Klagen in USA Gefährliche US-Risiken der Deutschen Bank

Aggressive US-Anwälte bedrohen das Institut und andere internationale Großbanken mit immer neuen Millionenklagen. Das Risiko ist schwer kalkulierbar.

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ARCHIV - Die Deutsche Bank in Quelle: dpa

Preet Bharara greift zu harten Methoden, um Verbrechern auf die Spur zu kommen. Bei den Ermittlungen gegen Raj Rajaratnam bediente sich der 43-jährige New Yorker Staatsanwalt Abhörwanzen, um dem Milliardär und Gründer des Hedgefonds Galleon Group Insiderhandel nachzuweisen. Die Gespräche zwischen Rajaratnam und anderen Verdächtigen waren so eindeutig, dass sie die Jury in dem Prozess sofort von der Schuld des Finanzprofis überzeugten.

Lange setzten US-Strafverfolger solche Abhörmethoden nur gegen Mafiabanden, Terroristen und Drogenschmuggler ein. Inzwischen stellt Bharara auch Teile der Wall Street auf eine Stufe mit organisierter Kriminalität. „Wir werden diejenigen verfolgen und bestrafen, die glauben, über dem Gesetz zu stehen und zu klug zu sein, um gefangen zu werden“, sagte er stolz, nachdem Rajaratnam im Mai schuldig gesprochen wurde.

Bankenzentralen beobachten genau

Nun wird Bhararas Treiben auch in europäischen Bankzentralen genau beobachtet, auch in Frankfurt. Denn der Harvard-Absolvent hat seit einigen Monaten die Deutsche Bank im Visier. Im Mai dieses Jahres erhob der Bruce-Springsteen-Fan im Namen des US-Justizministeriums Klage, weil sich die Bank über ihre US-Tochter Mortgage IT Garantien der US-Regierung für Hypothekenkredite erschlichen haben soll. „Lüge, Betrug, Rücksichtslosigkeit“ – die Klage fährt verbal schweres Geschütz gegen die Praktiken auf, mit denen Mortgage IT bis 2007 auch zahlungsschwächeren Amerikanern den Traum vom Eigenheim erfüllte. Als Sühne für seine Missetaten soll das Institut eine Milliarde Dollar zahlen.

Selbst Vergleiche sind Teuer

Der Ton passt zur wachsenden Schärfe bei der rechtlichen Aufarbeitung der durch auf Hypotheken zahlungsschwacher Schuldner ausgelösten Finanzkrise, die vor drei Jahren mit der Pleite der Investmentbank Lehman Brothers den Höhepunkt fand. Nachdem lange wenig passierte, tauchen nun fast wöchentlich neue Forderungen nach Schadensersatz auf und werden für die US-Institute Bank of America und Goldman Sachs, aber auch die Deutsche Bank zum unkalkulierbaren Risiko.

Spätestens seit die Deutsche Bank Anfang des Jahres in einem Bericht des US-Senats über die Ursachen der Finanzkrise ausführlich als einer der übelsten Bösewichte gewürdigt wurde, sind ihre Juristen alarmiert. Über Jahre war die Dauerfehde mit dem inzwischen verstorbenen Medienunternehmer Leo Kirch ihr spektaktulärstes Spielfeld. Nun stellen die Klagen infolge der Finanzkrise eine neue Dimension dar. In den vergangenen Monaten haben auch noch die französisch-belgische Bank Dexia und der Lehrer-Pensionsfonds TIAA Klagen gegen das Institut eingereicht. Zuletzt wurde bekannt, dass auch die britische Finanzaufsicht Ermittlungen gegen die Deutsche Bank aufgenommen hat.

Preet Bharara, U.S. Attorney Quelle: dapd

Was auf die Deutsche Bank und andere Institute zukommt, lässt sich schwer beziffern. So schwanken die Schätzungen für die finanziellen Folgen der Klagen der Federal Housing Finance Agency (FHFA) gegen die Deutsche Bank und 16 andere Institute extrem und reichen bis zu 25 Milliarden Dollar.

Zwar dürften die meisten Verfahren trotz der kraftmeierischen Rhetorik der Kläger mit einem Vergleich enden. Aber selbst deren Kosten könnten nach Schätzungen von Insidern allein für die Deutsche Bank in die Milliarden gehen. Dennoch ist diese Form der Konfliktbewältigung für die Banken oft noch die beste: Sie ersparen sich jahrelange Imageschäden und weichen der oft unkalkulierbaren Entscheidung einer Jury aus.

Ackermann kämpferisch

So dürfte auch die Anfang September eingereichte Klage der FHFA gegen die Deutsche Bank und andere Geldhäuser letztlich mit einem Vergleich enden. Die Behörde wirft den Instituten vor, den staatlich geförderten Immobilienfinanzierern Fannie Mae und Freddie Mac Hypothekenpakete angedreht zu haben, deren Qualität schlechter war als vorgeschrieben. Neben der Versicherung AIG waren die beiden Finanzierer die größten Stützungsfälle in der Finanzkrise. Ihre Rettung hat bisher rund 170 Milliarden Dollar verschlungen.

Offiziell gibt sich Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann kämpferisch. Wo sich die Bank zu Unrecht angegriffen fühle, werde sie sich entschlossen zur Wehr zu setzen, erklärte er schon vor Monaten. Jüngst rief er zu einem gemeinsamen Vorgehen der betroffenen Institute gegen die Belästigungen der US-Rächer auf. Nach all den Enthüllungen über die Umtriebe von Investmentbankern vor 2007 mag zwar auch Ackermann nicht mehr behaupten, dass immer alles mit rechten Dingen zuging. Es dürfte den Klägern aber sehr schwer fallen nachzuweisen, dass Angestellte der Deutschen Bank absichtlich betrogen hätten, sagte der Ackermann kürzlich.

Selbst laxe Regeln Gebrochen

Deutschlands wichtigster Banker und seine Kollegen empören sich vor allem darüber, dass die US-Behörden nun genau jene Praktiken angreifen, die sie selbst tatkräftig unterstützt hatten. So trommelten sie über Jahre für die Programme, die die eigenen vier Wände auch mit wenig oder gar keinem Eigenkapital möglich machen sollten. Zudem lassen Dokumente der Hypothekenfinanzierer den Schluss zu, dass die Behörden Abweichungen von ihren Vorgaben wissentlich tolerierten. Dennoch steht außer Frage, dass selbst diese laxen Standards oft unterlaufen wurden.

An der Wall Street betrachten viele die Klagen, wie oft in solchen Fällen, als vor allem politisch motiviert. „Es sind Wahlen, und auch Staatsanwälte wollen wieder gewählt werden“, sagt ein New Yorker Anwalt.

Zahltag

Obwohl die Deutsche Bank sich offiziell für unschuldig hält und darauf hinweist, dass die Verfehlungen von Mortgage IT im Wesentlichen vor der Übernahme Anfang 2007 stattfanden, gibt sich Bharara weiter kämpferisch. Seine Klage solle zeigen, dass die Banken nicht mit Rücksichtslosigkeit und Lügen davonkämen. Die Deutsche Bank habe bereits 2006, also vor der Übernahme der Immobilientochter Mortgage IT, von deren umstrittenem Geschäftsgebaren gewusst und die Immobilienfirma dennoch gekauft. Daher müsse sie finanziell haftbar gemacht werden.

Rechtsanwälte klagen auf Schadensersatz

Neben staatlichen Bankenjägern haben längst auch Rechtsanwälte Schadensersatzklagen wegen der Immobilienkrise als lukrative Nische für sich entdeckt. David Grais ist einer von ihnen. Er könnte für die Deutsche Bank besonders gefährlich werden. Seine Kanzlei an der Ecke von 52. Straße und Park Avenue mitten in Manhattan steckt hinter einer ganzen Reihe von prominenten Klagen in Zusammenhang mit faulen Hypothekengeschäften. Grais vertritt einige staatliche Kreditbanken, darunter die Federal Home Loan Banks in San Francisco und Seattle, bei Klagen gegen Top-Adressen wie die Bank of America, JP Morgan und die Deutsche Bank. Die im März 2010 eingereichte Klage beim Kammergericht in San Francisco verlangt von diesen Banken Schadensersatz für faule Hypothekenversicherungen im Wert von rund 19 Milliarden Dollar. Bei der Klage in Seattle, Ende 2009 beim dortigen Kammergericht eingereicht, geht es um faule Hypothekenversicherungen im Wert von vier Milliarden Dollar.

Erste pragmatische Lösungen

Besonders gefährlich an diesen Klagen: Nach dem Landesgesetz müssen die Kläger nicht Betrug und damit keine Absicht nachweisen, sondern lediglich falsche Aussagen der Banken gegenüber den Kunden. Wegen dieses besonderen Rechts wird in den USA lieber auf Länder- als auf Bundesebene geklagt. „Es gilt, die Frage zu klären, ob die Banken ordnungsgemäß über die Gefahren, die in diesen Krediten steckten, informiert haben oder nicht“, so Grais.

In den USA gibt es insgesamt zwölf Landeskreditbanken. Anwälte rechnen damit, dass weitere von ihnen Klagen einreichen werden. Den Instituten bewusste Falschinformation nachzuweisen sei aber ziemlich schwierig, hält Steven Kaufhold von der Anwaltskanzlei Kaufhold Gaskin in San Francisco dagegen. Das US-Fachblatt „American Banker“ bezeichnete Grais unlängst als neuen Erzfeind der Wall Street.

Der Vorstandsvorsitzende der Quelle: dpa

Jenseits des Juristendonners gibt es erste pragmatische Lösungen. So war die Deutsche Bank auch in der Stadt Milwaukee auf massive Kritik gestoßen. „Deutsche haben Milwaukee aufgebaut, jetzt zerstört es eine Deutsche Bank“, schimpfte eine Bürgerinitiative namens „Common Ground“, die Zwangsräumungen und den anschließenden Verfall der verlassenen Häuser beklagte. Zwei ihrer Mitglieder reisten sogar zur Hauptversammlung der Deutschen Bank nach Frankfurt und konfrontierten Ackermann mit dem Verfall der Häuser.

Proteste gegen das Vorgehen der Deutschen Bank

Die Protestierer hatten Erfolg. Im Juni erklärte sich die Deutsche Bank bereit, Projekte zur Instandhaltung in Milwaukee mit rund zwei Millionen Dollar zu finanzieren. Damit, so Common Ground, ließen sich die 100 Häuser aufmöbeln und wieder vermieten. Ein Schuldeingeständnis sei das nicht. „Wir tun das als guter Unternehmensbürger“, sagte Ackermann.

„Das ist ein einmaliger Vorgang“, sagt Robin Dubin, Ökonomieprofessor an der Case Western Reserve University in Cleveland. „Andere Gruppen werden Common Ground nacheifern.“ Auch das Beispiel dürfte Schule machen: Nach Milwaukee könnten ähnliche Summen in anderen US-Städten anstehen, etwa in Los Angeles, Cleveland, Chicago oder New Haven.

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