Joschka Fischer Dick im Geschäft

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Im Augenblick müssen die Promi-Einlagen allerdings hintanstehen. Fischer ist bei BMW demnächst gefordert wie noch nie. Denn der Ernstfall ist eingetreten. In Indien, dem wichtigen Zukunftsmarkt der Bayern, ließ Umweltminister Jairam Ramesh erst im November eine verbale Bombe hochgehen. „Die Nutzung von Fahrzeugen wie BMW in Ländern wie Indien ist kriminell“, sagte der Inder und legte nach: Er halte BMW-Fahrer für Rabauken, mit BMW-Autos würde der Ausstoß von Treibhausgasen in Indien zunehmen.

Fischer muss jetzt zeigen, was er in seinen sechs Jahren als deutscher Außenminister gelernt hat. Noch im Februar wollte er eigentlich nach Dehli fliegen, um sich bei Ramesh genau anzuhören, warum der Inder es so sehr auf die Bayern abgesehen habe und wie sich das Verhältnis wieder kitten lasse. Dass sich ein Fischer aber inzwischen auch mal etwas weiter hinten anstellen muss, zeigte die bedauernde Note von Ramesh von Anfang des Jahres. Das Treffen könne aus Termingründen nun doch leider nicht stattfinden. Ausweichtermin: im Herbst, noch undatiert. Näheres regelt das Ramesh-Vorzimmer.

So offenkundig Fischer sich weiterhin als verkappter Außenpolitiker betätigt, so sehr wähnt er sich mittlerweile gleichzeitig im Lager der Unternehmer und Konzernlenker angekommen. Er lehnt sich zurück in der Sitzecke seines Büros, macht eine Sprechpause und erzählt von seinen neuen Freunden.

Feine Treffen am Genfer See

„Der Cromme ist ein sehr politisch denkender Mensch“, urteilt er zum Beispiel über Gerhard Cromme, den Aufsichtsratsvorsitzenden von ThyssenKrupp und Siemens. Einmal im Jahr treffen sich beide in Evian am Genfer See zu einem deutsch-französischen Manager- und Politikertreffen im Hotel Royal Palace. Siemens-Chef Löscher geht auch gerne hin – Fischer hielt dort vor zwei Jahren einen Vortrag über das deutsch-französische Verhältnis. Gründer des Zirkels ist der frühere Daimler-Chef Edzard Reuter. Allerdings dämpft der die Bedeutung Fischers im Evian-Kreis: „Ulli Wickert von den Tagesthemen war ja seinerzeit auch bei uns.“

Cromme will sich gar nicht über Fischer äußern. Für ihn, der sich selbst am liebsten zur Statue meißeln ließe, ist die Nähe zu Fischer eher ungut. Crommes Rolle als distinguierter Chefkontrolleur verträgt sich nur schwer mit dem lebensprallen, urtümlichen und auch schroffen Ex-Politiker. Und trotzdem braucht Cromme Fischer, weil ihn und und den Siemens-Chef umtreiben, was der amerikanische Erzrivale General Electric wohl im Schilde führt. Um dies herausfinden, beauftragte der Siemens-Vorstand Fischer und Albright, sie mögen bitte die wirtschaftlichen Konsequenzen der Zusammenarbeit zwischen China und den USA für die Münchner ausloten. Im Kern geht es dabei um die Frage, ob Siemens davon profitiert und inwiefern ein wirtschaftlicher Schulterschluss der beiden Supermächte eher dem Erzrivalen General Electric hilft.

Siemens bestätigt diese Anliegen nicht, sondern erklärt nur: „Wir haben Fischer und Albright dazu beauftragt, die Entwicklung auch der Megacitys in China zu analysieren.“ Fischer selbst und seine amerikanischen Freunde organisieren für Löscher und Siemens-Vorstände wie die Einkaufschefin Kux Treffen mit Kongressabgeordneten. Zudem trafen sich Fischer, Löscher und andere Siemens-Top-Manager am 26. November 2010 in den Geschäftsräumen von Albright, um die USA-Strategie abzustecken.

Dass er mehr produziert als warme Worte, muss Fischer wohl am nachhaltigsten bei RWE beweisen. Den Beratervertrag verdankt er Konzernchef Großmann, der sich am Bau der Nabucco-Gaspipeline beteiligt. Die geplante Röhre ist politisch viel riskanter und brisanter als die Gasleitung Nordstream durch die Ostsee, die Fischers Gegenspieler Ex-Kanzler Schröder beaufsichtigt. Nabucco soll Europa unabhängiger von Russland machen und durch vier verschiedene Länder von Aserbaidschan über die Türkei führen.

Ob es je dazu kommt, ist völlig offen. Denn die Regierungen der beteiligten Länder fürchten, dass Russland sich an ihnen rächen könnte, wenn sie Europa unter Umgehung des Putin-Reiches mit Gas versorgen. Fischer ist schon aktiv geworden, aber auch nach Jahren der Sondierung, sogar im Nordirak, wo theoretisch große Gasvorkommen für Nabucco liegen, hat er keinen Erfolg erzielt. Es muss Fischer wurmen, dass er noch keinen einzigen Fördervertrag zustande gebracht hat, während „der Altkanzler“ die Ostsee-Pipeline bereits in einem Jahr feierlich eröffnen dürfte.

Dem Juniorpartner in der einstigen rotgrünen Bundesregierung bleibt deshalb nur, es mit Galgenhumor zu nehmen. Das riskante Pipeline-Projekt, für das er nun schon so lange erfolglos antichambriert, hatte einst den Namen Nabucco erhalten, weil die gleichnamige Verdi-Oper gerade in Wien aufgeführt wurde, sagt er und setzt das breitest mögliche Grinsen auf: „Ich bin ja schon froh, dass nicht gerade Wagners Götterdämmerung gespielt wurde.“

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