Joschka Fischer Dick im Geschäft

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Joschka Fischer_2 Quelle: picture-alliance/dpa

Natürlich weiß Unternehmer Fischer, dass er mit solchem Geschwurbel nirgendwo landen kann. Deshalb hat er sich etwas ausgedacht, womit er sich von den vielen anderen Kontaktschmieden ehemaliger Politiker unterscheiden könnte, eine Unique Selling Position, wie Marketingexperten sagen. Er betreibe seine JF&C nämlich mit der ehemaligen US-Außenministerin Madeleine Albright zusammen, betont er und schlägt mit den Wimpern. „Mit Madeleine bieten wir global an, das macht sonst keiner.“

Fischer hat rigoros mit allem gebrochen, was nur im Entferntesten nach Ökopaxe und Basisdemokratie riecht. „Nein, nein, so was machen wir nicht“ – „das stellen Sie sich zu einfach vor“, wehrt er Vermutungen ab, er könnte mit Sympathisanten aus alter Zeit, etwa mit Nichtregierungsorganisationen wie WWF oder Greenpeace, zusammenarbeiten. Auch wenn die selbst bei Konzernlenkern langsam hoffähig werden, für Fischer sind das Krethi und Plethi von der Straßendemo, von denen er nichts mehr wissen will. Er will ja Geld verdienen, das ist legitim, will in den Top-Etagen nicht mehr als Realo, sondern als Respektsperson gelten.

Pension reicht nicht

„Man darf in der Beratung nicht zu politisch werden“, doziert er. „Man muss entpolitisieren, sonst gibt es zu viel Widerstände für ein Unternehmen.“ Und dann kommt das volle Pfund zum Mitschreiben: „Meine Beratung hier ist die Fortsetzung der Außenpolitik mit anderen Mitteln.“

Vier Jahre nach dem Ende von Rot-Grün, am 2. Juli 2009, gründet Fischer seine Firma zusammen mit dem langjährigen Pressesprecher der Grünen im Bundestag, Dietmar Huber. Fischer hält 51 Prozent, Huber 49 Prozent. Das Stammkapital beträgt 25 000 Euro. Das erste Geschäftsjahr ist im Bundesanzeiger veröffentlicht, es ist ein Rumpfgeschäftsjahr, denn es begann ja erst in der Mitte des Jahres. 209 000 Euro Gewinn machte JF&C 2009 offiziell, dem standen 172 000 Euro Verbindlichkeiten gegenüber – Designermöbel sind teuer. Für 2010 gibt es noch keine Bilanz. Das Zehnfache an Gewinn, grob zwei Millionen Euro, wird erwartet.

Fischer reicht seine Pension als Außenminister a. D. nicht. Die 11.000 Euro im Monat, für die meisten seiner alten Parteifreunde und Bundesbürger ein toller Betrag, wirken läppisch für diejenigen, die er berät und denen er sich zugehörig fühlt. BMW-Chef Norbert Reithofer, Siemens-Lenker Peter Löscher kommen auf das 20-Fache, RWE-Chef Grossmann hat seit seinem 32. Lebensjahr nicht mehr so wenig verdient, ist heute auch noch Stahlunternehmer und 100-facher Millionär. Wer zu Gast bei seinen Hummerpartys auf dem Weltwirtschaftsgipfel in Davos ist, spürt den gar nicht so feinen Unterschied.

Kein „Hallo Joschka“ mehr

Und trotzdem ist Fischers eigentliche Benchmark jemand anderes. Sein inneres Auge ruht auf Zug in der Schweiz, dem Sitz der Nordstream Pipelinegesellschaft. Dort residiert „der Altkanzler“, wie Fischer seinen ehemaligen Koalitionspartner und Regierungschef nur noch nennt. Schröder ist Aufsichtsratschef des Unternehmens, das gerade die Gaspipeline zwischen Russland und Deutschland durch die Ostsee verlegt. In dieser Funktion verdient er 250.000 Euro im Jahr. Der Job ist locker, nicht sehr zeitaufwendig. Entscheidungen bei Nordstream treffen sowieso die Teilhaber, darunter der russische Gaskonzern Gazprom, Gaz de France und E.On aus Düsseldorf.

Fischer muss im Vergleich zu Schröder deutlich mehr ackern. Er präsidiert nicht, die großen Wirtschaftsbosse, die er bedient, wollen Leistung und Präsenz. Deshalb verspricht Fischer seinen Kunden eine Mischung aus Personality-Show, Netzwerk und einem kräftigen Spritzer Nachhaltigkeit.

Was Fischer bringen muss, zeigten die Manager des Lebensmittelhandelskonzerns Rewe im Spätherbst vergangenen Jahres. Auf einer großen Party zur Verleihung des Nachhaltigkeitspreises im Düsseldorfer Maritim-Hotel gab Rewe-Berater Fischer den herausragenden Stargast. 1000 Gäste applaudierten einer Show, die er dem Einsatz für Gesundheit und Umwelt widmete. Mit Rewe-Chef Caparros verbindet Fischer an diesem Abend herzliches Schulterklopfen. Die ausgestreckte Hand von Ernst Ulrich von Weizsäcker hingegen, dem ehemaligen Chef des Wuppertaler Instituts für Umwelt und Energie, lässt er unberührt und geht weiter. Mit „Hallo Joschka“ will Unternehmer Fischer nicht angesprochen werden. Wenige Meter von der Bühne entfernt paffen die Gäste in der Rewe-Raucherlounge, wo Reemtsma kostenlos Zigaretten und Zigarren feilbietet.

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