Korruption Freiwillige Selbstkontrolle der Pharmaindustrie wirkungslos

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pillen Quelle: dpa

Nur einige Selbstverständlichkeiten seien erreicht, so Ludwig: Mittlerweile laden die Pharmaunternehmen die Mediziner bei Kongressen und Konferenzen nicht mehr in Luxushotels ein. Auch der Ehepartner muss zu Hause bleiben, statt ein nettes Begleitprogramm zu genießen. Dennoch: „Statt des FSA wünsche ich mir eine von der Pharmaindustrie unabhängige Kontrollinstanz“, sagt Ludwig.

Die hätte die damalige Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt vor sechs Jahren fast eingesetzt – nämlich einen staatlichen Korruptionsbeauftragten für die Pharmaindustrie. Damals hatten sich Hunderte Klinikärzte von Medizinherstellern schmieren lassen.

Stattdessen setzte sich die Pharmaindustrie mit ihrem Vorschlag durch, die Korruptionskontrolle freiwillig zu organisieren und den Unternehmen zu überlassen. „Das ist, als übernähme der ADAC die Geschwindigkeitskontrollen für seine Mitglieder“, ätzte damals Peter Sawicki, Leiter des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen.

2004 gründete sich der FSA. Der Verband zählt derzeit 97 Mitglieder von Bayer bis Pfizer. Anfangs waren auch viele mittelständische Medikamentenhersteller dabei, von denen aber die meisten inzwischen wieder ausgetreten sind. Wichtige Generikahersteller wie Ratiopharm oder Stada fehlen völlig. Ratiopharm argumentierte, dass die hauseigenen Marketing-Richtlinien über den FSA-Kodex hinausgingen.

Weiterer Selbstkontrollverband namens AKG

Viele Mittelständler haben sich inzwischen in einem weiteren Selbstkontrollverband namens AKG (Arzneimittel und Kooperation im Gesundheitswesen) organisiert. Der setze statt auf Sanktion lieber auf Beratung: AKG-Mitglieder können sich etwa von einer Unternehmensberatung durchchecken lassen, um Korruption und Verstößen gegen den AKG-Kodex auf die Spur zu kommen.

Die Büros von AKG und FSA liegen nur einen Kilometer voneinander entfernt auf der Berliner Friedrichstraße. Die Räumlichkeiten des FSA sind überschaubar. Dort arbeiten eine Sekretärin, ein Jurist und Geschäftsführer Grusa.

Grusa hat früher eine Commerzbank-Filiale geleitet und als Personalchef beim süddeutschen Medizintechnik-Unternehmen Leibinger gearbeitet. Er organisierte Schulungen, verbrachte viel Zeit in Gremiensitzungen, arbeitete an ethischen Richtlinien mit. Für den Posten beim FSA schien er wie geschaffen.

„Herr Grusa macht seine Sache ordentlich“, sagt Transparency-Fachfrau Martiny trotz ihrer Kritik am FSA.

Arbeitsteilung beim FSA

Dagegen gilt Grusas Chef, der FSA-Vorstandsvorsitzende Michael Klein, als harter Pharmalobbyist. Während Geschäftsführer Grusa Reden hält und Unternehmen um Stellungnahmen bittet, legt der Vorsitzende Klein die Leitlinien des Vereins fest. Hauptberuflich leitet der Jurist die Rechtsabteilung von Pfizer Deutschland – nicht gerade eine moralische Musteranstalt. US-Gerichte haben Pfizer mehrfach zu Millionenstrafen wegen irreführender Werbung verurteilt.

In Deutschland sorgte der weltgrößte Medikamentenhersteller zuletzt für Unmut, weil er eine kritische Studie über ein Pfizer-Antidepressivum zurückhielt. „Die Besetzung des FSA-Chefpostens mit Herrn Klein, einem Angestellten eines pharmazeutischen Unternehmens, ist unglücklich“, sagt Experte Ludwig. Die Neutralität des FSA sei durch eine unabhängige Schiedsstelle sichergestellt, hält Pfizer dagegen. Bei Vereinen sei es üblich, dass sich der Vorstand aus dem Kreis der Mitglieder rekrutiere.

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