
Der schmucklose Saal 411 liegt unter dem Dach des Münchner Oberlandesgerichts und bietet rund 100 Zuhörern Plätze. Von diesen dürfte keiner frei bleiben, wenn an diesem Donnerstag der Vorsitzende Richter Guido Kotschy die nächste Verhandlung im Verfahren mit dem Aktenzeichen 5 U 2472/09 aufruft. Denn zu dem Termin hat das Gericht eine prominente Riege aktiver und früherer Top-Manager der Deutschen Bank geladen: Der frühere Finanzvorstand und aktuelle Aufsichtsratschef Clemens Börsig wird ebenso als Zeuge aussagen wie der amtierende IT-Vorstand Hermann-Josef Lamberti und Ex-Personalchef Tessen von Heydebreck. Um 15 Uhr steht dann der Auftritt von Bankchef Josef Ackermann an.
Die Aussage des bislang nur am Rande beteiligten Ackermann ist ein Höhepunkt in der seit acht Jahren mit aller Härte geführten Auseinandersetzung zwischen dem greisen Medienunternehmer Leo Kirch, 84, und der Deutschen Bank und Ackermanns Vorgänger Rolf Breuer, 73. Kirch wirft Breuer vor, mit einer Aussage in einem Fernsehinterview die Pleite seines Firmengeflechts 2002 gezielt herbeigeführt zu haben. Breuer hatte in dem Gespräch die Kreditwürdigkeit der angeschlagenen Kirch-Gruppe angezweifelt. Zwei Monate später ging der Konzern tatsächlich in die Insolvenz.
Im aktuellen Verfahren hofft die Deutsche Bank nun auf einen juristischen Durchbruch in dem Prozessmarathon. Ihre Vertreter geben sich siegesgewiss, das Institut hat ein Vergleichsangebot des Richters über 775 Millionen Euro abgelehnt. Mit diesem wären alle Ansprüche Kirchs gegen das Institut auf einen Schlag erledigt gewesen. Ob sich Kirch darauf eingelassen hätte, ist unklar. „Die Deutsche Bank ist uns zuvorgekommen“, sagt ein Kirch-Sprecher.
Kein Vertrauensverhältnis

Die Bank stützt sich auf den aus ihrer Sicht bisher günstigen Verlauf des Verfahrens. In der Gesellschaft KGL Pool haben die Kläger die Ansprüche von 17 früher zu Kirch gehörenden Gesellschaften gebündelt. Keine von ihnen hatte eine Kreditbeziehung zur Deutschen Bank, Breuers Pflichten ihnen gegenüber waren deshalb begrenzt. Die Kläger fordern dennoch zwei Milliarden Euro. Vor dem Landgericht hatte die KGL Pool 2009 verloren.
In der letzten Verhandlung Ende März hat die Deutsche Bank zumindest in einem Punkt einen wichtigen Erfolg erzielt. In einem nicht veröffentlichten Hiwnweisbeschluss des Gerichts vom 6. April heißt es, dass „vorvertragliche Verhandlungen nicht hinreichend belegt werden konnten“. Die hätten sich etwa dann ergeben können, wenn es konkrete Gespräche über eine finanzielle Restrukturierung der Kirch-Gruppe durch die Deutsche Bank gegeben hätte. Dafür fand das Gericht keine Belege. Ein Schadensersatzanspruch wegen Verletzung eines Vertrauensverhältnisses sei deshalb „nach vorläufiger Bewertung des Senats nicht ersichtlich“.
Um das Gegenteil zu beweisen, war sogar der gesundheitlich angeschlagene Kirch persönlich erschienen. Doch seine Vernehmung wurde wegen Verhandlungsunfähigkeit abgebrochen. Dass er noch einmal auftritt, ist unwahrscheinlich. „Aus Sicht des Senats erscheint eine weitere Befragung des Zeugen entbehrlich“, steht im Beschluss.
Die Kläger müssten nun beweisen, dass Breuer mit seiner Aussage Kirch vorsätzlich sittenwidrig schädigen wollte. Laut Kirch-Seite gibt es dafür zahlreiche Hinweise, die das Gericht auch gewürdigt habe. Leicht wird der Nachweis aber nicht, bisher gibt es allenfalls Indizien.