Konsumgüter Wie Henkel mit Schwarzkopf die Konkurrenz jagt

Hans van Bylen hat die Shampoo-Marke Schwarzkopf im Henkel-Konzern zum Wachstumsstar aufpoliert. Seine Kosmetiksparte ist seit Jahren der profitabelste Unternehmensbereich. Wie hat er das gemacht?

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Henkel-Vorstand Hans van Bylen Quelle: Rüdiger Nehmzow für WirtschaftsWoche

Ungeduldig öffnet Hans van Bylen eine schwarze Pappkiste, kramt ein rotes Döschen heraus, schraubt den Deckel ab und streut behutsam ein weißes Pulver auf ein weißes Blatt Papier. Dabei funkeln die grau-blauen Augen des 48-Jährigen mit seinen silbernen Manschettenknöpfen um die Wette.

Nein, van Bylen, Vorstand beim Düsseldorfer Henkel-Konzern und Chef der Kosmetiksparte, ist nicht auf Koks. Das weiße Pulver ist eines der neuen Produkte, die der gebürtige Belgier neu in den Markt bringt – und von denen er, so scheint es, einfach nicht lassen kann. Er verteilt eine weitere Portion des weißen Pulvers in seiner linken Hand, verreibt es mit der rechten und schmiert sich dann alles ins kurze, dunkelbraune Haar.

„Osis – Creatives Dust it“ heißt der Stoff, der es van Bylen angetan hat. Die eigentümliche Masse ist ein trockenes Gel, das der Frisur mehr Struktur, mehr Volumen, einen mattierenden Effekt und mehr Halt bieten soll, dabei das Haar aber nicht so betonieren und zugleich nicht so klebrig daherkommen soll wie herkömmliche Pomade.

Schwarzkopf macht 1,7 Milliarden Euro Umsatz

Der kreative Staub ist ein Paradebeispiel, wie ein Unternehmen das angestaubte Image einer seiner Traditionsmarken auf modern trimmt, damit blendende Geschäfte macht und den Abstand zu den Marktführern stetig verringert. Denn Osis gehört zu Schwarzkopf. 111 Jahre hat die Marke mit der schwarzen Silhouette eines Herrenkopfes schon auf dem Buckel. Seit rund 15 Jahren ist sie Teil des Markenreichs von Henkel, das beim Publikum in erster Linie für das Waschmittel Persil, den Geschirrspüler Pril und den Klebestift Pritt bekannt ist.

Wirtschaftlich stellt Schwarzkopf mit 1,7 Milliarden Euro Umsatz 2008 die drei Marken jedoch in den Schatten. Schwarzkopf hat sich in den vergangenen Jahren zu der großen Wachstumsmarke der internationalen Haarkosmetik entwickelt. Trotz aggressiver und namhafter Wettbewerber wie Beiersdorf (Nivea), Unilever (Dove), L’Oréal oder Procter & Gamble (Wella) gewinnt Schwarzkopf seit Jahren Marktanteile in seinen drei Kerngeschäftsfeldern Haarpflege, Haarstyling und Haarfärbemittel.

Im professionellen Friseurmarkt dominieren aber andere

Auch in der Profiszene, also dem Geschäft mit den Friseuren, holt Schwarzkopf auf. Die Düsseldorfer versorgen rund 200.000 Friseure weltweit mit immer neuen Farben, Gels und Sprays. Trotz der Aufholjagd: Beim professionellen Tönen und Fönen in den Haartempeln rund um den Globus dominieren L’Oréal und Wella unangefochten das Geschehen.

Der Kopf hinter Schwarzkopf und der gesamten Henkel-Kosmetik- und -Körperpflege mit Marken wie Fa, Gliss, Bac, Diadermine und Theramed ist van Bylen. In der glamourösen Beauty-Welt muss der jugendlich wirkende Schlacks oft im Rampenlicht stehen, Hände schütteln und Laufsteg-Schönheiten wie Eva Padberg, Jana Ina Zarella oder Bojana Panic busseln, das Gliss-Girl mit der dunklen Mähne und dem verführerischen Schmollmund. Doch van Bylen verlässt das Scheinwerferlicht auch schnell wieder, steht lieber etwas abseits und lächelt bescheiden.

Grafik: Markt für Haarpflegeprodukte

Dabei könnte sich der Endvierziger auf seine Leistung einiges einbilden. Denn der Höhenflug von Schwarzkopf ist eng mit seiner Person verbunden. Noch vor wenigen Jahren war das Geschäft mit Glibber und Glamour nicht besonders beliebt im Henkel-Konzern. Doch van Bylen hat die Sparte zum profitabelsten Unternehmensbereich gestylt.

Seit dreieinhalb Jahren, genau 14 Quartale in Folge, wächst die Sparte und liefert Margen ab, die sich gewaschen haben und von denen Persil & Co. derzeit nur träumen können. Das größte Sorgenkind im Konzern ist nach wie vor die Klebstoffsparte, die rund die Hälfte der Konzernumsätze einfährt und kriselnde Branchen wie die Auto-, Elektro- oder Bauindustrie beliefert.

Zweimal im Monat steht Stefan Huchler, ein studierter Atomphysiker und verantwortlich für effiziente Lieferketten bei Henkel, mit der geheimnisvollen schwarzen Kiste vor seinem Chef van Bylen. In der Schachtel liegen Dosen, Flaschen und Tübchen – alles Neuheiten oder überarbeitete Produkte, die Henkel in diesen Wochen in den Handel bringt.

Die schwarze Kiste

Herr van Bylen, wie lange gibt es das Ritual mit der Kiste schon?

2005 habe ich die Kosmetiksparte übernommen. Ein knappes Jahr später haben wir damit begonnen. Und natürlich teste ich alle diese Produkte auch im täglichen Gebrauch.

Mussten Sie schon mal ein Produkt bei der Endabnahme stoppen, weil Ihnen dann doch etwas nicht gefallen hat?

Es gab einen Fall, da wurden zwei Fa-Shampoo-Flaschen für eine Verkaufsaktion von einer Folienverpackung zusammengehalten, die dann aber so ungünstig angebracht war, dass der Kunde wichtige Informationen nicht mehr auf Anhieb erkennen konnte. Das habe ich ändern lassen. Aber das passiert extrem selten. Ich habe großen Wert darauf gelegt, die Entwicklung von neuen Produkten in die Verantwortung aller Mitarbeiter in Forschung, Verpackung oder Marketing weltweit zu legen. Das hat die Fehlerquote enorm eingeschränkt.

Sie bekommen alle 14 Tage so eine prall gefüllte Kiste neuer Produkte vor die Nase. Wer soll das alles kaufen? Wie viele neue Produkte kann der Kunde überhaupt verkraften?

Bei den Produkten des alltäglichen Bedarfs legt kaum eine andere Branche ein ähnlich hohes Innovationstempo wie die Kosmetik vor. Da wollen wir ganz vorne mit dabei sein. Häufig sind es auch nur kleine Veränderungen oder Weiterentwicklungen. Mal wird die Verpackung mit einem praktischeren Verschluss optimiert, dann wiederum eine Produktserie um eine neue Duftnote oder eine trendige Haarfarbe erweitert. Selbstverständlich nehmen wir auch immer wieder Produkte aus dem Sortiment. Wir machen 40 Prozent unseres Umsatzes mit Produkten, die nicht älter als drei Jahre sind.

Van Bylen zählt zu den Managern, die ihr Metier von der Pieke auf gelernt haben. Anders als Konzernchef Kasper Rorsted, der 2005 aus der IT-Industrie zu Henkel stieß, beginnt der Betriebswirt bei dem Düsseldorfer Konzern ganz unten: 1984 als 23-jähriger Außendienstler für Waschmittel in Belgien. Er wechselt ins Produktmanagement und verantwortet das Waschmittel-Marketing in den Beneluxländern, später den gleichen Aufgabenbereich für Kosmetik- und Körperpflege. 2001 steigt er ins Direktorium auf, im Juli 2005 in den Vorstand, zuständig für die Kosmetik- und Körperpflege mit rund 8000 Mitarbeitern und einem Umsatz von heute über drei Milliarden Euro.

Henkel-Vorstand Hans van Bylen Quelle: Rüdiger Nehmzow für WirtschaftsWoche

Van Bylen übernimmt das Ruder allerdings zu einer Zeit, als bei Henkel kaum noch jemand einen Pfifferling auf das Geschäft mit Deos und Duschbädern gibt. Fa und Konsorten dümpeln vor sich hin, der Umsatz stagniert, eine klare Stoßrichtung ist nicht erkennbar. Das Geschäft mit der Schönheit gilt in der Düsseldorfer Konzernzentrale als Verkaufskandidat – erst recht, nachdem die Übernahme von Wella im Jahr 2003 scheitert und der Darmstädter Konzern vom Henkel-Rivalen Procter & Gamble geschluckt wird. Van Bylen weiß, entweder ihm gelingt die Rettung, oder er kann gehen.

Herr van Bylen, wie haben Sie das Kosmetikgeschäft im Henkel-Konzern wieder salonfähig gemacht?

Absolute Priorität hatte die Fokussierung der Sparte. Nicht so groß zu sein kann auch ein Vorteil sein. Und so haben wir uns aus Märkten verabschiedet, in denen wir seinerzeit chancenlos waren; etwa aus Korea und einigen lateinamerikanischen Ländern. Parallel dazu haben wir kleinere Marken sowie unsere Parfümaktivitäten verkauft. Zusätzlich konnten wir auch die Zahl der Produktionsstandorte verringern, die Komplexität reduzieren und im Gegenzug die Werbeausgaben auf unsere vier Kernbereiche Haar, Körperpflege, Haut und Mundhygiene konzentrieren. Und ganz wichtig: Wir haben den Innovationsprozess optimiert. Erfolgreiche Neuheiten basieren mittlerweile auf einem klar strukturierten Innovationsprozess und einer starken Innovationskultur. Alle Mitarbeiter fühlen sich für Innovationen verantwortlich

O, là, là, das klingt aber sehr nach dem Einmaleins der Unternehmensberatung...

...ist es aber nicht. Wir haben beispielsweise vor drei Jahren einen professionellen Trendwatch installiert. Das ist eine Intranet-Plattform, die immerzu von internationalen Trendscouts und Trendagenturen gefüttert wird und auf die jeder Mitarbeiter aus Marketing, Marktforschung und Produktentwicklung zugreifen kann, und zwar weltweit. Daneben haben wir eine sogenannte Inno-Lounge eingerichtet, ebenfalls eine Intranet-Plattform, in die jeder Mitarbeiter seine Ideen und Anregungen für neue Produkte einstellen kann. So kriegen wir ungefiltert alle Ideen sofort bis in die obersten Führungsetagen.

Unternehmenseigene Innovationsvorschläge

Die Ideenschleudern auf Internet-Basis zahlen sich für Henkel aus. Ihr Erfolg basiert ganz offenkundig darauf, dass jeder Mitarbeiter anonym Ideen einreichen kann, ohne dass er sich für allzu spinnerte Ideen oder Absagen schämen müsste. Nach einer Woche erhält der Mitarbeiter dann eine Einschätzung aus dem Top-Management, ob und wie seine Idee im Unternehmen weiterverfolgt wird. Erst dann wird die Eingabe personalisiert.

So war es auch bei Beatrice Billot. Die Brand Managerin aus Düsseldorf hatte die Idee, die Fähigkeit von Reis, Feuchtigkeit zu absorbieren, für ein Körperpflegemittel zu nutzen. Heraus kam das Fa-Deo ReisDry, das seit gut einem Jahr im Handel ist und gegen Achselschweiß hilft.

Cranberry-Duschbad und Hygiene-Seife

Wenn van Bylen solche Geschichten erzählt, dann ist er in seinem Element. Sein flämisch durchwobenes Deutsch überschlägt sich fast, wenn er über den „Erfolsch“ der „Prodükte“ und die erstmals im vergangenen Jahr erzielten drei Millionen „Öro“-Umsatz schwärmt.

Ein ums andere Produkt zaubert er aus der schwarzen Kiste, die ihm seine Leute präsentieren: Duschbäder in der Duftrichtung Cranberries, Zahnpasta mit Zahnweißer und Mundwasser, ein Schauma-Shampoo zur angeblichen Vorbeugung von Haarausfall, Hygiene-Flüssigseife der Marke Fa und neue Produkte der Haarpflegemarke Syoss. Ohne sich selbst dafür ins Zeug zu legen, da ist sich van Bylen sicher, fände er nicht ständig so viel Neues in seiner Kiste.

Herr van Bylen, was tun Sie persönlich, damit Ihre Innovationsmaschine auf Hochtouren läuft?

Ich mache mir bewusst, dass alles, was ich tue, wo ich Prioritäten setzte, Signalwirkung für die gesamte Organisation hat. Wenn ich in der Henkel-Kosmetik-Welt unterwegs bin, dann will ich zum Beispiel vor Ort immer die fünf Top-Talente sehen und mit ihnen reden. Das sind 10 bis 15 Minuten pro Mitarbeiter, alles in allem also gut eine Stunde. Diese Zeit nehme ich mir. Das hat auch Vorbildcharakter für andere Führungskräfte. Jeder Mitarbeiter merkt, aha, der Hans van Bylen kümmert sich und legt Wert auf Mitarbeitergespräche, also sollte ich das auch tun.

Motivierte Mitarbeiter sind das eine, klamme Kunden das andere. Was sagen Sie Ihren Leuten, wenn in den kommenden Monaten die Arbeitslosigkeit steigt und die Verbraucher mehr aufs Geld achten müssen?

Die Entwicklung ist schwer vorhersehbar, das ist uns bewusst. Trotzdem ist die Kosmetik-sparte gut aufgestellt, da für uns das Thema Preissensibilität nicht neu ist. Wir sind mit unserem Sortiment in unterschiedlichen Preissegmenten gut vertreten. Hinzu kommt, dass gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten die Kunden nicht auf ihre vertraute Qualität und ihre bekannten Marken verzichten wollen.

Schwarzkopf ist eine Bastion in Europa. Die Übernahme des Seifenherstellers Dial vor gut vier Jahren in den USA hat Henkel auch dort vorangebracht. In Asien jedoch scheinen Sie den Anschluss an Konkurrenten wie Beiersdorf zu verlieren.

Kosmetiksparte wächst seit 15 Jahren

Im Konsumgütergeschäft ist im Vergleich zum Industriegeschäft eine starke globale Präsenz nicht zwingend erforderlich. Tatsächlich sind wir in Asien noch kleiner; bei Haarcolorationen und im Friseurgeschäft verfügen wir dennoch über führende Positionen in China, Japan, Thailand und Vietnam.

Um Möglichkeiten für zusätzlichen Umsatz muss van Bylen sich nicht sorgen. 190 Milliarden Euro geben die Erdenbürger pro Jahr für Körperpflege aus – Tendenz stabil. Allein 135 Milliarden davon entfallen auf Artikel, die Henkel produziert.

Van Bylen zählte, wenn er wollte, selbst zu den Kunden, die künftig mehr aus dem Hause Henkel verwenden könnten. Rund 20 Prozent seines Haares, weiß er, sind inzwischen grau. Für einen Fast-Fünfziger ein erträglicher Wert. Und so lässt er die Haare, wie sie sind.

Lieber testet van Bylen ein paar neue Produkte aus der schwarzen Kiste im Namen potenzieller Kunden, stülpt den Deckel über den Rest der Innovationen und freut sich auf den 11. November. Dann wird sein Vorstandschef Rorsted die neuen Quartalszahlen präsentieren – und van Bylen zum 15. Mal in Folge ein Wachstum für seinen Geschäftsbereich und ihre bekannten Marken verzichten wollen.

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