vom populistischen Wadenbeißer Yiannopoulos über Steve Bannon, dem Kritiker seit seinen Zeiten bei Breitbart Antisemitismus und Rassismus vorwerfen, bis ins Oval Office zu Donald Trump, der selbst Probleme mit sexistischen Äußerungen hat, passt da nicht zusätzlich in die politische Landschaft. „Yianni“ ist vom Unterstützer zum Problem geworden. Kommentatoren gehen davon aus, dass seine Kündigung, die von Breitbart mit dürren Worten angenommen wurde, nicht ohne Rücksprache mit Bannon erfolgt sei und einer Kündigung durch das Unternehmen zuvorkam.

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Doch Yiannopoulos will nicht so einfach aufgeben. In einer am Dienstag veröffentlichten Mitteilung bezeichnet er sich zunächst selbst als Opfer von Kindesmissbrauch. Im Alter von „13 bis 16 Jahren“ sei er von zwei Männern „in einer Art berührt worden, wie es nicht hätte sein sollen.“ Einer davon sei ein Priester gewesen. Die Beziehung zu den Männern sei „kompliziert“, weil er damals noch nicht wahrgenommen habe, dass er ein Opfer war. Heute sehe er das anders. Seine Aussagen zu dem Thema, eine Mischung aus „britischem Sarkasmus, Provokation und Galgenhumor“ hätten zu einem Teil dazu beigetragen, dass sein Standpunkt falsch interpretiert worden sei.

Doch nur wenig später war er wieder da, der alte „Yianni“. Von Einsicht fehlt nun jede Spur: „Aus politischem Kalkül haben diese Woche Medien und das republikanische Establishment ein Opfer von Kindesmissbrauch der Förderung von Kindesmissbrauch bezichtigt“, postete er auf Facebook. „Das ist einfach nur krank. Aber sie haben mich nicht umgebracht. Sie haben mich nur stärker gemacht.“

Er will jetzt eine eigene Medienfirma in Konkurrenz zu Breitbart gründen und einen neuen Verleger für sein Buch finden. Noch sitzt er frierend und nass im Rettungsboot und schaut auf die Trümmer seiner Karriere. Aber am Ende will er allen zeigen, so wie früher.

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