Joachim Scholtyseck im Interview "Günther Quandt war ein geschickter Opportunist"

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Die Boomjahre des Dritten Reiches war die Expansionsjahre der Quandts"

Die Gewinne aus der Kriegswirtschaft und der Zwangsarbeit dienten also dazu, das Vermögen der Quandt-Gruppe zu erhalten.

Und zu erweitern. Es gibt keinen Zweifel: Die Familie ist im Dritten Reich durch Rüstungsinvestitionen, die zum Teil auf Pump liefen, trotz Kriegsverlusten erheblich reicher geworden. Wobei Günther Quandt eine Doppelstrategie fuhr: Einerseits wurde die Zivilsparte ausgebaut, die vom Motorisierungsboom unter Hitler profitierte, andererseits die Rüstungssparte gestärkt. Ab 1939 ist die Wehrmacht Hauptabnehmer. Die Boomjahre des Dritten Reichs waren Expansionsjahre für Quandt.

Macht das Günther Quandt zum Profiteur und Komplizen des NS-Systems?

Das lässt sich nicht so eindeutig trennen, denn staatliche und unternehmerische Interessen gingen ineinander über. In erster Linie war Günther Quandt ein Mann der Wirtschaft, der sich ideologisch gar nicht exponieren musste, um seine Profite zu machen. Aber er war mehr als nur „verstrickt“, er hat systematisch seine Netzwerke aufgebaut und gezielt mit den Männern des Regimes kooperiert.

Was bedeutet seine Inhaftierung 1933?

Dass er für mehrere Wochen im Gefängnis war, ist sicher kein Beweis dafür, dass er dem Regime ferngestanden hat, auch wenn Quandt das nach dem Krieg gern so dargestellt hat. Mit dieser Verhaftung sollte einem mächtigen Wirtschaftsführer signalisiert werden, dass jetzt andere das Sagen haben.

Gibt es Dokumente, die auf moralische Bedenken der Quandts hinweisen?

Nein, dafür hatten die Quandts offenbar kein Organ. Gerade die „Arisierungen“ zeigen, dass Günther Quandt jede Gelegenheit zur Bereicherung nutzte, wenn es in die Unternehmensstrategie passte. Und dabei auch nicht davor zurückschreckte, sich der rassistischen Ideologie der Nazis zu bedienen. Jüdische Unternehmen im Ausland, bei denen der Zugriff am einfachsten schien, wurden im Weltkrieg als Erste ins Visier genommen.

Zeigte Günther Quandt niemals Skrupel?

Verglichen mit Robert Bosch, einem sozial denkenden Liberalen und Hitler-Gegner, war Quandt ein skrupelloser Unternehmer. Wenn er Kapital schlagen konnte aus politischen oder militärischen Entwicklungen, war er sofort dabei. Vor allem war er ein geschickter Opportunist, ein Mann, der sich wechselnden Zeitläufen anpassen konnte, der klug und kühl mit jedem Regime zurechtkam, ob mit dem autoritären Kaiserreich, der labilen Weimarer Republik, dem totalitären Dritten Reich oder der jungen Bundesrepublik. Insofern war er, um es mit einer Formel meines Kollegen Lothar Gall über den Bankier Abs zu sagen, „a man for all seasons“.

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