Korruption Deutschlands spektakulärste Bauskandale

Köln ist mit den Ermittlungen um nicht eingebaute Stahlträger auf einer U-Bahn-Baustelle um einen Skandal reicher. Doch der Klüngel ist auch auf anderen deutschen Großbaustellen Dauergast. wiwo.de hat die spektakulärsten Korruptionsfälle der Baubranche ermittelt.

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Kölner U-Bahn-Skandal: Sicherungsmaßnahmen und Ermittlungen

Die U-Bahn-Baustelle Heumarkt Quelle: dpa

In Köln ist der Karneval vorüber. Kurz vor dem Ende des bunten Treibens begannen unter der Erde die Aufräumarbeiten für einen Bauskandal, der die Rheinländer seit Wochen auf Trab hält. Denn wie ausgerechnet zu Karneval bekannt wurde, wurde beim Bau der Kölner U-Bahn gehörig gepfuscht. Unter anderem wurden in Wände unterhalb des Kölner Heumarkts viel zu wenige Eisenträger eingebaut. Bei Hochwasser könnten die Wände einstürzen.

Bis Ende dieser Woche sollen nun die zusätzlichen Hochwasser-Sicherungen an der gefährdeten U-Bahn-Baugrube fertig sein, hieß es gestern. Bis dahin sollenStahlverstärkungen angebracht und Vorbereitungen getroffen werden, damit die Grube im Notfall geflutet werden kann. Dies könnte nötig werden, um bei steigendem Grundwasserspiegel die Stabilität der Baukonstruktion am Heumarkt zu gewährleisten.

Stadt will Vertrag mit Bilfinger Berger prüfen

Für die betroffenen Firmen ist der Skandal aber längst noch nicht ausgestanden: Nach immer neuen Berichten über Pfusch beim U-Bahnbau prüfen die Stadt Köln und die KVB als Bauherrin auch, den Vertrag mit den beteiligten Bauunternehmen zu kündigen. „Das muss aber genau abgewogen werden“, sagte KVB-Vorstandssprecher Jürgen Fenske. Denn als Folge einer Kündigung könne es zu weiteren erheblichen Verzögerungen beim U-Bahnbau kommen. Das Baufirmen-Konsortium unter Federführung des Mannheimer Konzerns Bilfinger Berger sei in der Pflicht zu erklären, wie es zu den Unregelmäßigkeiten gekommen ist. Bisher ist die Antwort der Unternehmen aus Sicht von Stadt und KVB „unzureichend“. Es sei auch noch nicht dargelegt worden, wie ähnliche Missstände künftig verhindert werden sollten.

In den vergangenen Tagen gab es immer wieder neue Berichte über Baumängel. Auch über systematischen Betrug bei dem U-Bahnbau wird spekuliert. Für 28 unterirdische Schlitzwände - sie dienen der Stabilität - sollen falsche Vermessungsprotokolle angefertigt worden sein. Stabilisierende Eisenbügel fehlen an einigen Stellen in drastischen Ausmaßen: Am Heumarkt waren nur 17 Prozent der vorgeschriebenen Bügel eingebaut worden, der Großteil soll abgezweigt und an einen Schrotthändler verkauft worden sein.

Bilfinger Berger hatte auf Fragen von KVB und Stadt bisher nur mit der Auskunft reagiert, bei den Bauprotokollen seien „vielleicht aus Software-Unverständnis“ Fehler gemacht worden. Drei Mitarbeiter, die in leitender Funktion beim U-Bahnbau tätig waren, seien freigestellt worden. Das gesamte Bauprojekt hat nach Angaben von Bilfinger Berger ein Volumen von 400 Millionen Euro, der größte Teil sei schon abgewickelt. Die Baustelle am Heumarkt könnte nach Experten-Einschätzung instabil werden, wenn der Rheinpegel auf vier Meter steigt. Derzeit liegt er klar unter der Drei-Meter-Marke, ab dem Wochenende werden aber steigende Werte erwartet.

Wer Schuld hat an den Missständen ist noch völlig unklar. Die Staatsanwaltschaft ermittelt inzwischen in drei parallelen Fällen: Zum einen gegen Unbekannt nach dem Einsturz des Historischen Archivs am 3. März 2009. Das Unglück steht im Zusammenhang mit dem U-Bahnbau und forderte zwei Menschenleben. Ein zweites Verfahren richtet sich gegen zwei Mitarbeiter von Baufirmen. Der Verdacht laute hier auf Betrug und Fälschung technischer Aufzeichnungen, sagte Oberstaatsanwalt Günther Feld. Zudem ermittelt die Behörde „in Sachen Eisenklau“ gegen rund zehn Verdächtige.

Die Kölner sind mit ihren Mißständen nicht alleine: Denn die Bauindustrie zählt zu den korruptesten Branchen Deutschlands. Spektakuläre Korruptionsfälle am Bau werden immer öfter aufgedeckt - wiwo.de hat auf den folgenden Seiten die aufsehenerregensten Fälle zusammengestellt.

Die Ikea-Affäre: Bares vom Seniorchef

Negativ-Schlagzeilen für Quelle: dpa/dpaweb

Seit 2004 wühlen sich Frankfurter Staatsanwälte durch ein Dickicht illegaler Geldflüsse zulasten des Möbelkonzerns Ikea – und sind noch nicht fertig. Von ursprünglich 60 Ermittlungsverfahren laufen noch knapp 20. Aber im wesentlichen ist klar, dass die Schweden für den Neu- und Ausbau von Filialen in Deutschland seit 1999 zehn bis 15 Millionen Euro zuviel bezahlt haben. Vermutlich war der Schaden noch höher, denn das Geflecht von geschmierten Ikea-Mitarbeitern und schmierenden Auftragnehmern scheint schon seit Mitte der Achtzigerjahre Bestanden zu haben. Spinne im Netz war ein Bauleiter von Ikea Property. Dieser Hauptverdächtige nahm sich in der Untersuchungshaft das Leben, als klar wurde, dass er eine Haftstrafe nicht würde abwenden können, obwohl er den Ermittlern seine Schmiergeldkonten in Liechtenstein, Österreich und der Schweiz offengelegt hatte.

Aufgedeckt hatte das korrupte System eine Geliebte und Kollegin des Ikea-Managers. Seit sie bei der Staatsanwaltschaft ihr Gewissen erleichterte, stecken über ein Dutzend Bau- und Handwerksunternehmen im Affärensumpf. Das namhafteste: das heute 5.700 Mitarbeiter große bayrische Hightech-Bauunternehmens Max Bögl. Mindestens bei sechs Ikea-Aufträgen hatten Manager des Familienunternehmens von 2002 bis 2005 zuviel abgerechnet und Ikea-Leute geschmiert, damit die die überhöhten Rechnungen absegneten.

Schadenersatzforderungen weiter offen

Der damalige Geschäftsführer des Bögl-Bereichs Hochbau akzeptierte dafür 2007 einen Strafbefehl über 335.000 Euro und eine Freiheitsstrafe von einem Jahr auf Bewährung. Seniorchef Johann Bögl zahlte 243.000 Euro - laut Strafbefehl hatte er zweimal sechsstellige Beträge in bar heraus gegeben, mit denen sein Hochbau-Chef Ikea-Leute bestach. Weitere Bögl-Leute kassierten Strafbefehle in fünfstelliger Höhe. Auch das Unternehmen selber musste blechen.

Die Staatsanwaltschaft erließ einen sogenannten Verfallsbescheid über fünf Millionen Euro und schöpfte damit Gewinne aus den illegal gewonnenen Aufträgen ab. Bögl überwies die Summe und entging so einem Eintrag ins Gewerbezentralregister, der das Unternehmen von öffentlichen Aufträgen ausgeschlossen hätte. Strafrechtlich war die Affäre für Bögl damit ohne öffentliche Verhandlung beigelegt. Doch als die Schmiergeschäfte aufflogen, bauten die Oberpfälzer gerade auf vier Ikea-Baustellen.

Von den Bögl-Forderungen behielt Ikea 2,5 Millionen Euro ein und forderte im Juni 2007 insgesamt 6,3 Millionen Euro Schadensersatz. Das Zivilverfahren dauert an. Einige Schadensersatzforderungen von Ikea gegen weitere Täter - auch die aus dem eigenen Unternehmen, die alle ihre Jobs bei Bögl verloren – sind ebenfalls zum Teil noch offen.

Bögl gehört mit gleich sechs Tochtergesellschaften nun dem Verein EMB-Wertemanagement der Bauwirtschaft an und schuf „korruptionsfeindliche Strukturen“.

Die Strabag-Affäre: Kriminelle Vereinigung

In krumme Geschäfte Quelle: dpa/dpaweb

Es begann mit einem Doppelmord in der Karibik. Ein Bauunternehmer aus dem sächsischen Plauen und seine Freundin. starben 2003 gewaltsam während eines Urlaubs in der Dominikanischen Republik. Die Staatsanwaltschaft Chemnitz untersuchte die Hintergründe und stieß dabei auf „Hinweise zu einem Baubetrug“, in den das Mordopfer verstrickt war. Der Nebenschauplatz des Mordfalls eskalierte zu einem gigantischen Korruptionsfall, in deren Zentrum die deutsche Tochter des österreichischen Baukonzerns Strabag steht. Bei einer von drei großen Durchsuchungskationen seit 2005 - nahmen die Ermittler vor zwei Jahren auch die Kölner Strabag-Zentrale unter die Lupe. Sie ergaben, dass die Strabag-Niederlassung Sachsen immer wieder Ausschreibungen mit günstigen Angeboten gewonnen hatte, dann aber in hohem Umfang Nachforderungen abrechnete, denen nur fiktive Leistungen zugrunde lagen.

So wurde beim Bau der A 72 von Chemnitz nach Hof und beim Bau der A 4 von Chemnitz Richtung Thüringen in zahlreichen Fällen und in großem Umfang nie verbautes Material abgerechnet. Asphaltdecken wurden dünner aufgetragen als vereinbart oder Abflussleitungen ohne das bezahlte Kiesbett verlegt. Beim Bau des Südrings in Chemnitz berechnete Strabag die Entsorgung von 4000 Tonnen Bauschutt, obwohl es  nur 100 Tonnen gab. Die Stadt bezahlte auch 21 000 Kubikmeter Kalk, die offenbar nie verwendet wurden. „Beim Bau eines Straßenabschnitts waren Erdmassen abgerechnet worden, mit denen man eine doppelt so lange Straße hätte bauen können“, sagt der frühere Staatsanwalt und jetzige Chminitzer Rechtsbürgermeister Miko Runkel.

Im Juli 2007 bestätigte Strabag die Aufdeckung des „systematischen Betrugs- und Korruptionsnetzwerks“, das perfekt funktioniert hatte: Subunternehmer gaben bei Strabag Scheinrechnungen ab, die korrupte Strabag-Mitarbeitern absegneten, Strabag wiederum reichte Scheinrechnungen bei den Kommunen ein, wo korrupte Behördenmitarbeiter sie abzeichneten. Im Zuge der Ermittlungen tauchten immer neue Skandale auf, etwa beim Bau einer Straßenbahntrasse und des Hotels Mercure in Chemnitz. Auf rund 30 Millionen Euro wird der Gesamtschaden geschätzt. Ungesühnt bleiben längst verjährte Fälle in ungeahntem Ausmaß.

Die Folgen der Affäre waren so dramatisch wie ihr Ausgangspunkt und sind längst nicht ausgestanden. Ein 50-jähriger ehemaliger Mitarbeiter des Chemnitzer Tiefbauamtes beging im Februar 2008 Selbstmord. Strabag löste die Chemnitzer Niederlassung mit 90 Mitarbeitern komplett auf. Ermittelt haben die Staatsanwälte zeitweise gegen über 100 Beschuldigte - wegen Betrug, Untreue, Bestechlichkeit und Bildung einer kriminellen Vereinigung. Rund ein Dutzend der Beschuldigten gehörten oder gehören der Stadtverwaltung Chemnitz an.

Skandale ohne Ende

Der Oberbauleiter der Chemnitzer Strabag-Niederlassung wurde im März 2007 zu drei Jahren und zwei Monaten Haft verurteilt. Gleichzeitig erhielt ein Wiesbadener Kleinunternehmer – ein langjähriger Strabag-Partner - eine Bewährungsstrafe. Er hatte nicht existierende Flutlichtanlagen für 1,5 Millionen Euro abgerechnet. Weitere Urteile und Strafbefehle folgten, weitere Ermittlungen gegen ehemalige Strabag-Subunternehmer und gegen Behördenmitarbeiter laufen noch, weitere Anklagen sind zu erwarten. Erst im Januar 2009 gab es eine Festnahme auf Mallorca.

Auch zivilrechtlich dürfte die Aufarbeitung der Affäre noch Jahre dauern. Strabag einigte sich inzwischen mit der Stadt Chemnitz auf eine Entschädigung in Höhe von 785.000 und mit der Stadt Zwickau in Höhe von 545.000 Euro. Umgekehrt wurde der ehemalige Strabag-Chef für Sachsen, Manfred Zeidler, im Februar dieses Jahres dazu verurteilt, 1,1 Millionen Euro Schadensersatz an seinen früheren Arbeitgeber zu zahlen. Er hatte mindestens 56 Scheinrechnungen eines Subunternehmens beglichen. Strabag verfolgt Schadensersatzansprüche gegen weitere der an dem Scheinrechnungssystem beteiligten Firmen

Die Daimler-Affäre: Interne Verführung

Im März dieses Jahres fand die Daimler-Bauaffäre ihren juristischen Abschluss. Es ging dabei nicht um Bestechung von Behörden und auch nicht um schmutzige B2B-Geschäfte, sondern um unternehmensinternen Missbrauch - angestoßen vom Top-Management.

Der damalige Daimler-Vertriebschef Eckhard Panka hatte von 2001 bis 2004 Mitarbeiter der Bauabteilung des Konzerns, der zu der Zeit noch DaimlerChrysler hieß, mehrfach für private Bauprojekte eingesetzt und das Unternehmen dafür zahlen lassen. Erst ging es um den Umbau von Pankas Haus in München, dann um ein privates Bauprojekt auf Mallorca.

36.000 Euro Geldstrafe für Panka

Die Kosten wurden in den Abrechnungen unternehmensinterner Projekte versteckt. Ermittelt hat die Staatsanwaltschaft - auch wegen anderer Korruptionsvergehen - zeitweise gegen bis zu 20 Beschuldigte aus der Vertriebsorganisation.Ein Viertel davon gehörten der Bauabteilung an und mussten Daimler verlassen. Im März dieses Jahres verurteilte das Amtsgericht Stuttgart Panka, der 2004 vorzeitig in den Ruhestand gehen musste, wegen Untreue zu 36.000 Euro Geldstrafe.

Gegen einen früheren Strafbefehl in Höhe von 128.000 Euro hatte Panka Einspruch eingelegt. Die neue und niedrigere Strafe akzeptierte der Ex-Manager. Ein ehemaliger Daimler-Bauleiter war im Februar - ebenfalls wegen Untreue - zu 6.750 Euro Geldstrafe verurteilt worden.

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