Jeff Bezos Dieser Brief des Amazon-Gründers ersetzt ein Management-Handbuch

Ein Management-Handbuch auf drei Seiten: Der Amazon-Gründer Jeff Bezos teilt seine Weisheiten in seinem Jahresbrief. Eine davon lautet: Lassen Sie es nie zum Tag 2 kommen!

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Weisheiten eines Mega-Managers: Amazon-Gründer Jeff Bezos Quelle: dpa

Wenn Amazon-Chef Jeff Bezos sich zu Wort meldet, hören die Menschen zu. Das gleiche gilt, wenn der erfolgreiche Unternehmer seinen jährlichen Brief herausgibt, in dem er seine Weisheiten zum Besten gibt. Tatsächlich liest sich auch das letzte dreiseitige Schreiben wie ein Management-Ratgeber im Kurzformat.

Die Energie des Tag 1 ist in diesem Jahr das Thema wie auch die Frage, wie man es verhindert, am Tag 2 anzukommen. Denn Tag 2, das ist in den Augen von Bezos schon der Anfang vom Ende: „Tag 2 ist Stillstand. Gefolgt von Irrelevanz. Gefolgt von entsetzlichem, qualvollem Niedergang. Gefolgt von Tod”. Nein, da will man nicht ankommen.

Aber wie kann man die Vitalität von Tag 1 beibehalten? Bezos gibt seinen Lesern ein „Startpacket mit Grundlagen für die Verteidigung des Tag 1“ in vier Punkten auf den Weg:

1. Wahre Kunden-Obsession

„Kunden sind immer wunderschön, wunderbar unzufrieden, auch wenn sie berichten, glücklich zu sein und das Geschäft großartig ist. Auch wenn sie es noch nicht wollen, die Kunden wollen etwas Besseres, und Ihr Wunsch, Kunden zu begeistern, wird dich dazu bringen, in ihrem Namen Neues zu erfinden“, schreibt Bezos.

Kein Kunde habe jemals nach Amazon Prime gefragt, aber wie man sehe, wollten sie es. Dabei müsse man geduldig experimentieren und Misserfolge annehmen.

von Matthias Hohensee, Jacqueline Goebel, Henryk Hielscher, Thomas Kuhn, Peter Steinkirchner

2. Proxies (Stellvertreter-Dingen) widerstehen
Wenn Unternehmen größer und komplexer werden, gibt es eine Tendenz zu „Proxies“ – wenn auf einmal weniger wichtige Dinge verwaltet werden und das Wichtige in den Hintergrund gerät. Bezos nennt Prozesse als Beispiel für solche „Proxies“.

Eigentlich dienen die Prozesse dazu, den Kunden gut zu bedienen. Aber wenn man nicht aufpasst, geht es den Managern nur noch um die Prozesse. Erfahrene Manager müssten Prozesse untersuchen und hinterfragen, wenn etwas nicht läuft, statt diese als Ausrede nehmen nach dem Motto: Wir haben uns ja an die Prozesse gehalten.


Und als kleiner Zusatz: Sein Brief aus dem Jahr 1997


Ein weiteres Beispiel für solche „Proxies“, wie sie Bezos nennt: Marktforschung und Kundenbefragungen. Auch die können, wenn man nicht aufpasst, den Platz der wahren Kunden einnehmen. Gute Erfinder und Designer versuchen ihre Kunden in der Tiefe zu verstehen.

„Sie schauen sich lieber viele Anekdoten an und versuchen, sie zu verstehen als nur die Durchschnittswerte, die Sie bei Umfragen finden werden“, schreibt Bezos. Eine tolle erinnerungswürdige Kundenerfahrung beginne mit Herz, Intuition, Neugier, Spiel, Bauchgefühl und Geschmack. „ Nichts davon finden Sie in einer Umfrage“.

3. Externe Trends aufnehmen

Wer nicht schnell neue Entwicklungen aufnimmt, findet sich schnell im Tag 2 wieder, ist Bezos überzeugt. „Wenn Du gegen sie kämpfst, kämpfst Du wahrscheinlich gegen die Zukunft. Nehme sie auf und du hast Rückenwind“, so sein Rat.
Als große Trends nennt er lernende Maschinen und künstliche Intelligenz. Lernende Maschinen kämen bei den Amazon Prime Air Lieferdrohnen zum Einsatz. Vieles laufe aber unter der Oberfläche: Algorithmen für die Bedarfsprognose, Produktsuchranglisten, Produkt- und Angebotsempfehlungen, Merchandising Platzierungen, Betrugserkennung, Übersetzungen und vieles mehr.

4. Entscheidungen in Hochgeschwindigkeit treffen

„Auch Tag-2-Unternehmen machen qualitativ hochwertige Entscheidungen, aber sie machen qualitativ hochwertige Entscheidungen langsam“. Die Dynamik von Tag 1 zu behalten ist gerade für große Organisationen schwer. Es gebe auch nicht eine Methode, die für alle passt.

Man könne auch nicht immer alle Informationen abwarten, die man gerne hätte, um die Entscheidung zu treffen. Oft könne man diese noch auf dem Weg korrigieren. Das sei oft weniger kostspielig, als langsam zu sein.
Ganz wichtig ist für Bezos die Methode „Disagree and Commit“ – nicht einverstanden sein, aber trotzdem dazu stehen. Oft sei er nicht einverstanden, gebe aber trotzdem grünes Licht. Das spare die Zeit, die die Mitarbeiter sonst bräuchten, um ihn zu überzeugen.

Und ganz am Ende fügt Jeff Bezos – wie jedes Jahr – noch einmal den Aktionärsbrief aus dem Jahr 1997 an – dem Tag 1 des Unternehmens.

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