Kameras Canon und Nikon: Smarte Rivalen

Japans Konzerne Canon und Nikon sind die Könige der Spiegelreflexkameras. Sie kämpfen gegeneinander – und hängen die Konkurrenz vereint ab.

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Canon-Präsident Tsuneji Quelle: REUTERS

Eigentlich dürften sich Tsuneji Uchida und Michio Kariya nicht mögen, sondern müssten sich erbittert bekämpfen. Denn ihre Unternehmen konkurrieren um die Weltmarktführerschaft. Stattdessen sind Uchida, der Präsident des Kameraherstellers Canon, und Kariya, sein Gegenüber von Nikon, in „freundlicher Rivalität“ verbunden, ja, sie seien sogar persönliche Freunde.

Vom „Kampf der Giganten“ wollen beide nichts wissen, eher vom „sportlichen Wettbewerb, bei dem es am Ende nur Sieger gibt“.

Wo immer auf der Welt ein etwas besserer Fotoapparat Klick macht, fast immer freuen sich Uchida und Kariya. Allein die Deutschen drücken rund 500-mal pro Sekunde auf den Auslöser, fast 15 Milliarden Mal im Jahr. Und geht es um anspruchsvolle Bilder mit digitalen Spiegelreflexkameras, stellt sich für Profis und ehrgeizige Amateure die gleich Frage: Canon oder Nikon? Hersteller wie Olympus, Sony oder Pentax sind nur Außenseiter.

Canon und Nikon liefern sich ein packendes Kopf-an-Kopf-Rennen. Mal führt der eine, mal der andere. Zusammen vereinigen beide Giganten rund 80 Prozent des Marktes für digitale Spiegelreflexkameras, der auf rund 9,5 Milliarden Euro geschätzt wird. Im Wettlauf um Platz eins seien Canon und Nikon „smarte Konkurrenten wie BMW und Daimler, die sich mit Achtung begegnen und gegenseitig herausfordern“, sagt Stefan Lippert, Partner der Unternehmensberatung Simon und Kucher in Tokio.

Mit ihren digitalen Spiegelreflexkameras, der Königsklasse der Fotoapparate, zielen Canon und Nikon auf Profis und ambitionierte Hobby-Fotografen. Bei den Olympischen Spielen in diesem Sommer in Peking sei der Kampf unentschieden ausgegangen, urteilte die japanische Fachpresse.

Etwa die eine Hälfte der Bildreporter, nutzte Nikon, die andere Hälfte Canon. Im Nikon-Camp wurde gefeiert. „Wir haben viele Profis zurückgeholt“, freut sich Firmenmanager Susumu Enomoto. Bei den Spielen 2004 in Athen hätten nur 10 bis 20 Prozent der Profis Nikon benutzt.

Den Wettstreit um die Gunst des Kunden führen Canon und Nikon in erster Linie über die technischen Eigenschaften ihrer Kameras, die sich bis zur 40.000 Euro teuren Fotoausrüstung hochzüchten lassen. Lange war Nikon die erste Wahl für Berufsfotografen – und damit der Maßstab auch für interessierte Laien.

Dann aber verlor das Unternehmen Anfang der Neunzigerjahre Fans und Marktanteile, weil es die Autofokus-Technik verschlief, mit deren Hilfe die Kameras Bilder selbstständig scharf stellen. „Wir waren vor allem bei der Entwicklung der Objektive nicht schnell genug“, räumt Nikon-Manager Enomoto ein.

Canon überraschte damals die Fachwelt mit schnellen Fokussierungssystemen für die neue Profireihe EOS – benannt nach der Göttin der Morgenröte aus der griechischen Mythologie. Die verlieh dem roten Canon-Logo zeitweise ein fast überirdisches Image.

Als die digitalen Spiegelreflexkameras die Apparate mit dem herkömmlichen Film abzulösen begannen, spannte Canon mit der hoch entwickelten Autofokus-Technik Nikon die einflussreiche Clique der professionellen Fotografen fast völlig aus.

Aber ausgerechnet die EOS-1D Mark III, mit der Canon „einen neuen Standard in der Profifotografie“ setzen und Nikon abhängen wollte, endete fast im Desaster. Nach dem Debüt im Mai 2007 monierten Bildjournalisten Schwächen beim Autofokus-System, die Canon erst sehr spät einräumte.

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„Wir brauchten mehrere Monate, um die Fehler in der Produktion abzustellen“, bekennt Manager Kazuhiko Arakawa. In diese Schwäche stieß Nikon mit dem neuen Top-Modell D3 und zog reihenweise Berufsfotografen wieder auf seine Seite.

Jetzt warten Experten gespannt, wie das Rennen weitergeht. Canon-Manager Arakawa ist sich sicher: „Das kommende Top-Modell bringt die Marktanteile garantiert wieder in Bewegung.“ So drängt Nikon aktuell an den Drücker. Das Unternehmen will von Mitte Dezember mit der neuen, besonders hochauflösenden Kamera D3x den Profimarkt neu aufmischen.

Für die fast schon saturierte Fotokamerabranche sind die digitalen Spiegelreflexkameras der letzte Wachstumsmotor. Gewinnmargen und Markentreue sind höher, Preisverfall und Konkurrenz geringer als bei den Kompaktkameras, die auch andere Elektronikhersteller in Asien oder den USA günstig anbieten.

Wer auf eine teure Spiegelreflexkamera umsteigt, kauft nicht nur das neueste Gehäuse mit aktuellster Technik. Er folgt auch beim Zubehör gläubig dem rasanten Fortschritt, leistet sich gern die aktuellen Objektive und Blitzgeräte.

Wo die Reise hingeht, zeigen die Nikon D90 und die Canon EOS 5D Mark II, die auf der Branchenmesse Photokina in Köln vorgestellt wurden und die im aktuellen Weihnachtsgeschäft punkten sollen. Beide Modelle können auch Videos aufnehmen.

Damit „signalisieren sie den Paradigmenwechsel zu einer neuen Kamerageneration“, erwartet Analyst Takeaki Suematsu von Dresdner Kleinwort in Tokio. „Die Integration von Fotos und Bewegtbildern ist noch in der Experimentalphase, könnte aber das Geschäft völlig umkrempeln.“

Nikon-Präsident Michio Kariya Quelle: REUTERS

Dass die beiden Riesen sich auf dem neuen Feld großartig ausstechen, erwartet in Japan kaum jemand. „Technologisch spielen beide Hersteller in derselben Liga“, urteilt Toshiya Hari, Analyst bei Goldman Sachs in Tokio. „Die wollen sich nicht killen, auch nicht über den Preis“, sagt Dresdner-Kleinwort-Analyst Suematsu.

Zu gut funktionierte in den vergangenen Jahrzehnten das gemeinsame Prinzip: Teile den Markt und beherrsche ihn. „Gemeinsam verdrängten Nikon und Canon in den Siebzigerjahren Deutschland aus dem Zentrum der Kameraproduktion“, erinnert sich Suematsu. Zum Sieg über die Konkurrenz verhalfen Canon und Nikon Technologien wie Autofokus, automatische Belichtungsmessung und Präzisionsobjektive.

Ihren Vorsprung verdanken die beiden Riesen aber auch der Nippon AG, jener staatlich forcierten Kooperation japanischer Konzerne, die es auch in Zukunft richten soll. „Unsere Führung bauen wir mit Unterstützung weiterer japanischer Elektronikkonzerne aus“, erklärt Nikon-Manager Enomoto die Strategie.

So verwendet Nikon Bildsensoren des japanischen Unterhaltungselektronikriesen Sony oder schnelle Computerchips von Panasonic. Hinter der Kooperation steht auch die nationale Industrievereinigung CIPA. Die wacht argwöhnisch darüber, dass Japans Unternehmen technische Standards nicht als Waffen im Konkurrenzkampf untereinander einsetzen.

„Einen Krieg der Formate wie früher in der japanischen Elektronikindustrie beim Video-System müssen wir mit allen Mitteln verhindern“, erklärt Nikon-Manager Takuya Moriguchi. „Wir kooperieren nicht nur innerhalb der Kameraindustrie, sondern auch mit den Herstellern von Computer- und TV-Systemen, um kompatibel zu sein und die Kunden nicht zu verunsichern“, bestätigt Canon-Mann Arakawa.

So funktionieren bei digitalen Plattformen wie der Datenübertragung die Brücken zwischen Kameras, Computern oder Druckern bei allen japanischen Herstellern nach denselben Standards. Zugleich verhinderte Nippons gesamte Kameraindustrie, dass die EU im vergangenen Jahr auf Fotoapparate mit Videofunktion höhere Zölle erheben wollte als auf Einzelbildkameras.

Bei allen Gemeinsamkeiten- – die Unternehmenskulturen von Nikon und Canon könnten kaum unterschiedlicher sein. Nikon, 1917 im Rahmen des mächtigen Mitsubishi-Konglomerats aufgebaut, kommt aus der japanischen Rüstungsindustrie und entwickelte zunächst im Auftrag der kaiserlichen Marine Ferngläser. Erst 1948 wurde die erste kommerzielle Kamera produziert.

Der im Vergleich zu Canon kleine Konzern residiert im teuren Mitsubishi-Viertel nahe dem Tokioter Kaiserpalast und gilt als „das traditionelle Unternehmen, das technologischen Fortschritt vor Wirtschaftlichkeit stellt“, erklärt Goldman-Sachs-Analyst Hari.

Der jüngste Wechsel an der Konzernspitze brachte allerdings einen Schwenk. „Seit Michio Kariya im Juni 2007 als Präsident und CEO fungiert, bekommt dieser traditionsbewusste Kamerahersteller einen kommerziellen Blickwinkel“, sagt Dresdner-Kleinwort-Experte Suematsu. Dennoch wirke Nikon weiterhin „introvertiert und sehr auf sich fixiert“, meint Unternehmensberater Lippert.

Canon dagegen, 1937 von jungen Ingenieuren gegründet, ist eines der frühen japanischen Startup-Unternehmen der Sorte Toyota, Honda oder Panasonic, die sich von ganz unten und aus eigener Kraft an die Weltspitze hochgearbeitet haben. Canon residiert, großzügig und modern, ganz im Süden von Tokio in fast dörflicher Umgebung.

Das Unternehmen agiere „sehr kommerziell und marktsensibel“, urteilt Analyst Suematsu. Für Lippert von Simon und Kucher „wirkt Canon aufgeschlossen und vergleichsweise kosmopolitisch. Wohl auch, weil 43 Prozent des Kapitals in ausländischer Hand liegen – deutlich mehr als der japanische Durchschnitt von 27 Prozent“.

Auch die Zielgruppen beider Konzerne sind sehr verschieden. Nikon, so beobachtet Yoshikazu Higurashi, Analyst bei Deutsche Securities in Tokio, spricht „mit seiner technologischen Expertise vor allem Männer an“. Canon bediene sich eines populären Marketings und Markenimages, um eine breitere, vor allem auch weibliche Kundschaft zu interessieren.

Die unterschiedlichen Strategien spiegeln sich auch im Geschäft wider. „Canon gehört mit Gewinnmargen von rund 30 Prozent zu den herausragenden japanischen Firmen wie Toyota, Nikon ist davon weit entfernt“, meint Analyst Tetsuya Wadaki von Nomura Securities. Nikon konnte zwar in den ersten sechs Monaten des Geschäftsjahres mit einer Gewinnsteigerung von 43 Prozent den Rückstand verringern, aber die globale Rezession wirft beide nun offenbar gleichermaßen zurück.

Hoffnungsvoll und zugleich nervös schauen Canon- und Nikon-Manager auf das angelaufene Jahresendgeschäft. Canon-Mann Arakawa macht sich und seinem Kontrahenten Mut: „Wer sich eine Spiegelreflexkamera wünscht, wird sie sich auch kaufen.“

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