James Quarles ist einer der wichtigsten Manager bei Instagram. Als Global Head of Business & Brand Development ist er für die Monetarisierung verantwortlich. Doch sein Produkt nutzt er erstaunlich selten. Gerade einmal zwanzig Bilder und Videos hat Quarles im Vorjahr veröffentlicht. Ist er öffentlichkeitsscheu oder ist das Leben eines Instagram-Managers so langweilig? Der Sonnyboy mit Dreitagebart im karierten Hemd lacht. „Mein Account ist meine Identität“, sagt Quarles, „ich nutze ihn, um die Momente zu dokumentieren, die mir besonders wichtig sind“.
Besonders schön müssen sie freilich auch sein. Und so finden sich im Profil von Quarles tolle Landschaftsaufnahmen wie das Foto eines Heißluftballons, der sich in einem See spiegelt und zwischendurch natürlich auch schick angerichtete Speisen. Es ist der Prototyp eines Instagramprofils und zeigt damit gleichermaßen das Erfolgsgeheimnis und Dilemma der Facebook-Tochter.
600 Millionen Menschen nutzen Instagram inzwischen, doch der Bilderdienst ist zur Plattform für Hochglanzselfies und #Foodporn geworden. Auf der Jagd nach möglichst vielen Likes posten die meisten Nutzer eben nur möglichst perfekte Bilder. Das ist auch einer der Gründe für den Aufstieg von Snapchat. Dort sind die Aufnahmen nur für eine begrenzte Zeit sichtbar. Die Folge: Während viele Instagram-Nutzer sehr wählerisch und zurückhaltend sind, können Snapchatter gar nicht genug veröffentlichen.
Das Problem hat auch Instagram erkannt und im vergangenen Sommer reagiert. Mit Instagram Stories wurde eine Funktion eingeführt, die das Snapchat-Prinzip schlicht kopierte: Nutzer können Bilder und Videos zu Geschichten zusammenfügen und einfach mit Texten, Emojis und anderen Stickern verzieren. Die Bildergeschichten sind dann nur für 24 Stunden sichtbar.
„Die Funktion gibt den Menschen die Möglichkeit, mehr Momente zu teilen – ohne dass diese dauerhaft in ihrem Profil angezeigt werden“, sagt Instagram-Manager Quarles. Reaktionen und Kommentare bleiben dabei privat und auch der unterschwellige Druck, möglichst viele Likes zu bekommen, fällt so weg.
150 Millionen nutzen Snapchat-Kopie
Doch lässt sich damit der Aufstieg des an die Börse drängenden Snapchat stoppen? Mit bis zu 25 Milliarden Dollar könnte es dabei bewertet werden. Mark Zuckerberg hatte früh versucht, den aufstrebenden Rivalen zu kaufen – wie zuvor schon Instagram oder WhatsApp. Doch bei Snapchat-Gründer Evan Spiegel blitzte der Facebook-Chef ab. Nun versucht er, dagegenzuhalten, indem Kernelemente des Konkurrenten kopiert werden. Auch bei WhatsApp oder Facebook wurden in den vergangenen Monaten testweise in verschiedenen Ländern ähnliche Filterfunktionen wie bei Snapchat eingeführt.
Wie gut das funktioniert ist umstritten. So bezeichnet beispielsweise Björn Wenzel, Chef der Influencer-Marketing-Agentur Lucky Shareman, die Instagram-Änderungen im Fachblatt „Horizont“ als „Marketing-Fail des Jahres“. Was Instagram eigentlich auszeichne, werde verwässert.
Zudem bezweifeln verschiedene Kommentatoren, dass Snapchatnutzer zu Instagram wechseln. Doch darum geht es auch gar nicht. Zuckerbergs eigentliche Strategie ist es eher, all diejenigen abzufangen, die Snapchat noch nicht nutzen und ihnen neue, offenbar beliebte Optionen zu bieten, bevor sie irgendwann die Konkurrenz ausprobieren. „Es ist ein neues Format und viele Leute erleben es auf Instagram zum ersten Mal“, sagt Quarles.
So sieht die gewöhnliche Facebook-Nutzung aus
Bei 94 Prozent der Nutzer gehört der Besuch bei Facebook genauso zur Alltagsroutine, wie Zähne putzen.
Quelle: The Facebook Experiment: Does Social Media Affect the Quality of our Lives?
86 Prozent lesen ihren Facebook-Newsfeed oft oder sehr oft.
Mehr als drei Viertel der Nutzer verbringen 30 oder mehr Minuten pro Tag auf Facebook.
Bilder sagen mehr als Worte: Mehr als zwei Drittel posten Fotos von großartigen Dingen, die sie erlebt haben.
Mein Haus, mein Auto, mein Boot: 61 Prozent posten auf Facebook, was ihnen Gutes wiederfahren ist.
Der Plan scheint aufzugehen. So nutzen inzwischen 150 Millionen Menschen täglich die Stories-Funktion, teilte Instagram heute mit. Das entspricht einem Viertel aller Instagram-Nutzer. Es sind offenbar auch genug, um damit Geld zu verdienen. Denn Instagram beginnt nun auch Werbung in den Stories zu schalten. Zu den ersten Kunden gehören Zalando, Nike oder Airbnb. Unternehmen haben mit der Funktion generell schon gute Erfahrungen gemacht, so kommt ein Drittel der am meisten angesehen Stories von Firmen und Marken.
Für Instagram, das kürzlich auch eine Live-Video-Funktion eingeführt hat, bieten die Änderungen vor allem die Möglichkeit, attraktivere weil teurere Bewegtbildwerbung einzubinden. Denn auch wenn viele es noch so wahrnehmen, ein reiner Bilderdienst ist Instagram schon lange nicht mehr. Wie bei Facebook werden Videos immer wichtiger. Und so sagte Gründer Kevin Systrom kürzlich auch in einem Interview mit „Wired“: „Nichts ärgert mich mehr, als wenn Leute uns ‚Foto-Sharing-App‘ nennen“.