Korruption Deutschlands spektakulärste Bauskandale

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Die Strabag-Affäre: Kriminelle Vereinigung

In krumme Geschäfte Quelle: dpa/dpaweb

Es begann mit einem Doppelmord in der Karibik. Ein Bauunternehmer aus dem sächsischen Plauen und seine Freundin. starben 2003 gewaltsam während eines Urlaubs in der Dominikanischen Republik. Die Staatsanwaltschaft Chemnitz untersuchte die Hintergründe und stieß dabei auf „Hinweise zu einem Baubetrug“, in den das Mordopfer verstrickt war. Der Nebenschauplatz des Mordfalls eskalierte zu einem gigantischen Korruptionsfall, in deren Zentrum die deutsche Tochter des österreichischen Baukonzerns Strabag steht. Bei einer von drei großen Durchsuchungskationen seit 2005 - nahmen die Ermittler vor zwei Jahren auch die Kölner Strabag-Zentrale unter die Lupe. Sie ergaben, dass die Strabag-Niederlassung Sachsen immer wieder Ausschreibungen mit günstigen Angeboten gewonnen hatte, dann aber in hohem Umfang Nachforderungen abrechnete, denen nur fiktive Leistungen zugrunde lagen.

So wurde beim Bau der A 72 von Chemnitz nach Hof und beim Bau der A 4 von Chemnitz Richtung Thüringen in zahlreichen Fällen und in großem Umfang nie verbautes Material abgerechnet. Asphaltdecken wurden dünner aufgetragen als vereinbart oder Abflussleitungen ohne das bezahlte Kiesbett verlegt. Beim Bau des Südrings in Chemnitz berechnete Strabag die Entsorgung von 4000 Tonnen Bauschutt, obwohl es  nur 100 Tonnen gab. Die Stadt bezahlte auch 21 000 Kubikmeter Kalk, die offenbar nie verwendet wurden. „Beim Bau eines Straßenabschnitts waren Erdmassen abgerechnet worden, mit denen man eine doppelt so lange Straße hätte bauen können“, sagt der frühere Staatsanwalt und jetzige Chminitzer Rechtsbürgermeister Miko Runkel.

Im Juli 2007 bestätigte Strabag die Aufdeckung des „systematischen Betrugs- und Korruptionsnetzwerks“, das perfekt funktioniert hatte: Subunternehmer gaben bei Strabag Scheinrechnungen ab, die korrupte Strabag-Mitarbeitern absegneten, Strabag wiederum reichte Scheinrechnungen bei den Kommunen ein, wo korrupte Behördenmitarbeiter sie abzeichneten. Im Zuge der Ermittlungen tauchten immer neue Skandale auf, etwa beim Bau einer Straßenbahntrasse und des Hotels Mercure in Chemnitz. Auf rund 30 Millionen Euro wird der Gesamtschaden geschätzt. Ungesühnt bleiben längst verjährte Fälle in ungeahntem Ausmaß.

Die Folgen der Affäre waren so dramatisch wie ihr Ausgangspunkt und sind längst nicht ausgestanden. Ein 50-jähriger ehemaliger Mitarbeiter des Chemnitzer Tiefbauamtes beging im Februar 2008 Selbstmord. Strabag löste die Chemnitzer Niederlassung mit 90 Mitarbeitern komplett auf. Ermittelt haben die Staatsanwälte zeitweise gegen über 100 Beschuldigte - wegen Betrug, Untreue, Bestechlichkeit und Bildung einer kriminellen Vereinigung. Rund ein Dutzend der Beschuldigten gehörten oder gehören der Stadtverwaltung Chemnitz an.

Skandale ohne Ende

Der Oberbauleiter der Chemnitzer Strabag-Niederlassung wurde im März 2007 zu drei Jahren und zwei Monaten Haft verurteilt. Gleichzeitig erhielt ein Wiesbadener Kleinunternehmer – ein langjähriger Strabag-Partner - eine Bewährungsstrafe. Er hatte nicht existierende Flutlichtanlagen für 1,5 Millionen Euro abgerechnet. Weitere Urteile und Strafbefehle folgten, weitere Ermittlungen gegen ehemalige Strabag-Subunternehmer und gegen Behördenmitarbeiter laufen noch, weitere Anklagen sind zu erwarten. Erst im Januar 2009 gab es eine Festnahme auf Mallorca.

Auch zivilrechtlich dürfte die Aufarbeitung der Affäre noch Jahre dauern. Strabag einigte sich inzwischen mit der Stadt Chemnitz auf eine Entschädigung in Höhe von 785.000 und mit der Stadt Zwickau in Höhe von 545.000 Euro. Umgekehrt wurde der ehemalige Strabag-Chef für Sachsen, Manfred Zeidler, im Februar dieses Jahres dazu verurteilt, 1,1 Millionen Euro Schadensersatz an seinen früheren Arbeitgeber zu zahlen. Er hatte mindestens 56 Scheinrechnungen eines Subunternehmens beglichen. Strabag verfolgt Schadensersatzansprüche gegen weitere der an dem Scheinrechnungssystem beteiligten Firmen

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