Konzernumbau Das Trauma bei der Deutschen Post

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Dennoch steckt in dem Geschäft Potenzial — selbst in der Krise. „Mehr denn je drücken alle Unternehmen ihre Logistikkosten“, sagt Appel. „Deswegen werden die zusätzliches Geschäft an Dritte auslagern.“ Erst kürzlich bekam DHL den Auftrag für die Auslieferung der Bordverpflegung für Europaflüge von British Airways in Höhe eines dreistelligen Millionenbetrages. In den ersten neun Monaten 2008 verzeichnete DHL sogar weltweit Neugeschäft mit einem jährlichen Umsatzvolumen von rund einer Milliarde Euro. Zudem verlängern 90 Prozent der Kunden ihre Verträge — das Geschäft scheint eine sichere Bank.

Ging Zumwinkel als Konzernschmied und Visionär in die Geschichte ein, wird sich Appel als Kärrner einen Namen machen müssen. Vorboten der neuen Gangart zeigen sich im neuen DHL-Umschlagzentrum am Leipziger Flughafen. Unter Appel ist der graue Alltag eingekehrt. In Leipzig versuchen seine Leute gerade zu erreichen, dass 1000 Mitarbeiter freiwillig ihre Arbeitszeiten von 40 auf 30 Wochenstunden gegen eine Prämie von 6000 Euro senken.

Um Entlassungen wird Appel künftig nicht herumkommen. In der Branche sind „die Personalkosten mit einem Anteil von 60 Prozent der mit Abstand größte Brocken“, weiß Erich Gampenrieder, Experte der Beratung Accenture. Auch das Briefgeschäft mit seinen 150.000 Beschäftigten wird wohl gut 400 Millionen Euro zum Sparvolumen beitragen müssen. Der Vertrieb, der mit rund 3000 Leuten die größten Firmenkunden betreut, soll besonders bluten — noch im ersten Quartal könnte jede zehnte Stelle entfallen. Aber auch im Expressgeschäft und in der Logistik stehen Kürzungen an. „Hier muss weltweit restrukturiert werden“, heißt es in einer Studie der Investmentbank JP Morgan.

Technische Innovationen im Briefgeschäft

Dabei wird Appel weit über das eingeleitete Ein-Milliarden-Sparprogramm hinausgehen. Flexibilisierung sei für ihn eines „der ganz wichtigen Themen“, sagt er. Dazu dürfte laut Insidern auch die Kappung des Ende 2009 auslaufenden Friedensvertrags zwischen Konzern und Gewerkschaften gehören. Der verhindert zurzeit, dass die Post in ihren 53.000 Zustellbezirken auch Subunternehmer anstelle eigener Briefträger einsetzt. Bei der Paketzustellung darf die Post nur in 800 Bezirken fremde Kräfte einsetzen. Appel wird Druck machen, da sind sich Experten einig, mehr Arbeit nach draußen zu verlagern.

Im Gegenzug dürfte endlich neuer Wind in die Briefsparte fahren. Jahrzehntelang vom staatlichen Monopol narkotisiert, könnte das Geschäft unter Appel erstmals von nennenswerten Innovationen profitieren. Das neue Handy-Porto, bei dem die Verbraucher mithilfe von SMS einen Brief frankieren, wird wohl erst der Anfang sein. So gehört zu Appels „Strategie 2015“ auch das Projekt „Hybrid Post 2“. Dabei werden Briefe von Unternehmen zunächst an die Post gemailt und dann per Papierausdruck an den Empfänger weitergeschickt werden. Wie die WirtschaftsWoche erfuhr, hat sich die Post mit ausländischen Postgesellschaften auf einen Übertragungsstandard geeinigt, der den sicheren Versand eines Briefes von Europa etwa nach China statt in acht Tagen in wenigen Stunden ermöglicht – und ein Drittel weniger kostet.

Unter Hochdruck arbeitet Appel offenbar auch an Änderungen beim Brief. Für das bisherige Porto gäbe es dann die Zustellung von Dienstag bis Samstag, gegen ein höheres Entgelt auch am Sonntag und Montag. Allerdings bedürfte es dazu der Änderung der gegenwärtigen gesetzlichen Bestimmungen in Deutschland. Vollends in die Niederungen des operativen Geschäfts wird sich Appel begeben müssen, wenn er Rationalisierungsreserven heben will, die weit in die Vergangenheit zurückreichen. So ließ Zumwinkel vor 15 Jahren 33 Verteilzentren für Paket- und 83 für Briefbeförderung errichten. Berater halten diese Hubs inzwischen für zu teuer und ineffizient. Eine teilweise Zusammenlegung könnte die Kosten entscheidend senken.

Experten trauen Appel zu, dass er mit seiner „Strategie 2015“ die Post voranbringt. In einem Punkt dürfte sich der Ex-McKinsey-Berater und promovierte Neurobiologe aber schwertun: im Umgang mit Politikern. „Hier ist es fast unmöglich aus dem Schatten seines Vorgängers Zumwinkel herauszutreten“, sagt Elmar Müller vom Deutschen Verband für Post, Informationstechnologie und Telekommunikation (DVPT). Appel selbst sieht das pragmatisch. „Wir brauchen die Rückendeckung der Politik, aber auch die Politik braucht unsere“, sagte er unlängst im kleinen Kreis. „Schließlich sind wir in der Logistik hierzulande einer der letzten Arbeitgeber für einfache Jobs, die nicht exportiert werden können.“

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