
Es war am Mittwoch vergangener Woche, als Toyota-Chef Akio Toyoda in Tokio vor rund 400 Journalisten aus aller Welt verkündete, der Konzern werde in den kommenden Jahren die Angriffe von Wettbewerbern abwehren und die Nummer Eins der Branche bleiben. Schon 2015 wolle Toyota weltweit zehn Millionen Fahrzeuge pro Jahr verkaufen. Das ambitionierte Absatzziel war vor allem auch eine Breitseite gegen den Erzrivalen aus Deutschland: Volkswagen hatte zuvor immer wieder betont, bis 2018 zehn Millionen Autos pro Jahr verkaufen zu wollen und so Toyota vom Thron der Autobauer zu stoßen.
Was Toyoda nicht wissen konnte: Nur wenige Tage nach der Pressekonferenz in Tokio versinkt Japan in einer beispiellosen Katastrophe. Die Bänder in allen 12 Fabriken stehen still. Das Schicksal vieler Arbeiter und Angestellten ist ungewiss. Angesichts des Strahlenrisikos im Norden Japans, des allgegenwärtigen Strommangels und der Schäden an Fabriken und Zuliefererbetrieben kann niemand sagen, wann der größte Autohersteller der Welt die Produktion wieder aufnehmen kann. Es könnte Wochen, vielleicht sogar Monate dauern. Die Börse reagiert panisch: Innerhalb eines Tages haben die Toyota-Aktien fast 10 Prozent verloren.
Katastrophe trifft ins Mark
Anders als die Wettbewerber Mitsubishi, Suzuki oder Mazda produziert Toyota nicht im Süden des Landes, sondern vor allem in dem von der Katastrophe am meisten betroffenen Norden. Das Werk Tohoku, wo knapp 400 Angestellten Autoteile produzierten, liegt sogar unmittelbar im Zentrum des Bebens und gut 60 Kilometer vom Katastrophen-Atomkraftwerk Fukushima entfernt.
Die Katastrophe trifft Toyota ins Mark. Sie bremst einen Konzern aus, der nach massiven, hausgemachten Problemen gerade dabei war, sich wieder zu berappeln. Die Wirtschaftskrise, vor allem aber Qualitätsprobleme und Rückrufe von Millionen von Fahrzeugen hatten den Autobauer 2009 in die roten Zahlen getrieben.
Konzernchef Toyoda, ein Urenkel des Firmengründers, bescheinigte dem Unternehmen fast schon marode Zustände und beschloss in den vergangenen Monaten einen radikalen Konzernumbau: Der Absatz in Schwellenländern wie China und Indien soll massiv gesteigert werden, auch mit Hilfe neuer Fabriken. Der gesamte Konzern soll dezentralisiert und globalisiert werden. Die Unternehmensspitze wird von 27 auf elf Vorstandsposten zusammengestrichen. Im April, so steht es in Toyodas Zehn-Jahres-Plan „Global Vision“, sollte es mit dem Umbau losgehen.
Doch statt in Schwellenländern anzugreifen, statt mit neuen Qualitätsoffensiven das Markenimage in den USA zu polieren, statt den Konzern weltweit schneller und kundenorientierter zu machen, wird sich Toyoda nun darum kümmern müssen, im Heimatmarkt Japan die Dinge wieder ins Laufen zu bekommen.
Fast 60 Prozent der weltweit verkauften Toyotas kommen aus Japan. Hakt es hier mit der Produktion, kann schnell der ganze Konzern aus dem Tritt geraten. Besonders empfindlich macht die japanische Automobilindustrie das System der Just-in-Time-Fertigung, bei der es fast keine Lagerhaltung gibt, sondern alles direkt ans Band geliefert wird. Diese landesweit eng miteinander verwobenen Lieferketten sind durch die Naturkatastrophe nun unterbrochen.