Konjunktur 2003 Rückfall in die Rezession

Deutschland droht der Rückfall in die Rezession. Schuld daran ist die chaotiusche Steuer- und Wirtschaftspolitik der Bundesregierung.

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Eine Woche vor Weihnachten veröffentlichte die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) ihren neuen Deutschland-Bericht. Darin gehen die Pariser Ökonomen mit der Wirtschaftspolitik der rot-grünen Bundesregierung hart ins Gericht: Die höheren Steuern bremsen das Wachstum, heißt es. "Was Not tut, sind Konsolidierungsmaßnahmen auf der Ausgabenseite und grundlegende Reformen der Arbeitsmärkte", mahnt die OECD. Für viele Ökonomen ist die Lage in Deutschland noch dramatischer als die OECD sie beschreibt. "Deutschland muss sich darauf einstellen, erneut in die Rezession zu rutschen", warnt Ulrich Beckmann, Leiter des Frankfurter Büros der Deutschen Bank Global Markets. Beckmann rechnet damit, dass das Bruttoinlandsprodukt schon jetzt im vierten Quartal schrumpft und dieser Negativtrend auch im ersten Quartal 2003 anhalten wird. Hauptgrund für die düstere Prognose ist die chaotische Wirtschafts- und Finanzpolitik der rot-grünen Bundesregierung. Mit immer neuen Steuer- und Abgabenerhöhungen verunsichert sie die Bürger und Unternehmen, treibt die Lohnnebenkosten in die Höhe und beschädigt den Standort Deutschland. Die Annahme der Regierung, die deutsche Wirtschaft werde 2003 um 1,5 Prozent wachsen, teilt inzwischen kein seriöses Konjunkturinstitut mehr. Das belegt auch eine Umfrage, die das Münchner Ifo-Institut für Wirtschaftsforschung unter rund 1100 Unternehmen aus Industrie, Handel, Bau und Dienstleistungen exklusiv für die WirtschaftsWoche durchgeführt hat. Alarmierendes Ergebnis: Viele Firmen halten sich wegen der Steuer- und Abgabenerhöhungen mit Investitionen zurück, bauen Arbeitsplätze ab, und erwägen, ihre Produktion ins Ausland zu verlagern. Deutschland droht damit im nächsten Jahr in eine Abwärtsspirale aus steigenden Abgaben, schrumpfender Inlandsnachfrage, zunehmender Arbeitslosigkeit und immer größeren Löchern in den öffentlichen Haushalten abzugleiten. Die jüngste Zinssenkung der Europäischen Zentralbank wird daran kaum etwas ändern, da sich niedrigere Zinsen erst nach einem Jahr positiv auf die Realwirtschaft auswirken. Und dass eine Belebung der Weltwirtschaft der deutschen Konjunktur in der zweiten Hälfte des nächsten Jahres aus der Malaise hilft, ist wenig wahrscheinlich. Ein länger andauernder Militärkonflikt im Irak dürfte die Konjunktur weltweit belasten. Wertet zudem der Euro weiter auf, sieht es auch für die Exporte - derzeit die einzige Stütze der deutschen Konjunktur - düster aus. Dabei hatten nicht nur die Bundesregierung, sondern auch viele Banken und Konjunkturinstitute nach dem Ende der Rezession 2001 auf einen kräftigen Aufschwung gehofft. Doch sie sahen sich enttäuscht. Um gerade 0,3 Prozent legte das deutsche Bruttoinlandsprodukt 2002 in den ersten drei Quartalen zu. Mit einem negativen vierten Quartal dürfte die Wirtschaft in diesem Jahr real stagnieren. Dass die Hoffnungen nicht aufgingen, hat mehrere Gründe. Die vor sich hin dümpelnde Weltwirtschaft und die Aufwertung des Euro machten den Exporten zu schaffen; der Crash an den Aktienmärkten hinterließ tiefe Spuren bei Banken und Versicherungen und verunsicherte die Bürger. Als dann auch noch die Angst vor einem Irak-Krieg den Ölpreis in die Höhe trieb, brachen Investitionen und Konsum endgültig ein. Statt der Konjunktur in dieser Situation mit Steuersenkungen und beherzten Strukturreformen neue Impulse zu geben, schockte die rot-grüne Regierung nach der Bundestagswahl Bürger und Unternehmen mit neuen Steuer- und Abgabenerhöhungen. Höhere Öko- und Tabaksteuern, eine stärkere Belastung der Gewinne aus dem Verkauf von Aktien und nicht selbst genutzten Immobilien, eine höhere Besteuerung von Dienstwagen - auf die Bürger kommen im nächsten Jahr insgesamt Mehrbelastungen von 5,2 Milliarden Euro zu. Und setzt sich die rot-grüne Regierung mit ihren Steuerplänen im Bundesrat durch, werden auch die Unternehmen mit Mehrbelastungen von rund 4,6 Milliarden Euro zur Kasse gebeten. Mit fatalen Folgen für die Investitionen. Rund 70 Prozent der vom Ifo-Institut befragten Unternehmen gaben an, sie werden als Folge der rot-grünen Steuerpläne ihre Investitionen einschränken oder aufschieben. "Der Rückgang der Investitionen wird in der öffentlichen Diskussion völlig unterschätzt", warnt Ifo-Experte Arno Städtler. Bereits in den vergangenen zehn Jahren lag das durchschnittliche Investitionswachstum in Deutschland mit 0,5 Prozent weit unter dem Durchschnitt der OECD-Länder von 4,7 Prozent. Das, so Städtler, gefährde die internationale Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands. Zusätzlich zu den höheren Steuern müssen Bürger und Unternehmen im nächsten Jahr auch mehr an Sozialabgaben zahlen. Der Beitragssatz zur Rentenversicherung klettert von 19,1 auf 19,5 Prozent, die Beitragsbemessungrenze steigt von 4500 auf 5100 Euro monatlich. Viele Krankenversicherungen werden trotz der ministeriell verordneten Nullrunde ihre Beitragssätze anheben, um ihre Defizite zu stopfen. Nach Berechnungen der Commerzbank kostet das die Bürger und die Unternehmen im nächsten Jahr jeweils 3,5 Milliarden Euro. Die steigenden Lohnnebenkosten machen den Faktor Arbeit teurer. Da die meisten Unternehmen keinen Spielraum für Preiserhöhungen haben, greifen sie zur Kostenschere. Entlassungen sind die Folge. Die Arbeitslosigkeit wird deshalb weiter steigen. Schon im Winter dürfte die Zahl der Arbeitslosen auf mehr als 4,5 Millionen klettern. Rechnet man die jahreszeitlichen Einflüsse heraus, dürfte die Arbeitslosigkeit bis Ende nächsten Jahres kontinuierlich steigen (siehe Grafik Seite 24). "Ende 2003 werden saisonbereinigt rund 300 000 Menschen mehr als gegenwärtig arbeitslos sein", prognostiziert Jörg Krämer, Chefvolkswirt von Invesco Asset Management. Trotz der kräftigen Steuererhöhungen dürfte Finanzminister Eichel auch im nächsten Jahr daran scheitern, das Haushaltsdefizit wieder unter die Drei-Prozent-Grenze (2002: 3,8 Prozent) zu drücken. "Die Wachstumsannahmen der Regierung sind viel zu optimistisch", sagt Ralph Solveen, Deutschlandexperte der Commerzbank. Selbst unter der optimistischen Annahme, dass die Wirtschaft um ein Prozent wächst, wird das Defizit bei 3,0 Prozent landen. Unter dem Druck der Verhältnisse und der Opposition im Bundesrat weicht die Bundesregierung in Einzelfragen nun zurück. Anstatt der von SPD-Ländern geforderten Vermögensteuer will sie eine Abgeltungssteuer von 25 Prozent auf Zinserträge einführen, was die Steuerlast für Besserverdienende, die steuerehrlich waren, sowie den bürokratischen Aufwand gegenüber dem geltenden Anrechnungsverfahren bei der Einkommensteuer verringern würde. Anfang dieser Woche einigte sich Wirtschaftsminister Clement mit der Union darauf, die Hürden bei Niedriglöhnen zu beseitigen, um zusätzliche Arbeitsanreize für Niedrigverdiener zu schaffen und die Schwarzarbeit zu bekämpfen. In Zukunft soll die Einkommensgrenze für Mini-Jobs auf 400 Euro (bisher 325 Euro) angehoben werden. Für Einkünfte zwischen 400 und 800 Euro sollen die Sozialabgaben langsam von 25 Prozent auf den vollen Satz steigen. Restriktive Bestimmungen beim Scheinselbständigengesetz werden gestrichen. Doch vor einer weiteren Liberalisierung des Arbeitsmarktes schreckt die Bundesregierung zurück. Superminister Clement hat den Gewerkschaften bei der Neuregelung der Zeitarbeit sogar noch zusätzliche Macht gegeben. Zusammen mit den Zeitarbeitsfirmen sollen sie sich auf einen Tarifvertrag für die Branche einigen. Kommt dieser nicht zustande, erhalten Zeitarbeiter ab 2004 den gleichen Lohn wie Belegschaft im entleihenden Betrieb und würden für die meisten Unternehmen damit teuerer. Um eine Stimmungsaufhellung oder gar wirtschaftliche Wende einzuleiten, sind die Korrekturen der Bundesregierung zu gering. Denn die zunehmende Arbeitslosigkeit und die steigenden Abgaben lasten wie Mehltau auf der Stimmung der Verbraucher. Die Anschaffungsneigung der Konsumenten ist auf den tiefsten Punkt seit 1980 gefallen. Der Einzelhandel setzte in den ersten zehn Monaten diesen Jahres real 2,3 Prozent weniger um als im Vorjahr. Nur mit saftigen Rabattaktionen, die zu Lasten der Gewinnspannen gehen, lassen sich die Kunden noch in die Läden locken. Der nächste Einbruch steht bevor, wenn die Bürger im Januar ihre Gehaltsabrechnung in den Händen halten. Bis zu 100 Euro, bei oberen Einkommensgruppen auch mehr, dürften ihnen dann im Portemonnaie fehlen. Nach Berechnungen der Commerzbank werden die geplanten Steuererhöh- a ungen die Zuwachsrate des privaten Konsums im nächsten Jahr um insgesamt 0,5 Prozentpunkte schmälern. Ähnlich mies wie im Einzelhandel ist die Stimmung in der Bauwirtschaft, mit knapp elf Prozent Anteil am BIP immer noch eine der größten Branchen des Landes. In den ersten neun Monaten diesen Jahres lagen die Auftragseingänge im Bauhauptgewerbe real um 5,6 Prozent unter dem Vorjahresniveau. Der Bauumsatz sank um 7,5 Prozent. Die grössten Probleme hat der Wohnungsbau. Die Überkapazitäten, die bis Mitte der Neunzigerjahre mit staatlicher Förderung aufgebaut wurden, drücken auf die Mieten. Die geringere Rendite und der prognostizierte Bevölkerungsrückgang in Deutschland schrecken potenzielle Investoren ab. Viele private Bauherren verzichten zudem aus Angst vor dem Verlust ihres Jobs, wegen der Kürzung der Eigenheimzulage und wegen der steigenden Steuer- und Abgabenbelastungen auf den Bau eines Eigenheims. Heiko Stiepelmann, Chefvolkswirt des Hauptverbands der Deutschen Bauindustrie (HDB), rechnet daher für 2003 mit einem Rückgang des Wohnungsbaus um 5,2 Prozent, nachdem die Branche schon in diesem Jahr um 7,2 Prozent geschrumpft ist. Mit einem Minus dürfte auch der Wohnungsbau 2003 abschließen. Die Pleitewelle hat in vielen Städten den Leerstand an Büroräumen vergrößert. Angesichts der geringen Kapazitätsauslastung sehen die Firmen von Investitionen in neue Gebäude und Lagerhallen ab. Die Umsätze im Wirtschaftsbau werden nach Einschätzung des HDB 2003 um 2,6 Prozent schrumpfen. Zwar dürfte der Wiederaufbau nach der Flut dem ein oder anderen Betrieb im Osten kurzfristig Aufträge verschaffen. Da aber den Kommunen in Ost und West als wichtigsten staatlichen Auftraggebern der Bauindustrie finanziell das Wasser bis zum Halse steht, rechnet der HDB für 2003 mit einem Minus beim öffentlichen Bau von 1,5 Prozent. Dass die deutsche Wirtschaft bislang nicht noch stärker eingebrochen ist, verdankt sie allein der Außenwirtschaft. "Wir sind konjunkturell zu 100 Prozent vom Export abhängig", urteilt Holger Fahrinkrug, Volkswirt der Investmentbank UBS Warburg. Im dritten Quartal legten die Ausfuhren um immerhin 2,7 Prozent gegenüber dem Vorquartal zu. Das wird wohl kaum so bleiben. "Die Weltkonjunktur stottert", sagt Stephen Roach, Chefvolkswirt der Investmentbank Morgan Stanley. Hoffnungen, die USA werden die Weltwirtschaft aus der Talsohle ziehen, könnten rasch platzen. Denn die Überkapazitäten der US-Firmen und die Verschuldung der Verbraucher drohen den Investitionen und dem Konsum den Garaus zu machen. Bricht die Konjunktur international ein, werden die deutschen Exporte mit in die Tiefe gezogen. Das größte unmittelbare Risiko: ein Krieg im Irak. Dauert dieser länger oder breitet er sich auf die Region aus, wird der Ölpreis, der Anfang dieser Woche bereits bei knapp 30 Dollar lag, weiter in die Höhe schnellen. Steigt er über einen längeren Zeitraum um zehn Dollar, wird das deutsche Wirtschaftswachstum nach Berechnungen des Sachverständigenrates um 0,3 Prozentpunkte geringer ausfallen. Zusätzlich belastet werden die Exporte, wenn der Wechselkurs des Euro weiter steigt. Ein nicht unwahrscheinliches Szenario: Nach dem Wechsel im amerikanischen Finanzministerium spekulieren die Finanzmärkte, dass die US-Regierung Abschied nimmt von der Politik des starken Dollar. Anfang der Woche kletterte der Euro daraufhin auf über 1,03 Dollar, den höchsten Stand seit fast drei Jahren. "Bricht auch noch der Export zusammen", fürchtet Bank-of-America-Ökonom Schmieding, "gehen in Deutschland die Lichter ganz aus."

Eine Woche vor Weihnachten veröffentlichte die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) ihren neuen Deutschland-Bericht. Darin gehen die Pariser Ökonomen mit der Wirtschaftspolitik der rot-grünen Bundesregierung hart ins Gericht: Die höheren Steuern bremsen das Wachstum, heißt es. "Was Not tut, sind Konsolidierungsmaßnahmen auf der Ausgabenseite und grundlegende Reformen der Arbeitsmärkte", mahnt die OECD. Für viele Ökonomen ist die Lage in Deutschland noch dramatischer als die OECD sie beschreibt. "Deutschland muss sich darauf einstellen, erneut in die Rezession zu rutschen", warnt Ulrich Beckmann, Leiter des Frankfurter Büros der Deutschen Bank Global Markets. Beckmann rechnet damit, dass das Bruttoinlandsprodukt schon jetzt im vierten Quartal schrumpft und dieser Negativtrend auch im ersten Quartal 2003 anhalten wird. Hauptgrund für die düstere Prognose ist die chaotische Wirtschafts- und Finanzpolitik der rot-grünen Bundesregierung. Mit immer neuen Steuer- und Abgabenerhöhungen verunsichert sie die Bürger und Unternehmen, treibt die Lohnnebenkosten in die Höhe und beschädigt den Standort Deutschland. Die Annahme der Regierung, die deutsche Wirtschaft werde 2003 um 1,5 Prozent wachsen, teilt inzwischen kein seriöses Konjunkturinstitut mehr. Das belegt auch eine Umfrage, die das Münchner Ifo-Institut für Wirtschaftsforschung unter rund 1100 Unternehmen aus Industrie, Handel, Bau und Dienstleistungen exklusiv für die WirtschaftsWoche durchgeführt hat. Alarmierendes Ergebnis: Viele Firmen halten sich wegen der Steuer- und Abgabenerhöhungen mit Investitionen zurück, bauen Arbeitsplätze ab, und erwägen, ihre Produktion ins Ausland zu verlagern. Deutschland droht damit im nächsten Jahr in eine Abwärtsspirale aus steigenden Abgaben, schrumpfender Inlandsnachfrage, zunehmender Arbeitslosigkeit und immer größeren Löchern in den öffentlichen Haushalten abzugleiten. Die jüngste Zinssenkung der Europäischen Zentralbank wird daran kaum etwas ändern, da sich niedrigere Zinsen erst nach einem Jahr positiv auf die Realwirtschaft auswirken. Und dass eine Belebung der Weltwirtschaft der deutschen Konjunktur in der zweiten Hälfte des nächsten Jahres aus der Malaise hilft, ist wenig wahrscheinlich. Ein länger andauernder Militärkonflikt im Irak dürfte die Konjunktur weltweit belasten. Wertet zudem der Euro weiter auf, sieht es auch für die Exporte - derzeit die einzige Stütze der deutschen Konjunktur - düster aus. Dabei hatten nicht nur die Bundesregierung, sondern auch viele Banken und Konjunkturinstitute nach dem Ende der Rezession 2001 auf einen kräftigen Aufschwung gehofft. Doch sie sahen sich enttäuscht. Um gerade 0,3 Prozent legte das deutsche Bruttoinlandsprodukt 2002 in den ersten drei Quartalen zu. Mit einem negativen vierten Quartal dürfte die Wirtschaft in diesem Jahr real stagnieren. Dass die Hoffnungen nicht aufgingen, hat mehrere Gründe. Die vor sich hin dümpelnde Weltwirtschaft und die Aufwertung des Euro machten den Exporten zu schaffen; der Crash an den Aktienmärkten hinterließ tiefe Spuren bei Banken und Versicherungen und verunsicherte die Bürger. Als dann auch noch die Angst vor einem Irak-Krieg den Ölpreis in die Höhe trieb, brachen Investitionen und Konsum endgültig ein. Statt der Konjunktur in dieser Situation mit Steuersenkungen und beherzten Strukturreformen neue Impulse zu geben, schockte die rot-grüne Regierung nach der Bundestagswahl Bürger und Unternehmen mit neuen Steuer- und Abgabenerhöhungen. Höhere Öko- und Tabaksteuern, eine stärkere Belastung der Gewinne aus dem Verkauf von Aktien und nicht selbst genutzten Immobilien, eine höhere Besteuerung von Dienstwagen - auf die Bürger kommen im nächsten Jahr insgesamt Mehrbelastungen von 5,2 Milliarden Euro zu. Und setzt sich die rot-grüne Regierung mit ihren Steuerplänen im Bundesrat durch, werden auch die Unternehmen mit Mehrbelastungen von rund 4,6 Milliarden Euro zur Kasse gebeten. Mit fatalen Folgen für die Investitionen. Rund 70 Prozent der vom Ifo-Institut befragten Unternehmen gaben an, sie werden als Folge der rot-grünen Steuerpläne ihre Investitionen einschränken oder aufschieben. "Der Rückgang der Investitionen wird in der öffentlichen Diskussion völlig unterschätzt", warnt Ifo-Experte Arno Städtler. Bereits in den vergangenen zehn Jahren lag das durchschnittliche Investitionswachstum in Deutschland mit 0,5 Prozent weit unter dem Durchschnitt der OECD-Länder von 4,7 Prozent. Das, so Städtler, gefährde die internationale Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands. Zusätzlich zu den höheren Steuern müssen Bürger und Unternehmen im nächsten Jahr auch mehr an Sozialabgaben zahlen. Der Beitragssatz zur Rentenversicherung klettert von 19,1 auf 19,5 Prozent, die Beitragsbemessungrenze steigt von 4500 auf 5100 Euro monatlich. Viele Krankenversicherungen werden trotz der ministeriell verordneten Nullrunde ihre Beitragssätze anheben, um ihre Defizite zu stopfen. Nach Berechnungen der Commerzbank kostet das die Bürger und die Unternehmen im nächsten Jahr jeweils 3,5 Milliarden Euro. Die steigenden Lohnnebenkosten machen den Faktor Arbeit teurer. Da die meisten Unternehmen keinen Spielraum für Preiserhöhungen haben, greifen sie zur Kostenschere. Entlassungen sind die Folge. Die Arbeitslosigkeit wird deshalb weiter steigen. Schon im Winter dürfte die Zahl der Arbeitslosen auf mehr als 4,5 Millionen klettern. Rechnet man die jahreszeitlichen Einflüsse heraus, dürfte die Arbeitslosigkeit bis Ende nächsten Jahres kontinuierlich steigen (siehe Grafik Seite 24). "Ende 2003 werden saisonbereinigt rund 300 000 Menschen mehr als gegenwärtig arbeitslos sein", prognostiziert Jörg Krämer, Chefvolkswirt von Invesco Asset Management. Trotz der kräftigen Steuererhöhungen dürfte Finanzminister Eichel auch im nächsten Jahr daran scheitern, das Haushaltsdefizit wieder unter die Drei-Prozent-Grenze (2002: 3,8 Prozent) zu drücken. "Die Wachstumsannahmen der Regierung sind viel zu optimistisch", sagt Ralph Solveen, Deutschlandexperte der Commerzbank. Selbst unter der optimistischen Annahme, dass die Wirtschaft um ein Prozent wächst, wird das Defizit bei 3,0 Prozent landen. Unter dem Druck der Verhältnisse und der Opposition im Bundesrat weicht die Bundesregierung in Einzelfragen nun zurück. Anstatt der von SPD-Ländern geforderten Vermögensteuer will sie eine Abgeltungssteuer von 25 Prozent auf Zinserträge einführen, was die Steuerlast für Besserverdienende, die steuerehrlich waren, sowie den bürokratischen Aufwand gegenüber dem geltenden Anrechnungsverfahren bei der Einkommensteuer verringern würde. Anfang dieser Woche einigte sich Wirtschaftsminister Clement mit der Union darauf, die Hürden bei Niedriglöhnen zu beseitigen, um zusätzliche Arbeitsanreize für Niedrigverdiener zu schaffen und die Schwarzarbeit zu bekämpfen. In Zukunft soll die Einkommensgrenze für Mini-Jobs auf 400 Euro (bisher 325 Euro) angehoben werden. Für Einkünfte zwischen 400 und 800 Euro sollen die Sozialabgaben langsam von 25 Prozent auf den vollen Satz steigen. Restriktive Bestimmungen beim Scheinselbständigengesetz werden gestrichen. Doch vor einer weiteren Liberalisierung des Arbeitsmarktes schreckt die Bundesregierung zurück. Superminister Clement hat den Gewerkschaften bei der Neuregelung der Zeitarbeit sogar noch zusätzliche Macht gegeben. Zusammen mit den Zeitarbeitsfirmen sollen sie sich auf einen Tarifvertrag für die Branche einigen. Kommt dieser nicht zustande, erhalten Zeitarbeiter ab 2004 den gleichen Lohn wie Belegschaft im entleihenden Betrieb und würden für die meisten Unternehmen damit teuerer. Um eine Stimmungsaufhellung oder gar wirtschaftliche Wende einzuleiten, sind die Korrekturen der Bundesregierung zu gering. Denn die zunehmende Arbeitslosigkeit und die steigenden Abgaben lasten wie Mehltau auf der Stimmung der Verbraucher. Die Anschaffungsneigung der Konsumenten ist auf den tiefsten Punkt seit 1980 gefallen. Der Einzelhandel setzte in den ersten zehn Monaten diesen Jahres real 2,3 Prozent weniger um als im Vorjahr. Nur mit saftigen Rabattaktionen, die zu Lasten der Gewinnspannen gehen, lassen sich die Kunden noch in die Läden locken. Der nächste Einbruch steht bevor, wenn die Bürger im Januar ihre Gehaltsabrechnung in den Händen halten. Bis zu 100 Euro, bei oberen Einkommensgruppen auch mehr, dürften ihnen dann im Portemonnaie fehlen. Nach Berechnungen der Commerzbank werden die geplanten Steuererhöh- a ungen die Zuwachsrate des privaten Konsums im nächsten Jahr um insgesamt 0,5 Prozentpunkte schmälern. Ähnlich mies wie im Einzelhandel ist die Stimmung in der Bauwirtschaft, mit knapp elf Prozent Anteil am BIP immer noch eine der größten Branchen des Landes. In den ersten neun Monaten diesen Jahres lagen die Auftragseingänge im Bauhauptgewerbe real um 5,6 Prozent unter dem Vorjahresniveau. Der Bauumsatz sank um 7,5 Prozent. Die grössten Probleme hat der Wohnungsbau. Die Überkapazitäten, die bis Mitte der Neunzigerjahre mit staatlicher Förderung aufgebaut wurden, drücken auf die Mieten. Die geringere Rendite und der prognostizierte Bevölkerungsrückgang in Deutschland schrecken potenzielle Investoren ab. Viele private Bauherren verzichten zudem aus Angst vor dem Verlust ihres Jobs, wegen der Kürzung der Eigenheimzulage und wegen der steigenden Steuer- und Abgabenbelastungen auf den Bau eines Eigenheims. Heiko Stiepelmann, Chefvolkswirt des Hauptverbands der Deutschen Bauindustrie (HDB), rechnet daher für 2003 mit einem Rückgang des Wohnungsbaus um 5,2 Prozent, nachdem die Branche schon in diesem Jahr um 7,2 Prozent geschrumpft ist. Mit einem Minus dürfte auch der Wohnungsbau 2003 abschließen. Die Pleitewelle hat in vielen Städten den Leerstand an Büroräumen vergrößert. Angesichts der geringen Kapazitätsauslastung sehen die Firmen von Investitionen in neue Gebäude und Lagerhallen ab. Die Umsätze im Wirtschaftsbau werden nach Einschätzung des HDB 2003 um 2,6 Prozent schrumpfen. Zwar dürfte der Wiederaufbau nach der Flut dem ein oder anderen Betrieb im Osten kurzfristig Aufträge verschaffen. Da aber den Kommunen in Ost und West als wichtigsten staatlichen Auftraggebern der Bauindustrie finanziell das Wasser bis zum Halse steht, rechnet der HDB für 2003 mit einem Minus beim öffentlichen Bau von 1,5 Prozent. Dass die deutsche Wirtschaft bislang nicht noch stärker eingebrochen ist, verdankt sie allein der Außenwirtschaft. "Wir sind konjunkturell zu 100 Prozent vom Export abhängig", urteilt Holger Fahrinkrug, Volkswirt der Investmentbank UBS Warburg. Im dritten Quartal legten die Ausfuhren um immerhin 2,7 Prozent gegenüber dem Vorquartal zu. Das wird wohl kaum so bleiben. "Die Weltkonjunktur stottert", sagt Stephen Roach, Chefvolkswirt der Investmentbank Morgan Stanley. Hoffnungen, die USA werden die Weltwirtschaft aus der Talsohle ziehen, könnten rasch platzen. Denn die Überkapazitäten der US-Firmen und die Verschuldung der Verbraucher drohen den Investitionen und dem Konsum den Garaus zu machen. Bricht die Konjunktur international ein, werden die deutschen Exporte mit in die Tiefe gezogen. Das größte unmittelbare Risiko: ein Krieg im Irak. Dauert dieser länger oder breitet er sich auf die Region aus, wird der Ölpreis, der Anfang dieser Woche bereits bei knapp 30 Dollar lag, weiter in die Höhe schnellen. Steigt er über einen längeren Zeitraum um zehn Dollar, wird das deutsche Wirtschaftswachstum nach Berechnungen des Sachverständigenrates um 0,3 Prozentpunkte geringer ausfallen. Zusätzlich belastet werden die Exporte, wenn der Wechselkurs des Euro weiter steigt. Ein nicht unwahrscheinliches Szenario: Nach dem Wechsel im amerikanischen Finanzministerium spekulieren die Finanzmärkte, dass die US-Regierung Abschied nimmt von der Politik des starken Dollar. Anfang der Woche kletterte der Euro daraufhin auf über 1,03 Dollar, den höchsten Stand seit fast drei Jahren. "Bricht auch noch der Export zusammen", fürchtet Bank-of-America-Ökonom Schmieding, "gehen in Deutschland die Lichter ganz aus."

Eine Woche vor Weihnachten veröffentlichte die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) ihren neuen Deutschland-Bericht. Darin gehen die Pariser Ökonomen mit der Wirtschaftspolitik der rot-grünen Bundesregierung hart ins Gericht: Die höheren Steuern bremsen das Wachstum, heißt es. "Was Not tut, sind Konsolidierungsmaßnahmen auf der Ausgabenseite und grundlegende Reformen der Arbeitsmärkte", mahnt die OECD. Für viele Ökonomen ist die Lage in Deutschland noch dramatischer als die OECD sie beschreibt. "Deutschland muss sich darauf einstellen, erneut in die Rezession zu rutschen", warnt Ulrich Beckmann, Leiter des Frankfurter Büros der Deutschen Bank Global Markets. Beckmann rechnet damit, dass das Bruttoinlandsprodukt schon jetzt im vierten Quartal schrumpft und dieser Negativtrend auch im ersten Quartal 2003 anhalten wird. Hauptgrund für die düstere Prognose ist die chaotische Wirtschafts- und Finanzpolitik der rot-grünen Bundesregierung. Mit immer neuen Steuer- und Abgabenerhöhungen verunsichert sie die Bürger und Unternehmen, treibt die Lohnnebenkosten in die Höhe und beschädigt den Standort Deutschland. Die Annahme der Regierung, die deutsche Wirtschaft werde 2003 um 1,5 Prozent wachsen, teilt inzwischen kein seriöses Konjunkturinstitut mehr. Das belegt auch eine Umfrage, die das Münchner Ifo-Institut für Wirtschaftsforschung unter rund 1100 Unternehmen aus Industrie, Handel, Bau und Dienstleistungen exklusiv für die WirtschaftsWoche durchgeführt hat. Alarmierendes Ergebnis: Viele Firmen halten sich wegen der Steuer- und Abgabenerhöhungen mit Investitionen zurück, bauen Arbeitsplätze ab, und erwägen, ihre Produktion ins Ausland zu verlagern. Deutschland droht damit im nächsten Jahr in eine Abwärtsspirale aus steigenden Abgaben, schrumpfender Inlandsnachfrage, zunehmender Arbeitslosigkeit und immer größeren Löchern in den öffentlichen Haushalten abzugleiten. Die jüngste Zinssenkung der Europäischen Zentralbank wird daran kaum etwas ändern, da sich niedrigere Zinsen erst nach einem Jahr positiv auf die Realwirtschaft auswirken. Und dass eine Belebung der Weltwirtschaft der deutschen Konjunktur in der zweiten Hälfte des nächsten Jahres aus der Malaise hilft, ist wenig wahrscheinlich. Ein länger andauernder Militärkonflikt im Irak dürfte die Konjunktur weltweit belasten. Wertet zudem der Euro weiter auf, sieht es auch für die Exporte - derzeit die einzige Stütze der deutschen Konjunktur - düster aus. Dabei hatten nicht nur die Bundesregierung, sondern auch viele Banken und Konjunkturinstitute nach dem Ende der Rezession 2001 auf einen kräftigen Aufschwung gehofft. Doch sie sahen sich enttäuscht. Um gerade 0,3 Prozent legte das deutsche Bruttoinlandsprodukt 2002 in den ersten drei Quartalen zu. Mit einem negativen vierten Quartal dürfte die Wirtschaft in diesem Jahr real stagnieren. Dass die Hoffnungen nicht aufgingen, hat mehrere Gründe. Die vor sich hin dümpelnde Weltwirtschaft und die Aufwertung des Euro machten den Exporten zu schaffen; der Crash an den Aktienmärkten hinterließ tiefe Spuren bei Banken und Versicherungen und verunsicherte die Bürger. Als dann auch noch die Angst vor einem Irak-Krieg den Ölpreis in die Höhe trieb, brachen Investitionen und Konsum endgültig ein. Statt der Konjunktur in dieser Situation mit Steuersenkungen und beherzten Strukturreformen neue Impulse zu geben, schockte die rot-grüne Regierung nach der Bundestagswahl Bürger und Unternehmen mit neuen Steuer- und Abgabenerhöhungen. Höhere Öko- und Tabaksteuern, eine stärkere Belastung der Gewinne aus dem Verkauf von Aktien und nicht selbst genutzten Immobilien, eine höhere Besteuerung von Dienstwagen - auf die Bürger kommen im nächsten Jahr insgesamt Mehrbelastungen von 5,2 Milliarden Euro zu. Und setzt sich die rot-grüne Regierung mit ihren Steuerplänen im Bundesrat durch, werden auch die Unternehmen mit Mehrbelastungen von rund 4,6 Milliarden Euro zur Kasse gebeten. Mit fatalen Folgen für die Investitionen. Rund 70 Prozent der vom Ifo-Institut befragten Unternehmen gaben an, sie werden als Folge der rot-grünen Steuerpläne ihre Investitionen einschränken oder aufschieben. "Der Rückgang der Investitionen wird in der öffentlichen Diskussion völlig unterschätzt", warnt Ifo-Experte Arno Städtler. Bereits in den vergangenen zehn Jahren lag das durchschnittliche Investitionswachstum in Deutschland mit 0,5 Prozent weit unter dem Durchschnitt der OECD-Länder von 4,7 Prozent. Das, so Städtler, gefährde die internationale Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands. Zusätzlich zu den höheren Steuern müssen Bürger und Unternehmen im nächsten Jahr auch mehr an Sozialabgaben zahlen. Der Beitragssatz zur Rentenversicherung klettert von 19,1 auf 19,5 Prozent, die Beitragsbemessungrenze steigt von 4500 auf 5100 Euro monatlich. Viele Krankenversicherungen werden trotz der ministeriell verordneten Nullrunde ihre Beitragssätze anheben, um ihre Defizite zu stopfen. Nach Berechnungen der Commerzbank kostet das die Bürger und die Unternehmen im nächsten Jahr jeweils 3,5 Milliarden Euro. Die steigenden Lohnnebenkosten machen den Faktor Arbeit teurer. Da die meisten Unternehmen keinen Spielraum für Preiserhöhungen haben, greifen sie zur Kostenschere. Entlassungen sind die Folge. Die Arbeitslosigkeit wird deshalb weiter steigen. Schon im Winter dürfte die Zahl der Arbeitslosen auf mehr als 4,5 Millionen klettern. Rechnet man die jahreszeitlichen Einflüsse heraus, dürfte die Arbeitslosigkeit bis Ende nächsten Jahres kontinuierlich steigen (siehe Grafik Seite 24). "Ende 2003 werden saisonbereinigt rund 300 000 Menschen mehr als gegenwärtig arbeitslos sein", prognostiziert Jörg Krämer, Chefvolkswirt von Invesco Asset Management. Trotz der kräftigen Steuererhöhungen dürfte Finanzminister Eichel auch im nächsten Jahr daran scheitern, das Haushaltsdefizit wieder unter die Drei-Prozent-Grenze (2002: 3,8 Prozent) zu drücken. "Die Wachstumsannahmen der Regierung sind viel zu optimistisch", sagt Ralph Solveen, Deutschlandexperte der Commerzbank. Selbst unter der optimistischen Annahme, dass die Wirtschaft um ein Prozent wächst, wird das Defizit bei 3,0 Prozent landen. Unter dem Druck der Verhältnisse und der Opposition im Bundesrat weicht die Bundesregierung in Einzelfragen nun zurück. Anstatt der von SPD-Ländern geforderten Vermögensteuer will sie eine Abgeltungssteuer von 25 Prozent auf Zinserträge einführen, was die Steuerlast für Besserverdienende, die steuerehrlich waren, sowie den bürokratischen Aufwand gegenüber dem geltenden Anrechnungsverfahren bei der Einkommensteuer verringern würde. Anfang dieser Woche einigte sich Wirtschaftsminister Clement mit der Union darauf, die Hürden bei Niedriglöhnen zu beseitigen, um zusätzliche Arbeitsanreize für Niedrigverdiener zu schaffen und die Schwarzarbeit zu bekämpfen. In Zukunft soll die Einkommensgrenze für Mini-Jobs auf 400 Euro (bisher 325 Euro) angehoben werden. Für Einkünfte zwischen 400 und 800 Euro sollen die Sozialabgaben langsam von 25 Prozent auf den vollen Satz steigen. Restriktive Bestimmungen beim Scheinselbständigengesetz werden gestrichen. Doch vor einer weiteren Liberalisierung des Arbeitsmarktes schreckt die Bundesregierung zurück. Superminister Clement hat den Gewerkschaften bei der Neuregelung der Zeitarbeit sogar noch zusätzliche Macht gegeben. Zusammen mit den Zeitarbeitsfirmen sollen sie sich auf einen Tarifvertrag für die Branche einigen. Kommt dieser nicht zustande, erhalten Zeitarbeiter ab 2004 den gleichen Lohn wie Belegschaft im entleihenden Betrieb und würden für die meisten Unternehmen damit teuerer. Um eine Stimmungsaufhellung oder gar wirtschaftliche Wende einzuleiten, sind die Korrekturen der Bundesregierung zu gering. Denn die zunehmende Arbeitslosigkeit und die steigenden Abgaben lasten wie Mehltau auf der Stimmung der Verbraucher. Die Anschaffungsneigung der Konsumenten ist auf den tiefsten Punkt seit 1980 gefallen. Der Einzelhandel setzte in den ersten zehn Monaten diesen Jahres real 2,3 Prozent weniger um als im Vorjahr. Nur mit saftigen Rabattaktionen, die zu Lasten der Gewinnspannen gehen, lassen sich die Kunden noch in die Läden locken. Der nächste Einbruch steht bevor, wenn die Bürger im Januar ihre Gehaltsabrechnung in den Händen halten. Bis zu 100 Euro, bei oberen Einkommensgruppen auch mehr, dürften ihnen dann im Portemonnaie fehlen. Nach Berechnungen der Commerzbank werden die geplanten Steuererhöh- a ungen die Zuwachsrate des privaten Konsums im nächsten Jahr um insgesamt 0,5 Prozentpunkte schmälern. Ähnlich mies wie im Einzelhandel ist die Stimmung in der Bauwirtschaft, mit knapp elf Prozent Anteil am BIP immer noch eine der größten Branchen des Landes. In den ersten neun Monaten diesen Jahres lagen die Auftragseingänge im Bauhauptgewerbe real um 5,6 Prozent unter dem Vorjahresniveau. Der Bauumsatz sank um 7,5 Prozent. Die grössten Probleme hat der Wohnungsbau. Die Überkapazitäten, die bis Mitte der Neunzigerjahre mit staatlicher Förderung aufgebaut wurden, drücken auf die Mieten. Die geringere Rendite und der prognostizierte Bevölkerungsrückgang in Deutschland schrecken potenzielle Investoren ab. Viele private Bauherren verzichten zudem aus Angst vor dem Verlust ihres Jobs, wegen der Kürzung der Eigenheimzulage und wegen der steigenden Steuer- und Abgabenbelastungen auf den Bau eines Eigenheims. Heiko Stiepelmann, Chefvolkswirt des Hauptverbands der Deutschen Bauindustrie (HDB), rechnet daher für 2003 mit einem Rückgang des Wohnungsbaus um 5,2 Prozent, nachdem die Branche schon in diesem Jahr um 7,2 Prozent geschrumpft ist. Mit einem Minus dürfte auch der Wohnungsbau 2003 abschließen. Die Pleitewelle hat in vielen Städten den Leerstand an Büroräumen vergrößert. Angesichts der geringen Kapazitätsauslastung sehen die Firmen von Investitionen in neue Gebäude und Lagerhallen ab. Die Umsätze im Wirtschaftsbau werden nach Einschätzung des HDB 2003 um 2,6 Prozent schrumpfen. Zwar dürfte der Wiederaufbau nach der Flut dem ein oder anderen Betrieb im Osten kurzfristig Aufträge verschaffen. Da aber den Kommunen in Ost und West als wichtigsten staatlichen Auftraggebern der Bauindustrie finanziell das Wasser bis zum Halse steht, rechnet der HDB für 2003 mit einem Minus beim öffentlichen Bau von 1,5 Prozent. Dass die deutsche Wirtschaft bislang nicht noch stärker eingebrochen ist, verdankt sie allein der Außenwirtschaft. "Wir sind konjunkturell zu 100 Prozent vom Export abhängig", urteilt Holger Fahrinkrug, Volkswirt der Investmentbank UBS Warburg. Im dritten Quartal legten die Ausfuhren um immerhin 2,7 Prozent gegenüber dem Vorquartal zu. Das wird wohl kaum so bleiben. "Die Weltkonjunktur stottert", sagt Stephen Roach, Chefvolkswirt der Investmentbank Morgan Stanley. Hoffnungen, die USA werden die Weltwirtschaft aus der Talsohle ziehen, könnten rasch platzen. Denn die Überkapazitäten der US-Firmen und die Verschuldung der Verbraucher drohen den Investitionen und dem Konsum den Garaus zu machen. Bricht die Konjunktur international ein, werden die deutschen Exporte mit in die Tiefe gezogen. Das größte unmittelbare Risiko: ein Krieg im Irak. Dauert dieser länger oder breitet er sich auf die Region aus, wird der Ölpreis, der Anfang dieser Woche bereits bei knapp 30 Dollar lag, weiter in die Höhe schnellen. Steigt er über einen längeren Zeitraum um zehn Dollar, wird das deutsche Wirtschaftswachstum nach Berechnungen des Sachverständigenrates um 0,3 Prozentpunkte geringer ausfallen. Zusätzlich belastet werden die Exporte, wenn der Wechselkurs des Euro weiter steigt. Ein nicht unwahrscheinliches Szenario: Nach dem Wechsel im amerikanischen Finanzministerium spekulieren die Finanzmärkte, dass die US-Regierung Abschied nimmt von der Politik des starken Dollar. Anfang der Woche kletterte der Euro daraufhin auf über 1,03 Dollar, den höchsten Stand seit fast drei Jahren. "Bricht auch noch der Export zusammen", fürchtet Bank-of-America-Ökonom Schmieding, "gehen in Deutschland die Lichter ganz aus."

Eine Woche vor Weihnachten veröffentlichte die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) ihren neuen Deutschland-Bericht. Darin gehen die Pariser Ökonomen mit der Wirtschaftspolitik der rot-grünen Bundesregierung hart ins Gericht: Die höheren Steuern bremsen das Wachstum, heißt es. "Was Not tut, sind Konsolidierungsmaßnahmen auf der Ausgabenseite und grundlegende Reformen der Arbeitsmärkte", mahnt die OECD. Für viele Ökonomen ist die Lage in Deutschland noch dramatischer als die OECD sie beschreibt. "Deutschland muss sich darauf einstellen, erneut in die Rezession zu rutschen", warnt Ulrich Beckmann, Leiter des Frankfurter Büros der Deutschen Bank Global Markets. Beckmann rechnet damit, dass das Bruttoinlandsprodukt schon jetzt im vierten Quartal schrumpft und dieser Negativtrend auch im ersten Quartal 2003 anhalten wird. Hauptgrund für die düstere Prognose ist die chaotische Wirtschafts- und Finanzpolitik der rot-grünen Bundesregierung. Mit immer neuen Steuer- und Abgabenerhöhungen verunsichert sie die Bürger und Unternehmen, treibt die Lohnnebenkosten in die Höhe und beschädigt den Standort Deutschland. Die Annahme der Regierung, die deutsche Wirtschaft werde 2003 um 1,5 Prozent wachsen, teilt inzwischen kein seriöses Konjunkturinstitut mehr. Das belegt auch eine Umfrage, die das Münchner Ifo-Institut für Wirtschaftsforschung unter rund 1100 Unternehmen aus Industrie, Handel, Bau und Dienstleistungen exklusiv für die WirtschaftsWoche durchgeführt hat. Alarmierendes Ergebnis: Viele Firmen halten sich wegen der Steuer- und Abgabenerhöhungen mit Investitionen zurück, bauen Arbeitsplätze ab, und erwägen, ihre Produktion ins Ausland zu verlagern. Deutschland droht damit im nächsten Jahr in eine Abwärtsspirale aus steigenden Abgaben, schrumpfender Inlandsnachfrage, zunehmender Arbeitslosigkeit und immer größeren Löchern in den öffentlichen Haushalten abzugleiten. Die jüngste Zinssenkung der Europäischen Zentralbank wird daran kaum etwas ändern, da sich niedrigere Zinsen erst nach einem Jahr positiv auf die Realwirtschaft auswirken. Und dass eine Belebung der Weltwirtschaft der deutschen Konjunktur in der zweiten Hälfte des nächsten Jahres aus der Malaise hilft, ist wenig wahrscheinlich. Ein länger andauernder Militärkonflikt im Irak dürfte die Konjunktur weltweit belasten. Wertet zudem der Euro weiter auf, sieht es auch für die Exporte - derzeit die einzige Stütze der deutschen Konjunktur - düster aus. Dabei hatten nicht nur die Bundesregierung, sondern auch viele Banken und Konjunkturinstitute nach dem Ende der Rezession 2001 auf einen kräftigen Aufschwung gehofft. Doch sie sahen sich enttäuscht. Um gerade 0,3 Prozent legte das deutsche Bruttoinlandsprodukt 2002 in den ersten drei Quartalen zu. Mit einem negativen vierten Quartal dürfte die Wirtschaft in diesem Jahr real stagnieren. Dass die Hoffnungen nicht aufgingen, hat mehrere Gründe. Die vor sich hin dümpelnde Weltwirtschaft und die Aufwertung des Euro machten den Exporten zu schaffen; der Crash an den Aktienmärkten hinterließ tiefe Spuren bei Banken und Versicherungen und verunsicherte die Bürger. Als dann auch noch die Angst vor einem Irak-Krieg den Ölpreis in die Höhe trieb, brachen Investitionen und Konsum endgültig ein. Statt der Konjunktur in dieser Situation mit Steuersenkungen und beherzten Strukturreformen neue Impulse zu geben, schockte die rot-grüne Regierung nach der Bundestagswahl Bürger und Unternehmen mit neuen Steuer- und Abgabenerhöhungen. Höhere Öko- und Tabaksteuern, eine stärkere Belastung der Gewinne aus dem Verkauf von Aktien und nicht selbst genutzten Immobilien, eine höhere Besteuerung von Dienstwagen - auf die Bürger kommen im nächsten Jahr insgesamt Mehrbelastungen von 5,2 Milliarden Euro zu. Und setzt sich die rot-grüne Regierung mit ihren Steuerplänen im Bundesrat durch, werden auch die Unternehmen mit Mehrbelastungen von rund 4,6 Milliarden Euro zur Kasse gebeten. Mit fatalen Folgen für die Investitionen. Rund 70 Prozent der vom Ifo-Institut befragten Unternehmen gaben an, sie werden als Folge der rot-grünen Steuerpläne ihre Investitionen einschränken oder aufschieben. "Der Rückgang der Investitionen wird in der öffentlichen Diskussion völlig unterschätzt", warnt Ifo-Experte Arno Städtler. Bereits in den vergangenen zehn Jahren lag das durchschnittliche Investitionswachstum in Deutschland mit 0,5 Prozent weit unter dem Durchschnitt der OECD-Länder von 4,7 Prozent. Das, so Städtler, gefährde die internationale Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands. Zusätzlich zu den höheren Steuern müssen Bürger und Unternehmen im nächsten Jahr auch mehr an Sozialabgaben zahlen. Der Beitragssatz zur Rentenversicherung klettert von 19,1 auf 19,5 Prozent, die Beitragsbemessungrenze steigt von 4500 auf 5100 Euro monatlich. Viele Krankenversicherungen werden trotz der ministeriell verordneten Nullrunde ihre Beitragssätze anheben, um ihre Defizite zu stopfen. Nach Berechnungen der Commerzbank kostet das die Bürger und die Unternehmen im nächsten Jahr jeweils 3,5 Milliarden Euro. Die steigenden Lohnnebenkosten machen den Faktor Arbeit teurer. Da die meisten Unternehmen keinen Spielraum für Preiserhöhungen haben, greifen sie zur Kostenschere. Entlassungen sind die Folge. Die Arbeitslosigkeit wird deshalb weiter steigen. Schon im Winter dürfte die Zahl der Arbeitslosen auf mehr als 4,5 Millionen klettern. Rechnet man die jahreszeitlichen Einflüsse heraus, dürfte die Arbeitslosigkeit bis Ende nächsten Jahres kontinuierlich steigen (siehe Grafik Seite 24). "Ende 2003 werden saisonbereinigt rund 300 000 Menschen mehr als gegenwärtig arbeitslos sein", prognostiziert Jörg Krämer, Chefvolkswirt von Invesco Asset Management. Trotz der kräftigen Steuererhöhungen dürfte Finanzminister Eichel auch im nächsten Jahr daran scheitern, das Haushaltsdefizit wieder unter die Drei-Prozent-Grenze (2002: 3,8 Prozent) zu drücken. "Die Wachstumsannahmen der Regierung sind viel zu optimistisch", sagt Ralph Solveen, Deutschlandexperte der Commerzbank. Selbst unter der optimistischen Annahme, dass die Wirtschaft um ein Prozent wächst, wird das Defizit bei 3,0 Prozent landen. Unter dem Druck der Verhältnisse und der Opposition im Bundesrat weicht die Bundesregierung in Einzelfragen nun zurück. Anstatt der von SPD-Ländern geforderten Vermögensteuer will sie eine Abgeltungssteuer von 25 Prozent auf Zinserträge einführen, was die Steuerlast für Besserverdienende, die steuerehrlich waren, sowie den bürokratischen Aufwand gegenüber dem geltenden Anrechnungsverfahren bei der Einkommensteuer verringern würde. Anfang dieser Woche einigte sich Wirtschaftsminister Clement mit der Union darauf, die Hürden bei Niedriglöhnen zu beseitigen, um zusätzliche Arbeitsanreize für Niedrigverdiener zu schaffen und die Schwarzarbeit zu bekämpfen. In Zukunft soll die Einkommensgrenze für Mini-Jobs auf 400 Euro (bisher 325 Euro) angehoben werden. Für Einkünfte zwischen 400 und 800 Euro sollen die Sozialabgaben langsam von 25 Prozent auf den vollen Satz steigen. Restriktive Bestimmungen beim Scheinselbständigengesetz werden gestrichen. Doch vor einer weiteren Liberalisierung des Arbeitsmarktes schreckt die Bundesregierung zurück. Superminister Clement hat den Gewerkschaften bei der Neuregelung der Zeitarbeit sogar noch zusätzliche Macht gegeben. Zusammen mit den Zeitarbeitsfirmen sollen sie sich auf einen Tarifvertrag für die Branche einigen. Kommt dieser nicht zustande, erhalten Zeitarbeiter ab 2004 den gleichen Lohn wie Belegschaft im entleihenden Betrieb und würden für die meisten Unternehmen damit teuerer. Um eine Stimmungsaufhellung oder gar wirtschaftliche Wende einzuleiten, sind die Korrekturen der Bundesregierung zu gering. Denn die zunehmende Arbeitslosigkeit und die steigenden Abgaben lasten wie Mehltau auf der Stimmung der Verbraucher. Die Anschaffungsneigung der Konsumenten ist auf den tiefsten Punkt seit 1980 gefallen. Der Einzelhandel setzte in den ersten zehn Monaten diesen Jahres real 2,3 Prozent weniger um als im Vorjahr. Nur mit saftigen Rabattaktionen, die zu Lasten der Gewinnspannen gehen, lassen sich die Kunden noch in die Läden locken. Der nächste Einbruch steht bevor, wenn die Bürger im Januar ihre Gehaltsabrechnung in den Händen halten. Bis zu 100 Euro, bei oberen Einkommensgruppen auch mehr, dürften ihnen dann im Portemonnaie fehlen. Nach Berechnungen der Commerzbank werden die geplanten Steuererhöh- a ungen die Zuwachsrate des privaten Konsums im nächsten Jahr um insgesamt 0,5 Prozentpunkte schmälern. Ähnlich mies wie im Einzelhandel ist die Stimmung in der Bauwirtschaft, mit knapp elf Prozent Anteil am BIP immer noch eine der größten Branchen des Landes. In den ersten neun Monaten diesen Jahres lagen die Auftragseingänge im Bauhauptgewerbe real um 5,6 Prozent unter dem Vorjahresniveau. Der Bauumsatz sank um 7,5 Prozent. Die grössten Probleme hat der Wohnungsbau. Die Überkapazitäten, die bis Mitte der Neunzigerjahre mit staatlicher Förderung aufgebaut wurden, drücken auf die Mieten. Die geringere Rendite und der prognostizierte Bevölkerungsrückgang in Deutschland schrecken potenzielle Investoren ab. Viele private Bauherren verzichten zudem aus Angst vor dem Verlust ihres Jobs, wegen der Kürzung der Eigenheimzulage und wegen der steigenden Steuer- und Abgabenbelastungen auf den Bau eines Eigenheims. Heiko Stiepelmann, Chefvolkswirt des Hauptverbands der Deutschen Bauindustrie (HDB), rechnet daher für 2003 mit einem Rückgang des Wohnungsbaus um 5,2 Prozent, nachdem die Branche schon in diesem Jahr um 7,2 Prozent geschrumpft ist. Mit einem Minus dürfte auch der Wohnungsbau 2003 abschließen. Die Pleitewelle hat in vielen Städten den Leerstand an Büroräumen vergrößert. Angesichts der geringen Kapazitätsauslastung sehen die Firmen von Investitionen in neue Gebäude und Lagerhallen ab. Die Umsätze im Wirtschaftsbau werden nach Einschätzung des HDB 2003 um 2,6 Prozent schrumpfen. Zwar dürfte der Wiederaufbau nach der Flut dem ein oder anderen Betrieb im Osten kurzfristig Aufträge verschaffen. Da aber den Kommunen in Ost und West als wichtigsten staatlichen Auftraggebern der Bauindustrie finanziell das Wasser bis zum Halse steht, rechnet der HDB für 2003 mit einem Minus beim öffentlichen Bau von 1,5 Prozent. Dass die deutsche Wirtschaft bislang nicht noch stärker eingebrochen ist, verdankt sie allein der Außenwirtschaft. "Wir sind konjunkturell zu 100 Prozent vom Export abhängig", urteilt Holger Fahrinkrug, Volkswirt der Investmentbank UBS Warburg. Im dritten Quartal legten die Ausfuhren um immerhin 2,7 Prozent gegenüber dem Vorquartal zu. Das wird wohl kaum so bleiben. "Die Weltkonjunktur stottert", sagt Stephen Roach, Chefvolkswirt der Investmentbank Morgan Stanley. Hoffnungen, die USA werden die Weltwirtschaft aus der Talsohle ziehen, könnten rasch platzen. Denn die Überkapazitäten der US-Firmen und die Verschuldung der Verbraucher drohen den Investitionen und dem Konsum den Garaus zu machen. Bricht die Konjunktur international ein, werden die deutschen Exporte mit in die Tiefe gezogen. Das größte unmittelbare Risiko: ein Krieg im Irak. Dauert dieser länger oder breitet er sich auf die Region aus, wird der Ölpreis, der Anfang dieser Woche bereits bei knapp 30 Dollar lag, weiter in die Höhe schnellen. Steigt er über einen längeren Zeitraum um zehn Dollar, wird das deutsche Wirtschaftswachstum nach Berechnungen des Sachverständigenrates um 0,3 Prozentpunkte geringer ausfallen. Zusätzlich belastet werden die Exporte, wenn der Wechselkurs des Euro weiter steigt. Ein nicht unwahrscheinliches Szenario: Nach dem Wechsel im amerikanischen Finanzministerium spekulieren die Finanzmärkte, dass die US-Regierung Abschied nimmt von der Politik des starken Dollar. Anfang der Woche kletterte der Euro daraufhin auf über 1,03 Dollar, den höchsten Stand seit fast drei Jahren. "Bricht auch noch der Export zusammen", fürchtet Bank-of-America-Ökonom Schmieding, "gehen in Deutschland die Lichter ganz aus."

Eine Woche vor Weihnachten veröffentlichte die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) ihren neuen Deutschland-Bericht. Darin gehen die Pariser Ökonomen mit der Wirtschaftspolitik der rot-grünen Bundesregierung hart ins Gericht: Die höheren Steuern bremsen das Wachstum, heißt es. "Was Not tut, sind Konsolidierungsmaßnahmen auf der Ausgabenseite und grundlegende Reformen der Arbeitsmärkte", mahnt die OECD. Für viele Ökonomen ist die Lage in Deutschland noch dramatischer als die OECD sie beschreibt. "Deutschland muss sich darauf einstellen, erneut in die Rezession zu rutschen", warnt Ulrich Beckmann, Leiter des Frankfurter Büros der Deutschen Bank Global Markets. Beckmann rechnet damit, dass das Bruttoinlandsprodukt schon jetzt im vierten Quartal schrumpft und dieser Negativtrend auch im ersten Quartal 2003 anhalten wird. Hauptgrund für die düstere Prognose ist die chaotische Wirtschafts- und Finanzpolitik der rot-grünen Bundesregierung. Mit immer neuen Steuer- und Abgabenerhöhungen verunsichert sie die Bürger und Unternehmen, treibt die Lohnnebenkosten in die Höhe und beschädigt den Standort Deutschland. Die Annahme der Regierung, die deutsche Wirtschaft werde 2003 um 1,5 Prozent wachsen, teilt inzwischen kein seriöses Konjunkturinstitut mehr. Das belegt auch eine Umfrage, die das Münchner Ifo-Institut für Wirtschaftsforschung unter rund 1100 Unternehmen aus Industrie, Handel, Bau und Dienstleistungen exklusiv für die WirtschaftsWoche durchgeführt hat. Alarmierendes Ergebnis: Viele Firmen halten sich wegen der Steuer- und Abgabenerhöhungen mit Investitionen zurück, bauen Arbeitsplätze ab, und erwägen, ihre Produktion ins Ausland zu verlagern. Deutschland droht damit im nächsten Jahr in eine Abwärtsspirale aus steigenden Abgaben, schrumpfender Inlandsnachfrage, zunehmender Arbeitslosigkeit und immer größeren Löchern in den öffentlichen Haushalten abzugleiten. Die jüngste Zinssenkung der Europäischen Zentralbank wird daran kaum etwas ändern, da sich niedrigere Zinsen erst nach einem Jahr positiv auf die Realwirtschaft auswirken. Und dass eine Belebung der Weltwirtschaft der deutschen Konjunktur in der zweiten Hälfte des nächsten Jahres aus der Malaise hilft, ist wenig wahrscheinlich. Ein länger andauernder Militärkonflikt im Irak dürfte die Konjunktur weltweit belasten. Wertet zudem der Euro weiter auf, sieht es auch für die Exporte - derzeit die einzige Stütze der deutschen Konjunktur - düster aus. Dabei hatten nicht nur die Bundesregierung, sondern auch viele Banken und Konjunkturinstitute nach dem Ende der Rezession 2001 auf einen kräftigen Aufschwung gehofft. Doch sie sahen sich enttäuscht. Um gerade 0,3 Prozent legte das deutsche Bruttoinlandsprodukt 2002 in den ersten drei Quartalen zu. Mit einem negativen vierten Quartal dürfte die Wirtschaft in diesem Jahr real stagnieren. Dass die Hoffnungen nicht aufgingen, hat mehrere Gründe. Die vor sich hin dümpelnde Weltwirtschaft und die Aufwertung des Euro machten den Exporten zu schaffen; der Crash an den Aktienmärkten hinterließ tiefe Spuren bei Banken und Versicherungen und verunsicherte die Bürger. Als dann auch noch die Angst vor einem Irak-Krieg den Ölpreis in die Höhe trieb, brachen Investitionen und Konsum endgültig ein. Statt der Konjunktur in dieser Situation mit Steuersenkungen und beherzten Strukturreformen neue Impulse zu geben, schockte die rot-grüne Regierung nach der Bundestagswahl Bürger und Unternehmen mit neuen Steuer- und Abgabenerhöhungen. Höhere Öko- und Tabaksteuern, eine stärkere Belastung der Gewinne aus dem Verkauf von Aktien und nicht selbst genutzten Immobilien, eine höhere Besteuerung von Dienstwagen - auf die Bürger kommen im nächsten Jahr insgesamt Mehrbelastungen von 5,2 Milliarden Euro zu. Und setzt sich die rot-grüne Regierung mit ihren Steuerplänen im Bundesrat durch, werden auch die Unternehmen mit Mehrbelastungen von rund 4,6 Milliarden Euro zur Kasse gebeten. Mit fatalen Folgen für die Investitionen. Rund 70 Prozent der vom Ifo-Institut befragten Unternehmen gaben an, sie werden als Folge der rot-grünen Steuerpläne ihre Investitionen einschränken oder aufschieben. "Der Rückgang der Investitionen wird in der öffentlichen Diskussion völlig unterschätzt", warnt Ifo-Experte Arno Städtler. Bereits in den vergangenen zehn Jahren lag das durchschnittliche Investitionswachstum in Deutschland mit 0,5 Prozent weit unter dem Durchschnitt der OECD-Länder von 4,7 Prozent. Das, so Städtler, gefährde die internationale Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands. Zusätzlich zu den höheren Steuern müssen Bürger und Unternehmen im nächsten Jahr auch mehr an Sozialabgaben zahlen. Der Beitragssatz zur Rentenversicherung klettert von 19,1 auf 19,5 Prozent, die Beitragsbemessungrenze steigt von 4500 auf 5100 Euro monatlich. Viele Krankenversicherungen werden trotz der ministeriell verordneten Nullrunde ihre Beitragssätze anheben, um ihre Defizite zu stopfen. Nach Berechnungen der Commerzbank kostet das die Bürger und die Unternehmen im nächsten Jahr jeweils 3,5 Milliarden Euro. Die steigenden Lohnnebenkosten machen den Faktor Arbeit teurer. Da die meisten Unternehmen keinen Spielraum für Preiserhöhungen haben, greifen sie zur Kostenschere. Entlassungen sind die Folge. Die Arbeitslosigkeit wird deshalb weiter steigen. Schon im Winter dürfte die Zahl der Arbeitslosen auf mehr als 4,5 Millionen klettern. Rechnet man die jahreszeitlichen Einflüsse heraus, dürfte die Arbeitslosigkeit bis Ende nächsten Jahres kontinuierlich steigen (siehe Grafik Seite 24). "Ende 2003 werden saisonbereinigt rund 300 000 Menschen mehr als gegenwärtig arbeitslos sein", prognostiziert Jörg Krämer, Chefvolkswirt von Invesco Asset Management. Trotz der kräftigen Steuererhöhungen dürfte Finanzminister Eichel auch im nächsten Jahr daran scheitern, das Haushaltsdefizit wieder unter die Drei-Prozent-Grenze (2002: 3,8 Prozent) zu drücken. "Die Wachstumsannahmen der Regierung sind viel zu optimistisch", sagt Ralph Solveen, Deutschlandexperte der Commerzbank. Selbst unter der optimistischen Annahme, dass die Wirtschaft um ein Prozent wächst, wird das Defizit bei 3,0 Prozent landen. Unter dem Druck der Verhältnisse und der Opposition im Bundesrat weicht die Bundesregierung in Einzelfragen nun zurück. Anstatt der von SPD-Ländern geforderten Vermögensteuer will sie eine Abgeltungssteuer von 25 Prozent auf Zinserträge einführen, was die Steuerlast für Besserverdienende, die steuerehrlich waren, sowie den bürokratischen Aufwand gegenüber dem geltenden Anrechnungsverfahren bei der Einkommensteuer verringern würde. Anfang dieser Woche einigte sich Wirtschaftsminister Clement mit der Union darauf, die Hürden bei Niedriglöhnen zu beseitigen, um zusätzliche Arbeitsanreize für Niedrigverdiener zu schaffen und die Schwarzarbeit zu bekämpfen. In Zukunft soll die Einkommensgrenze für Mini-Jobs auf 400 Euro (bisher 325 Euro) angehoben werden. Für Einkünfte zwischen 400 und 800 Euro sollen die Sozialabgaben langsam von 25 Prozent auf den vollen Satz steigen. Restriktive Bestimmungen beim Scheinselbständigengesetz werden gestrichen. Doch vor einer weiteren Liberalisierung des Arbeitsmarktes schreckt die Bundesregierung zurück. Superminister Clement hat den Gewerkschaften bei der Neuregelung der Zeitarbeit sogar noch zusätzliche Macht gegeben. Zusammen mit den Zeitarbeitsfirmen sollen sie sich auf einen Tarifvertrag für die Branche einigen. Kommt dieser nicht zustande, erhalten Zeitarbeiter ab 2004 den gleichen Lohn wie Belegschaft im entleihenden Betrieb und würden für die meisten Unternehmen damit teuerer. Um eine Stimmungsaufhellung oder gar wirtschaftliche Wende einzuleiten, sind die Korrekturen der Bundesregierung zu gering. Denn die zunehmende Arbeitslosigkeit und die steigenden Abgaben lasten wie Mehltau auf der Stimmung der Verbraucher. Die Anschaffungsneigung der Konsumenten ist auf den tiefsten Punkt seit 1980 gefallen. Der Einzelhandel setzte in den ersten zehn Monaten diesen Jahres real 2,3 Prozent weniger um als im Vorjahr. Nur mit saftigen Rabattaktionen, die zu Lasten der Gewinnspannen gehen, lassen sich die Kunden noch in die Läden locken. Der nächste Einbruch steht bevor, wenn die Bürger im Januar ihre Gehaltsabrechnung in den Händen halten. Bis zu 100 Euro, bei oberen Einkommensgruppen auch mehr, dürften ihnen dann im Portemonnaie fehlen. Nach Berechnungen der Commerzbank werden die geplanten Steuererhöh- a ungen die Zuwachsrate des privaten Konsums im nächsten Jahr um insgesamt 0,5 Prozentpunkte schmälern. Ähnlich mies wie im Einzelhandel ist die Stimmung in der Bauwirtschaft, mit knapp elf Prozent Anteil am BIP immer noch eine der größten Branchen des Landes. In den ersten neun Monaten diesen Jahres lagen die Auftragseingänge im Bauhauptgewerbe real um 5,6 Prozent unter dem Vorjahresniveau. Der Bauumsatz sank um 7,5 Prozent. Die grössten Probleme hat der Wohnungsbau. Die Überkapazitäten, die bis Mitte der Neunzigerjahre mit staatlicher Förderung aufgebaut wurden, drücken auf die Mieten. Die geringere Rendite und der prognostizierte Bevölkerungsrückgang in Deutschland schrecken potenzielle Investoren ab. Viele private Bauherren verzichten zudem aus Angst vor dem Verlust ihres Jobs, wegen der Kürzung der Eigenheimzulage und wegen der steigenden Steuer- und Abgabenbelastungen auf den Bau eines Eigenheims. Heiko Stiepelmann, Chefvolkswirt des Hauptverbands der Deutschen Bauindustrie (HDB), rechnet daher für 2003 mit einem Rückgang des Wohnungsbaus um 5,2 Prozent, nachdem die Branche schon in diesem Jahr um 7,2 Prozent geschrumpft ist. Mit einem Minus dürfte auch der Wohnungsbau 2003 abschließen. Die Pleitewelle hat in vielen Städten den Leerstand an Büroräumen vergrößert. Angesichts der geringen Kapazitätsauslastung sehen die Firmen von Investitionen in neue Gebäude und Lagerhallen ab. Die Umsätze im Wirtschaftsbau werden nach Einschätzung des HDB 2003 um 2,6 Prozent schrumpfen. Zwar dürfte der Wiederaufbau nach der Flut dem ein oder anderen Betrieb im Osten kurzfristig Aufträge verschaffen. Da aber den Kommunen in Ost und West als wichtigsten staatlichen Auftraggebern der Bauindustrie finanziell das Wasser bis zum Halse steht, rechnet der HDB für 2003 mit einem Minus beim öffentlichen Bau von 1,5 Prozent. Dass die deutsche Wirtschaft bislang nicht noch stärker eingebrochen ist, verdankt sie allein der Außenwirtschaft. "Wir sind konjunkturell zu 100 Prozent vom Export abhängig", urteilt Holger Fahrinkrug, Volkswirt der Investmentbank UBS Warburg. Im dritten Quartal legten die Ausfuhren um immerhin 2,7 Prozent gegenüber dem Vorquartal zu. Das wird wohl kaum so bleiben. "Die Weltkonjunktur stottert", sagt Stephen Roach, Chefvolkswirt der Investmentbank Morgan Stanley. Hoffnungen, die USA werden die Weltwirtschaft aus der Talsohle ziehen, könnten rasch platzen. Denn die Überkapazitäten der US-Firmen und die Verschuldung der Verbraucher drohen den Investitionen und dem Konsum den Garaus zu machen. Bricht die Konjunktur international ein, werden die deutschen Exporte mit in die Tiefe gezogen. Das größte unmittelbare Risiko: ein Krieg im Irak. Dauert dieser länger oder breitet er sich auf die Region aus, wird der Ölpreis, der Anfang dieser Woche bereits bei knapp 30 Dollar lag, weiter in die Höhe schnellen. Steigt er über einen längeren Zeitraum um zehn Dollar, wird das deutsche Wirtschaftswachstum nach Berechnungen des Sachverständigenrates um 0,3 Prozentpunkte geringer ausfallen. Zusätzlich belastet werden die Exporte, wenn der Wechselkurs des Euro weiter steigt. Ein nicht unwahrscheinliches Szenario: Nach dem Wechsel im amerikanischen Finanzministerium spekulieren die Finanzmärkte, dass die US-Regierung Abschied nimmt von der Politik des starken Dollar. Anfang der Woche kletterte der Euro daraufhin auf über 1,03 Dollar, den höchsten Stand seit fast drei Jahren. "Bricht auch noch der Export zusammen", fürchtet Bank-of-America-Ökonom Schmieding, "gehen in Deutschland die Lichter ganz aus."

Eine Woche vor Weihnachten veröffentlichte die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) ihren neuen Deutschland-Bericht. Darin gehen die Pariser Ökonomen mit der Wirtschaftspolitik der rot-grünen Bundesregierung hart ins Gericht: Die höheren Steuern bremsen das Wachstum, heißt es. "Was Not tut, sind Konsolidierungsmaßnahmen auf der Ausgabenseite und grundlegende Reformen der Arbeitsmärkte", mahnt die OECD. Für viele Ökonomen ist die Lage in Deutschland noch dramatischer als die OECD sie beschreibt. "Deutschland muss sich darauf einstellen, erneut in die Rezession zu rutschen", warnt Ulrich Beckmann, Leiter des Frankfurter Büros der Deutschen Bank Global Markets. Beckmann rechnet damit, dass das Bruttoinlandsprodukt schon jetzt im vierten Quartal schrumpft und dieser Negativtrend auch im ersten Quartal 2003 anhalten wird. Hauptgrund für die düstere Prognose ist die chaotische Wirtschafts- und Finanzpolitik der rot-grünen Bundesregierung. Mit immer neuen Steuer- und Abgabenerhöhungen verunsichert sie die Bürger und Unternehmen, treibt die Lohnnebenkosten in die Höhe und beschädigt den Standort Deutschland. Die Annahme der Regierung, die deutsche Wirtschaft werde 2003 um 1,5 Prozent wachsen, teilt inzwischen kein seriöses Konjunkturinstitut mehr. Das belegt auch eine Umfrage, die das Münchner Ifo-Institut für Wirtschaftsforschung unter rund 1100 Unternehmen aus Industrie, Handel, Bau und Dienstleistungen exklusiv für die WirtschaftsWoche durchgeführt hat. Alarmierendes Ergebnis: Viele Firmen halten sich wegen der Steuer- und Abgabenerhöhungen mit Investitionen zurück, bauen Arbeitsplätze ab, und erwägen, ihre Produktion ins Ausland zu verlagern. Deutschland droht damit im nächsten Jahr in eine Abwärtsspirale aus steigenden Abgaben, schrumpfender Inlandsnachfrage, zunehmender Arbeitslosigkeit und immer größeren Löchern in den öffentlichen Haushalten abzugleiten. Die jüngste Zinssenkung der Europäischen Zentralbank wird daran kaum etwas ändern, da sich niedrigere Zinsen erst nach einem Jahr positiv auf die Realwirtschaft auswirken. Und dass eine Belebung der Weltwirtschaft der deutschen Konjunktur in der zweiten Hälfte des nächsten Jahres aus der Malaise hilft, ist wenig wahrscheinlich. Ein länger andauernder Militärkonflikt im Irak dürfte die Konjunktur weltweit belasten. Wertet zudem der Euro weiter auf, sieht es auch für die Exporte - derzeit die einzige Stütze der deutschen Konjunktur - düster aus. Dabei hatten nicht nur die Bundesregierung, sondern auch viele Banken und Konjunkturinstitute nach dem Ende der Rezession 2001 auf einen kräftigen Aufschwung gehofft. Doch sie sahen sich enttäuscht. Um gerade 0,3 Prozent legte das deutsche Bruttoinlandsprodukt 2002 in den ersten drei Quartalen zu. Mit einem negativen vierten Quartal dürfte die Wirtschaft in diesem Jahr real stagnieren. Dass die Hoffnungen nicht aufgingen, hat mehrere Gründe. Die vor sich hin dümpelnde Weltwirtschaft und die Aufwertung des Euro machten den Exporten zu schaffen; der Crash an den Aktienmärkten hinterließ tiefe Spuren bei Banken und Versicherungen und verunsicherte die Bürger. Als dann auch noch die Angst vor einem Irak-Krieg den Ölpreis in die Höhe trieb, brachen Investitionen und Konsum endgültig ein. Statt der Konjunktur in dieser Situation mit Steuersenkungen und beherzten Strukturreformen neue Impulse zu geben, schockte die rot-grüne Regierung nach der Bundestagswahl Bürger und Unternehmen mit neuen Steuer- und Abgabenerhöhungen. Höhere Öko- und Tabaksteuern, eine stärkere Belastung der Gewinne aus dem Verkauf von Aktien und nicht selbst genutzten Immobilien, eine höhere Besteuerung von Dienstwagen - auf die Bürger kommen im nächsten Jahr insgesamt Mehrbelastungen von 5,2 Milliarden Euro zu. Und setzt sich die rot-grüne Regierung mit ihren Steuerplänen im Bundesrat durch, werden auch die Unternehmen mit Mehrbelastungen von rund 4,6 Milliarden Euro zur Kasse gebeten. Mit fatalen Folgen für die Investitionen. Rund 70 Prozent der vom Ifo-Institut befragten Unternehmen gaben an, sie werden als Folge der rot-grünen Steuerpläne ihre Investitionen einschränken oder aufschieben. "Der Rückgang der Investitionen wird in der öffentlichen Diskussion völlig unterschätzt", warnt Ifo-Experte Arno Städtler. Bereits in den vergangenen zehn Jahren lag das durchschnittliche Investitionswachstum in Deutschland mit 0,5 Prozent weit unter dem Durchschnitt der OECD-Länder von 4,7 Prozent. Das, so Städtler, gefährde die internationale Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands. Zusätzlich zu den höheren Steuern müssen Bürger und Unternehmen im nächsten Jahr auch mehr an Sozialabgaben zahlen. Der Beitragssatz zur Rentenversicherung klettert von 19,1 auf 19,5 Prozent, die Beitragsbemessungrenze steigt von 4500 auf 5100 Euro monatlich. Viele Krankenversicherungen werden trotz der ministeriell verordneten Nullrunde ihre Beitragssätze anheben, um ihre Defizite zu stopfen. Nach Berechnungen der Commerzbank kostet das die Bürger und die Unternehmen im nächsten Jahr jeweils 3,5 Milliarden Euro. Die steigenden Lohnnebenkosten machen den Faktor Arbeit teurer. Da die meisten Unternehmen keinen Spielraum für Preiserhöhungen haben, greifen sie zur Kostenschere. Entlassungen sind die Folge. Die Arbeitslosigkeit wird deshalb weiter steigen. Schon im Winter dürfte die Zahl der Arbeitslosen auf mehr als 4,5 Millionen klettern. Rechnet man die jahreszeitlichen Einflüsse heraus, dürfte die Arbeitslosigkeit bis Ende nächsten Jahres kontinuierlich steigen (siehe Grafik Seite 24). "Ende 2003 werden saisonbereinigt rund 300 000 Menschen mehr als gegenwärtig arbeitslos sein", prognostiziert Jörg Krämer, Chefvolkswirt von Invesco Asset Management. Trotz der kräftigen Steuererhöhungen dürfte Finanzminister Eichel auch im nächsten Jahr daran scheitern, das Haushaltsdefizit wieder unter die Drei-Prozent-Grenze (2002: 3,8 Prozent) zu drücken. "Die Wachstumsannahmen der Regierung sind viel zu optimistisch", sagt Ralph Solveen, Deutschlandexperte der Commerzbank. Selbst unter der optimistischen Annahme, dass die Wirtschaft um ein Prozent wächst, wird das Defizit bei 3,0 Prozent landen. Unter dem Druck der Verhältnisse und der Opposition im Bundesrat weicht die Bundesregierung in Einzelfragen nun zurück. Anstatt der von SPD-Ländern geforderten Vermögensteuer will sie eine Abgeltungssteuer von 25 Prozent auf Zinserträge einführen, was die Steuerlast für Besserverdienende, die steuerehrlich waren, sowie den bürokratischen Aufwand gegenüber dem geltenden Anrechnungsverfahren bei der Einkommensteuer verringern würde. Anfang dieser Woche einigte sich Wirtschaftsminister Clement mit der Union darauf, die Hürden bei Niedriglöhnen zu beseitigen, um zusätzliche Arbeitsanreize für Niedrigverdiener zu schaffen und die Schwarzarbeit zu bekämpfen. In Zukunft soll die Einkommensgrenze für Mini-Jobs auf 400 Euro (bisher 325 Euro) angehoben werden. Für Einkünfte zwischen 400 und 800 Euro sollen die Sozialabgaben langsam von 25 Prozent auf den vollen Satz steigen. Restriktive Bestimmungen beim Scheinselbständigengesetz werden gestrichen. Doch vor einer weiteren Liberalisierung des Arbeitsmarktes schreckt die Bundesregierung zurück. Superminister Clement hat den Gewerkschaften bei der Neuregelung der Zeitarbeit sogar noch zusätzliche Macht gegeben. Zusammen mit den Zeitarbeitsfirmen sollen sie sich auf einen Tarifvertrag für die Branche einigen. Kommt dieser nicht zustande, erhalten Zeitarbeiter ab 2004 den gleichen Lohn wie Belegschaft im entleihenden Betrieb und würden für die meisten Unternehmen damit teuerer. Um eine Stimmungsaufhellung oder gar wirtschaftliche Wende einzuleiten, sind die Korrekturen der Bundesregierung zu gering. Denn die zunehmende Arbeitslosigkeit und die steigenden Abgaben lasten wie Mehltau auf der Stimmung der Verbraucher. Die Anschaffungsneigung der Konsumenten ist auf den tiefsten Punkt seit 1980 gefallen. Der Einzelhandel setzte in den ersten zehn Monaten diesen Jahres real 2,3 Prozent weniger um als im Vorjahr. Nur mit saftigen Rabattaktionen, die zu Lasten der Gewinnspannen gehen, lassen sich die Kunden noch in die Läden locken. Der nächste Einbruch steht bevor, wenn die Bürger im Januar ihre Gehaltsabrechnung in den Händen halten. Bis zu 100 Euro, bei oberen Einkommensgruppen auch mehr, dürften ihnen dann im Portemonnaie fehlen. Nach Berechnungen der Commerzbank werden die geplanten Steuererhöh- a ungen die Zuwachsrate des privaten Konsums im nächsten Jahr um insgesamt 0,5 Prozentpunkte schmälern. Ähnlich mies wie im Einzelhandel ist die Stimmung in der Bauwirtschaft, mit knapp elf Prozent Anteil am BIP immer noch eine der größten Branchen des Landes. In den ersten neun Monaten diesen Jahres lagen die Auftragseingänge im Bauhauptgewerbe real um 5,6 Prozent unter dem Vorjahresniveau. Der Bauumsatz sank um 7,5 Prozent. Die grössten Probleme hat der Wohnungsbau. Die Überkapazitäten, die bis Mitte der Neunzigerjahre mit staatlicher Förderung aufgebaut wurden, drücken auf die Mieten. Die geringere Rendite und der prognostizierte Bevölkerungsrückgang in Deutschland schrecken potenzielle Investoren ab. Viele private Bauherren verzichten zudem aus Angst vor dem Verlust ihres Jobs, wegen der Kürzung der Eigenheimzulage und wegen der steigenden Steuer- und Abgabenbelastungen auf den Bau eines Eigenheims. Heiko Stiepelmann, Chefvolkswirt des Hauptverbands der Deutschen Bauindustrie (HDB), rechnet daher für 2003 mit einem Rückgang des Wohnungsbaus um 5,2 Prozent, nachdem die Branche schon in diesem Jahr um 7,2 Prozent geschrumpft ist. Mit einem Minus dürfte auch der Wohnungsbau 2003 abschließen. Die Pleitewelle hat in vielen Städten den Leerstand an Büroräumen vergrößert. Angesichts der geringen Kapazitätsauslastung sehen die Firmen von Investitionen in neue Gebäude und Lagerhallen ab. Die Umsätze im Wirtschaftsbau werden nach Einschätzung des HDB 2003 um 2,6 Prozent schrumpfen. Zwar dürfte der Wiederaufbau nach der Flut dem ein oder anderen Betrieb im Osten kurzfristig Aufträge verschaffen. Da aber den Kommunen in Ost und West als wichtigsten staatlichen Auftraggebern der Bauindustrie finanziell das Wasser bis zum Halse steht, rechnet der HDB für 2003 mit einem Minus beim öffentlichen Bau von 1,5 Prozent. Dass die deutsche Wirtschaft bislang nicht noch stärker eingebrochen ist, verdankt sie allein der Außenwirtschaft. "Wir sind konjunkturell zu 100 Prozent vom Export abhängig", urteilt Holger Fahrinkrug, Volkswirt der Investmentbank UBS Warburg. Im dritten Quartal legten die Ausfuhren um immerhin 2,7 Prozent gegenüber dem Vorquartal zu. Das wird wohl kaum so bleiben. "Die Weltkonjunktur stottert", sagt Stephen Roach, Chefvolkswirt der Investmentbank Morgan Stanley. Hoffnungen, die USA werden die Weltwirtschaft aus der Talsohle ziehen, könnten rasch platzen. Denn die Überkapazitäten der US-Firmen und die Verschuldung der Verbraucher drohen den Investitionen und dem Konsum den Garaus zu machen. Bricht die Konjunktur international ein, werden die deutschen Exporte mit in die Tiefe gezogen. Das größte unmittelbare Risiko: ein Krieg im Irak. Dauert dieser länger oder breitet er sich auf die Region aus, wird der Ölpreis, der Anfang dieser Woche bereits bei knapp 30 Dollar lag, weiter in die Höhe schnellen. Steigt er über einen längeren Zeitraum um zehn Dollar, wird das deutsche Wirtschaftswachstum nach Berechnungen des Sachverständigenrates um 0,3 Prozentpunkte geringer ausfallen. Zusätzlich belastet werden die Exporte, wenn der Wechselkurs des Euro weiter steigt. Ein nicht unwahrscheinliches Szenario: Nach dem Wechsel im amerikanischen Finanzministerium spekulieren die Finanzmärkte, dass die US-Regierung Abschied nimmt von der Politik des starken Dollar. Anfang der Woche kletterte der Euro daraufhin auf über 1,03 Dollar, den höchsten Stand seit fast drei Jahren. "Bricht auch noch der Export zusammen", fürchtet Bank-of-America-Ökonom Schmieding, "gehen in Deutschland die Lichter ganz aus."

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